Wie ein Moslem den Schulfrieden stört
Sie knieten sie sich auf ihre Jacken in Richtung Mekka, wippten mit dem Körper und sprachen die Gebetssuren aus dem Koran: Eigentlich kein Anblick, der – bei rund vier Millionen Muslimen in Deutschland – zum Aufschrei führen sollte. Doch weil Yunus M., damals 14 Jahre jung, sich gemeinsam mit anderen Muslimen auf einen Schulflur des Diesterweg-Gymnasiums in Berlin kniete, schlägt der Fall seit mehreren Jahren hohe Wellen.
Die Schulleitung verbot das muslimische Mittagsgebet in der Pause, Yunus M. klagte. Nachdem er in der ersten Instanz Recht bekam, hob das Oberverwaltungsgericht in Berlin die Entscheidung auf und schloss sich der Argumentation der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung an: Das öffentliche Gebet in der Pause störe den Schulfrieden. Nun verwarf auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als höchste Instanz die Revision – Yunus M. darf nicht in der Schulpause beten.
Religiöser Kulturkampf am Diesterweg-Gymnasium
Denn am Berliner Diesterweg-Gymnasium herrscht Kulturkampf – den Eindruck vermittelte die Senatsverwaltung vor Gericht. Am Gymnasium lernen Schüler, die fünf Weltreligionen angehören. Das führt zu Konflikten. «Die Gruppe hatte sich auf den Boden geworfen und ihre Gebete vollzogen. Andere Schüler haben sich ringsum gestellt, es kam zu Beleidigungen und Gerangel», sagt Ludgar Pieper, Abteilungsleiter in der Berliner Schulverwaltung. Weitere Religionskonflikte toben am Gymnasium, etwa zwischen Sunniten, Schiiten und Aleviten. «Zudem wurde eine Muslima, die während des Ramadan einen Müsli-Riegel aß, von ihren muslimischen Mitschülern angegangen», ergänzt Margarete Mühl-Jäckel, Anwältin des Landes Berlin.
Die Leipziger Richter folgten den geschilderten Gefahren für den Schulfrieden. «Religiöse Handlungen können vorhandene Konflikte an der Schule verstärken», sagte der Vorsitzende Richter Werner Neumann. Die Religionsfreiheit in Artikel vier des Grundgesetzes bedeute in diesem Fall auch, dass der Staat seine Schüler vor religiösen Glaubensbekenntnissen der Mitschülern schützen müsse. Der Anwalt von Yunus M. zeigte sich nach der Entscheidung enttäuscht. «Nach dem Urteil werden sich Schulleitungen in Deutschland zurückhalten, ihren Schülern Gebete zu erlauben», sagte Bülent Yasar.
Richter fordert gesetzliche Regelung über Beten in der Schule
Wegen der religiösen Konflikte am Diesterwegs-Gymnasium gebe es eine Hausordnung, die alles Religiöse ausschließlich in den Religionsunterricht verlege, erklärt Anwältin Mühl-Jäckel. Gelebter Laizismus, sozusagen. Wäre es jedem Schüler erlaubt, in der Pause zu beten, sei der organisatorische Aufwand enorm, führt Mühl-Jäckel aus: Zusätzliches Aufsichtspersonal, zusätzliche getrennte Gebetsräume. Das sahen auch die Leipziger Richter so. Weil dies eine Einzelfallentscheidung sei, andere muslimische Schüler aber sicher auch dann gern beten würden, mahnte der Vorsitzende Richter Neumann eine gesetzliche Regelung an: «Es bedarf einer klaren parlamentarischen Grundlage, welche religiösen Handlungen in der Schule zulässig sind.»
Nach dem positiven Urteil der ersten Instanz bekam Yunus M. übrigens zwischenzeitlich sogar einen eigenen Gebetsraum. «Den Schlüssel dazu hat er sich aber selten geholt», sagt Ludgar Pieper von der Berliner Schulverwaltung.
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Urteil zu Koran-Gebet – Wie ein Moslem den Schulfrieden stört
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