Wie der Körper sich gegen Diäten wehrt

Der Gedanke: “Ab morgen mache ich Diät” ist für viele und war es auch jedesmal für mich, ein Weckruf an den Appetit. Bevor die Zeit des Darbens, des Hungerns anbricht, möchte man sich noch einmal von den leckeren Dingen verabschieden, die man (für lange Zeit) nicht wieder genießen wird dürfen.

Die letzte Rippe Schokolade mit ganzen Nüssen, der letzte Löffel Eiscreme, der letzte Bissen von diesem und jenem.

Statt mich von diesen Dingen zu verabschieden, habe ich mich eines Tages von den Diäten verabschiedet. Und anders, als die Verabschiedung von den Lieblingsspeisen, hat der Abschied von der Diät kein Comeback erlebt. Ich tat es einmal und bin bis dato noch nicht rückfällig geworden.

Nun haben der Hirnforscher Dr. Achim Peters von der Universtiät Lübeck und sein Team 12.000 Studien zu Übergewicht analysiert und haben dabei eine für manche sicher neuartige Sicht auf das Thema gewonnen.

Übergewicht sei kein Unglück, sondern eine Schutzreaktion des Körpers in Kriesenzeiten. Solche Kriesen könnten existentieller Art sein (wenn man sich das Essen nicht mehr leisten kann, eine künstliche Hungerzeit, genannt Diät, anbricht, ), negativer Stress (ob durch Ärger in der Beziehung, im Beruf, drohendem Burn out oder die Androhung einer Diät) wird von Übergewichtigen besser übertaucht. Daher trachtet der Körper nach der ersten derartigen Kriese danach, sich für weitere dieser Art zu schüzten. Negativer Stress ist ja nichts, dem man so einfach ausweichen kann, viele Menschen sitzen in unglücklichen Beziehungen fest oder haben einen Partner verloren ohne eine Aussicht, diesen zurück zu gewinnen. Eine von Mobbing geprägte Arbeitsstelle wird oft nicht so schnell aufgegeben, denn das Gespenst der Arbeitslosigkeit erscheint noch drohender und wer ohne Arbeit dasteht, fühlt den Druck auf sich lasten, endlich wieder ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden.  Dr. Peters und sein Team fanden bei ihren Studienanalysen heraus, dass es zwei Typen von Menschen gibt. Die einen reagieren auf die Auswegslosigkeit mit “Verschwinden wollen”, sie nehmen ab, die anderen reagieren mit “Schutzpanzer”, sie nehmen zu. Wer zunimmt, hat nach Dr. Peters offenbar einen eingebauten Mechanismus, der die Ausschüttung von Stresshormonen dämpft. Was in unsererm  gehetzten Mobil-Zeitalter eigentlich ein großer Vorteil ist.

Irgendwann, so meine Erfahrung, ist aber auch der Schutzpanzer nicht mehr stark genug. Vor allem dann, wenn zu dem Stress, der die eigentliche Ursache für die Gewichtszunahme war, zusätzlicher Stress aufgrund der gesellschaftlichen Druck, die medialen Gehässigkeiten, die bösen Sprüche von Partner(in) und Familie, die Spitzen am Arbeitsplatz kommen.  Kein Wunder, dass, wenn der Panzer erst mal durch genügend Nadelstiche gelöchert wurde, der Stress dann umso härter empfunden wird.

In der Lösung des Problems zeigt sich für mich der tragische Kontrast zwischen einem dünnen und einem dicken Menschen, die unter dem gleichen Stress zu leiden haben:

Wer dünn ist und unter Stress leidet, kämpft gegen den Stress und hat hoffentlich Erfolg und verbessert seine Lebesnqualität auf lange Sicht, weil er das Kernproblem angegangen hat.

Wer dick ist und unter Stress leidet, sieht meist vor allem das eigene Körpervolumen als Ursache und geht darauf los, entweder mit Diäten oder mit Operationen. Ist es gelungen, Kilos zu verlieren, mag zwar jener Teil des zusätzlichen Stresses fort sein, der durch Dickenbashing (in welcher Form und von wem auch immer) ausgelöst wurde, aber jener andere Stressauslöser, der den Körper dazu bewogen hat, die Schutzhülle aufzubauen, ist noch immer da und somit die vorprogrammierte Enttäuschung, Verzweiflung.

Ich denke, es ist vor allem wichtig herauszufinden, was alles in meinem Leben jetzt und schon früher (als ich noch dünner war) zu Stress geführt hat und dann mit dieser Liste Strategien dagegen zu entwickeln oder sich professionell helfen zu lassen, wenn man es allein nicht schafft.  Wir sollten unseren Körper nicht hassen, weil er uns durch einen uralten Mechanismus zu schützen versucht.

Obwohl ich froh bin, dass Dr. Peters mit seinen Erkenntnissen dem generellen “nur dünn ist gut” Denken entgegentritt, gebe ich zu bedenken, dass es noch viele andere Faktoren gibt, die Menschen dick machen. Wir sind komplex und kompliziert. Jedoch ist Vermeidung von negativem Stress, egal ob dies dazu führt, dass wir nicht mehr dicker werden oder unser Körper den Schutzpanzer nach und nach fallen lässt, an sich eine gute Sache, die das Leben von dicken wie dünnen Menschen angenehmer macht.


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