Am Samstag war ich bei meinem ersten Poetry Slam. Ich wollte schon eine ganze Zeit lang mir einen Slam ansehen, doch habe es bisher irgendwie nie geschafft. Hier in Essen und Umgebung ist es ja nicht gerade so, dass man mit der Lupe suchen müsste. Trotzdem hat es bis gestern gedauert und wer weiß – vielleicht war das ganz gut so. Denn die 5. WestStadtStory am 11.02. hat mir als Einsteiger glaube ich sehr schön die guten und schlechteren Seiten so eines Poetry Slams demonstriert.
Tobias Heimann
Die Location im WestStadtHorizont erwies sich als gleichwohl kuscheliger, wie auch hipper Ortstermin. Bisher kannte ich noch keine Toilette, in der die Wände mit Kreide bemalt werden durften. Sehr schöne Idee, eigentlich, auch wenn die Möglichkeit hauptsächlich zur Selbstdarstellung und der Verbreitung von Blog-URLs genutzt wurde.
So ein Poetry Slam ist im Grunde ein Wettstreit: Die Slammer treten an, tragen ihre Texte vor und nach einem K.O. – System entscheidet nach jeder Runde das Publikum, welcher von zwei Kontestanten weiter kommt. Das geht so lange, bis sich zwei Poeten im Finale gegenüberstehen und schlussendlich einer der Gewinner ist.
Jürgen Schumacher
Soweit die Regeln. Durch den Abend führten zwei sympathische Moderatoren, die zwischen den Runden die Slammer ansagten und das Publikum bei Laune hielten. Beim so genannten „Pferderennen“ – einer Art Mitmachspiel für Zurückgebliebene – durften sich die Zuschauer kollektiv selbst zum Affen machen, was ich als ziemlich geniale Idee empfand – für die Slammer war so die Fallhöhe nicht mehr so gewaltig. Die ganze Show wurde selbstverständlich noch von einem DJ musikalisch begleitet und als sich alle Mann endgültig mit Getränken versorgt hatten, konnte es los gehen.
Nina Pale
Von theoretisch acht Slammern tauchten in der Praxis nur sechs auf. Das brachte die Gruppeneinteilung vom Fleck weg durcheinander. Da sich aus dem Publikum niemand überreden ließ, für die Verschollenen einzuspringen, erreichten zwei Kandidaten automatisch die nächste Runde. Auf dem Sofa auf der Bühne saßen nun also:
- Tobias Heimann, samt Skinny-Jeans und roter Mütze,
- Michael Zamelski , im Gepäck eine Loseblattsammlung seiner Texte
- Kathrin Knipping, die lieber mit einer richtigen Kladde vor das Mikro trat,
- Jürgen Schumacher, 62jähriger Gewinner des Flottemann-Slams, der seine Texte freihändig vortrug
- Nina Pale, spezialisiert auf freies Versmaß und Mädchenlyrik
- und Sebastian Hahn, der „dicke Junge“, der extra aus Bremen angereist war.
Michael Zamelski
Nun habe ich eingangs die guten und den schlechteren Seiten von Poetry Slams erwähnt. Damit waren natürlich die Slammer gemeint, denn nach meinem bescheidenen Dafürhalten teilte sich das Feld 50 – 50 in Spreu und Weizen auf. Die erste Runde bot sowohl überraschende Highlights, als auch Abgründe und Fremdscham:
Einige der Texte empfand ich zwar als gutgemeint tiefgründig, aber für meinen Geschmack leider hoffnungslos banal und langweilig. Kathrins Text über eine Ölpfütze, in der sich das Licht der Sonne bricht, meine ich schon mal irgendwo gehört zu haben, während ich Ninas Vorträge schlichtweg uninteressant fand. Wirkliche Poesie war das nicht, auch wenn es von
Kathrin Knipping
Außen bisweilen so aussehen mochte. Sorry, Guys. Michael empfand ich zu Anfang am spannendsten, da er als sagen wir mal „Rapper“ mir persönlich sehr entgegenkam. Als er ans Mikro trat, dachte ich, dass sein verpeiltes Getue und seine ausufernde Loseblattsammlung zu einer Art Bühnenpersönlichkeit gehörten – Fehlanzeige. Seine gerappten Texte hatten ein paar gute Doppelreime, aber das Publikum fühlte sich trotz des handwerklichen Geschicks strapaziert, als Michael die ihm zugestandenen sieben Minuten ausreizen wollte und noch einen zweiten Text vortrug. Von den bisher genannten schaffte es nur Nina weiter – sogar ins Halbfinale -, wobei sie in der ersten Runde ohne Konkurrenz startete.
Sebastian Hahn
Der übrige Kader erwies sich hingegen durchweg als Glanzlichter, wenn auch auf verschiedene Arten. Am meisten überrasche mich Jürgen, der mit seinem Alter deutlich aus dem Rahmen fiel. Ebenso mit seiner handwerklichen Routine, hinter der man die Bühnenerfahrung spürte. Tobias konnte mit viel Persönlichkeit und einigem Witz überzeugen, wenn er sich auch von allen am häufigsten verhaspelte und die meisten Aussetzer hatte. Dennoch gelungen. Eindeutig am besten und dafür auch zurecht Gewinner des Abends, war allerdings Sebastian Hahn. Der 20-Jährige aus Bremen trug mit einem sympathischen Schuss Selbstironie seine Texte vor, die allesamt durch ihren Witz bestachen. Das Highlight des Abends.
Unterm Strich war der WestStadtStory-Slam ein sehr unterhaltsamer Abend. Ich werde definitiv noch einmal auf einen Slam gehen – am besten nächste Woche. Ob ich dort ähnlich viel Spaß habe, bleibt abzuwarten – das erste Mal ist immer das beste. Und wer weiß: Vielleicht stehe ich irgendwann selbst stotternd auf einer Bühne und lese einen Text vor?
Alle Bilder © WestStadtStory