Die Türkei ist stark Erdbeben gefährdet
Das Auswärtige Amt stellt Merkblätter zur Krisenvorsorge zur Verfügung!
Natur-Katastrophen lassen sich bedauerlicherweise nicht voraussagen. Meistens erwischen sie uns eiskalt, unvorbereitet und lösen in der Regel Massen-Panik aus. Diese konnte am Mittwochabend in Mittelitalien in Ussita (Umbrien) verhindert werden, das gleich durch zwei Erdbeben erschüttert wurde.
Die Einwohner waren von dem ersten Beben um kurz nach 19 Uhr gewarnt und hielten sich im Freien auf. Sie hatten ihre Häuser verlassen, um in ihren Autos zu übernachten, als um 21:18 Uhr der schwerste Schlag folgte. Das zweite Beben, vielfach stärker noch als das erste, riss beschädigte Bauten ein, Betondecken kollabierten. Tausende sind nun obdachlos. Die meisten Bewohner blieben unverletzt. In der Regel gibt es aber keine Vorwarnung eines Erbeben. Erdbeben treten plötzlich, heftig und unerwartet auf. Es gibt keine Möglichkeit der Vorhersage und Frühwarnung.
Unvergessen bleibt für mich die Nacht vom 26. zum 27. März 2015 gegen 01.47 Uhr als ich mein erstes Erdbeben (Earthquake/Deprem) in Bodrum-Kargı am Camel Beach an der türkischen Ägäis erlebte. Ich war längst im Tiefschlaf mit meinem Katzen-Kind Ginger in den Armen als ich plötzlich spürte, wie sich der Boden unter mir bewegte. Ich war schlagartig hellwach. Es war als ob mein Häuschen “Villa Kunterbunt” durch einen gewaltigen Sog in die Erde gezogen würde. Die Elektrik erlosch. Und in der nächsten Sekunde war es als ob mein Häuschen einen gewaltigen Satz nach links machen würde. Ich klammerte mich panisch an mein Bett und fragte mich: “Was mache ich jetzt?” Der Schock sass.
Meine Freundin Deniz, die gerade aus Istanbul zu Besuch war, rief nach einigen Minuten aus dem Gästezimmer: “JayJay, bist Du okay?” Ich stammelte gequält: “Ja. Was war das? Hast du das auch gespürt?” Sie kam zu mir ins Schlafzimmer, streichelte meinen Kopf und sagte: “Mach dir keine Sorgen. Das war nur ein sehr kleines Beben. Die haben wir in Istanbul auch immer wieder einmal. Und wie es aussieht ist schon wieder alles vorbei. Das Licht brennt auch schon wieder.”
Später erfuhr ich, dass es in Kreta ein Erdbeben zur selben Zeit ab. Kreta ist nur 160 Kilometer von Bodrum entfernt. Das Erdbeben (Earthquake/Deprem) Institut geht davon aus, dass ich die Ausläufer des Kreta-Erdbeben mit einer Stärke von 4,2 mitbekommen habe, das sich direkt am Strand vom Camel Beach ereignete.
Eine Reihe von marinen Terrassen an der Südküste von Kreta zeugt von Küstenlinien aus längst vergangenen Zeiten. Die rot gestrichelte Linie unten markiert etwa die Anhebung der Küstenlinie durch ein Erdbeben mit einer Magnitude größer als 8 um 365 nach Christus. Die höher gelegenen Terrassen (gelbe Linien) zeigen kumulierte Hebungsraten durch viele Erdbebenserien aus den vergangenen 125.000 Jahren an.
Istanbul drohen schwere Erdbeben!
Seit jener Nacht bin ich für Erdbeben sensibilisiert! Und das aus gutem Grund. Der türkischen Metropole Istanbul werden schwere Erdbeben vorausgesagt. Sie liegt am westlichen Ende einer Erdbebennaht, welche die Türkei von Ost nach West durchzieht. Im gesamten Verlauf der tausend Kilometer langen Nordanatolischen Verwerfung haben verheerende Erdbeben in den letzten Jahrzehnten den Druck im Boden abgebaut: 1939 setzte am östlichen Ende der Verwerfung das erste Beben ein.
Mit den Erdbeben-Katastrophen von 1999 in Düzce und Izmit erreichten die Beben den bisher am weitesten westlich gelegenen Punkt der Verwerfung. Jetzt verharrt einzig im höchsten Spannungszustand die 160 Kilometer lange Marmara-Sektion 20 Kilometer südlich von Istanbul mit seinen rund 13 Millionen Einwohnern.
Blick aus der Luft über das westliche Istanbul und das Marmara-Meer (links), unter dem der westliche Teil der Nordanatolischen Verwerfung verläuft.
Geowissenschaftler und Katastrophenschützer kennen das Risiko der Megacity Istanbul: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hat die Stadt in der nahen Zukunft mit einem verheerenden Erdbeben zu rechnen.
Wie stark kann das Beben werden?
Wissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ haben zusammen mit einem Kollegen von der University of Southern California die Erdbebenmaxima entlang der Nordanatolischen Verwerfung untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass Megabeben der Magnitude M 8 nur im Osten der Erdbebenzone zu erwarten sind. Für den westlichen Teil der Verwerfungszone, wo Istanbul angesiedelt ist, erwarten sie Starkbeben mit nicht größerer Magnitude als M 7,5.
Epizentren und Lage der Haupt-Störungszonen: Nordanatolische Verwerfungszone und Erdbebenverteilung (rote und schwarze Punkte). Die Pfeile markieren die Bewegung der Anatolischen Erdplatte.
Seismologe Marco Bohnhoff vom GFZ erklärt: „Wir haben einen neuen Katalog historischer Seismizität für die Nordanatolische Verwerfungszone zusammengestellt, der bis 300 Jahre vor Christus zurückreicht und somit einen Zeitraum von 2300 Jahren abdeckt. Interessanterweise sind im Nordwesten der Türkei niemals Erdbeben mit Magnituden größer als 7,5 beobachtet worden. Im Gegensatz dazu sind im Osten der Türkei Magnituden bis M 8 gut dokumentiert.“
Die Erklärung dafür liegt im Alter der Bruchzone. Die mehr als 900 Kilometer lange Nordanatolische Verwerfung reicht von der Nordägäis im Westen bis fast zum Kaukasus im Osten und läuft quer durch die nördliche Türkei. Sie stellt die Nahtstelle zwischen der Anatolischen Platte im Süden und der Eurasischen Platte im Norden dar. Die Anatolische Platte, und mit ihr die heutige Türkei, bewegt sich nach Westen und verhakt sich dabei mit der Eurasischen Platte, wodurch über Jahrhunderte Spannungen aufgebaut werden, die sich dann schlagartig in Form von Erdbeben entladen.
Die Anatolische Platte und die Nordanatolische Verwerfungszone
Neuer Erdbebenkatalog führt zu neuen Ergebnissen
Der jetzt vorgestellte neue Erdbebenkatalog ergibt, zusammen mit weiteren Schlüsselgrößen wie Alter, strukturelle Beschaffenheit und Bewegungsraten der Erdplatten, ein schlüssiges Erklärungsmuster. Geoforscher Bohnhoff: „Wir konnten zeigen, dass die geringeren Erdbebenstärken im Westen im Zusammenhang mit dem früheren Entwicklungsstatus der Erdbebenzone stehen: Sie ist dort mit etwa acht Millionen Jahren vergleichsweise jünger und weniger gut ausgebildet als im Osten, wo sie 12 bis 13 Millionen Jahre alt ist. Die längere Zeitspanne hat hier bereits zur Ausbildung größerer zusammenhängender Bruchflächen damit zum Auftreten größerer Erdbeben geführt.“
Verwerfungszonen haben einen Lebenszyklus. Das Gestein bricht nicht entlang der gesamten Bruchzone auf einmal, sondern in Teilsegmenten. Im Laufe der Jahrmillionen wachsen einige dieser Segmente gerade durch die Erdbeben zusammen. Aufgrund ihres höheren Alters befinden sich daher im Ostteil der Verwerfung größere zusammenhängende Segmente. Deshalb treten im Osten stärkere Beben auf als im Westen, wo sich aktuell noch mehrere kleinere und teilweise noch nicht miteinander verwachsene Teilabschnitte befinden.
Was heisst das für Istanbul?
Diese größeren Erdbeben mit Magnitude M 8 sind dort erst in vielen Jahrtausenden zu erwarten. Damit läßt sich das seismische Risiko für Istanbul nach oben eingrenzen. Dies bedeutet jedoch keinesfalls Entwarnung, da sich die Erdbebenzone unmittelbar vor den Toren der Stadt auf dem Grund des Marmarameeres befindet. Daher kann ein Beben mit Magnitude M 7,5 entsprechend große Schäden anrichten.
Die Ergebnisse der neuen Studie sind wesentlich für die Abschätzung maximal zu erwartender Erdbebenmagnituden in dicht besiedelten Regionen, für die Bestimmung der seismischen Gefährdung und des damit verbundenen Risikos und letztlich für die Anpassung von Bauvorschriften.
Was tun bei einem Erdbeben?
Unvergessen das verheerende Erdbeben in Gölcük, das sich am 17. August 1999 ereignete. Es passierte als die meisten Menschen schliefen gegen um 03:02 Uhr Ortszeit (UTC 00:01:39) Die am stärksten betroffenen Städte waren Kocaeli, Yalova, Gölcük und Adapazarı. Das Erdbeben erreichte die Magnitude 7,6 auf der Momenten-Magnituden-Skala. Am Ende gab es einen Tsunami in der Meeresbucht von Marmara.
Opferzahlen
Durch das Erdbeben starben in der Türkei insgesamt 18.373 Menschen und 48.901 wurden verletzt. Die Opfer kamen aus Bolu: 270, Bursa: 268, Eskişehir: 86, İstanbul: 981, Kocaeli: 9.477, Sakarya: 3.891, Yalova: 2.504 und Zonguldak: 3
Verhindern lassen sich Natur-Katastrophen nicht. Doch wir können uns für den Fall der Fälle vorbereiten. Es empfiehlt sich zur Krisenvorsorge ein Merkblatt (Stand 01/2015) zum Verhalten nach einem Erdbeben auf der Homepage des deutschen Generalkonsulats Istanbuls herunter zu laden und auszudrucken:
Hier eine Merkblatt Erdbeben-Kurzform von Prof. Dr. Peter Bormann vom GFZ, die tatsächlich auf sechs DinA4-Seiten wertvolle Hinweise enthält:
- Bei der Auswahl und Anmietung von Wohnungen ist auf die Erdbebensicherheit des Gebäudes und die Beschaffenheit des Untergrundes zu achten. Das Gebäude sollte nicht auf weichem, sandigem Boden, unterirdischen Hohlräumen oder aktiven tektonischen Verwerfungslinien stehen. Hanglage ist zu vermei- den.
- Mieten Sie keine Wohnung in Hochhäusern ohne Erdbebensicherung, oder Häuser, die in engen Gassen gelegen sind; meiden Sie Objekte, auf die schlecht konstruierte Nachbarhäuser stürzen können.
- Legen Sie das Informationsblatt mit den wichtigsten Adressen und Telefonnummern zu der Notausrüstung. Diese ist an einem sicheren und leicht zugänglichem Ort unterzubringen. Erneuern Sie regelmäßig die Lebensmittel und Trinkwassernotversorgung.
- Machen Sie mit Ihrer Familie oder Ihrem Team einen Erste-Hilfe-Test und stellen Sie sicher, dass alle mit den Notversorgungsgütern umgehen können.
- Legen Sie einen Katastrophen-Kommunikationsplan fest, für den Fall, dass Familienmitglieder voneinander getrennt werden und wo sie sich wieder treffen können, nach Möglichkeit außerhalb des Katastrophengebietes.
- Stimmen Sie sich auch mit Ihren Nachbarn oder Kollegen ab, dass diese nach Ihrer Familie oder Ihrer Wohnung schauen, falls Sie im Katastrophenfall abwesend sind.
- Versuchen Sie, auf den Sammelplätzen mit anderen EU-Angehörigen eine Gruppe zu bilden. Stellen Sie sich eine Liste der dort befindlichen Deutschen auf, mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Gesundheitsstand und Name, Telefonnummer von Angehörigen in Deutschland. Versuchen Sie dann, diese Liste an die Botschaft zu übermitteln, die bemüht sein wird, entsprechend den gegebenen Umständen rund um die Uhr in Bereitschaft zu sein. Vertreter der Botschaften der EU-Staaten werden versuchen, alle Plätze zu erreichen, um Sie über die getroffenen Maßnahmen zu informieren und Listen der oben bezeichneten Art einzusammeln.
Ausdrucken, lesen und sichtbar zugänglich aufbewahren
Einfach den Link anklicken
Merkblatt zur Krisenvorsorge in erdbebengefährdeten Gebieten sowie zum Verhalten nach einem Erdbeben
Noch ein Hinweis für alle Deutschen, die sich dauerhaft in der Türkei aufhalten
Wer es bis heute noch nicht getan hat, sollte sich unbedingt auf die Krisenvorsorgeliste (Elefand) des deutschen Auswärtigen Amts registrieren:
Jeder deutsche Staatsangehörige, der – auch nur vorübergehend – im Amtsbezirk der Vertretung lebt, kann in eine Krisenvorsorgeliste gemäß § 6 Abs. 3 des deutschen Konsulargesetzes aufgenommen werden.
Es handelt sich hierbei um eine freiwillige Maßnahme. Das deutsche Auswärtige Amt rät, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, damit die Auslandsvertretungen – falls erforderlich – in Krisen- und sonstigen Ausnahmesituationen mit deutschen Staatsbürgern schnell Verbindung aufnehmen können.
Die Aufnahme in die Krisenvorsorgeliste erfolgt ab sofort passwortgeschützt im online-Verfahren.
Die elektronische Registrierung soll die bisher manuell geführten Krisenvorsorgelisten der Vertretungen ersetzen. Wir bitten Sie daher, Ihre Daten möglichst bald über das Internet einzugeben, auch wenn Sie bisher schon registriert waren. Sie werden künftig automatisch in regelmäßigen Abständen aufgefordert werden, Ihre Angaben zu bestätigen bzw. zu aktualisieren. Damit soll Vollständigkeit und Aktualität der Registrierungen im Sinne einer wirksamen Krisenvorsorge und –bewältigung sichergestellt werden. Bitte beantworten Sie die Ihnen automatisch zugehenden Aufforderungen deshalb im eigenen Interesse.
Hier der Link zur Krisenvorsorgeliste (ELEFAND):