Wer kümmert sich um Zentralasien?

Wer kümmert sich um Zentralasien?Darüber, dass viele Probleme Zentralasiens nicht gelöst, sondern verschoben und angehäuft werden, wird schon seit langem gesprochen. Die jüngsten blutigen Zwischenfälle könnten die Region in eine Phase treten lassen, die weitaus bedrohlicher ist.

Ein Artikel von Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift “Russia in Global Affairs” Für ria.ru (zugleich Quelle dieses Artikels) schreibt er wöchentlich Artikel.

In der vergangenen Woche war es an der Grenze zwischen Usbekistan und Kirgistan zu einem Schusswechsel zwischen Grenzsoldaten gekommen. Auf beiden Seiten war es zu Todesopfern gekommen. Der Anlass war ein Streit mit Straßenbauarbeitern auf einem umstrittenen Territorium auf der Seite Kirgistans. Wichtig ist aber nicht der Anlass dieses Vorfalls, sondern die Leichtigkeit der Grenzsoldaten, mit der sie das Feuer eröffnet haben. In Tadschikistan verwandelte sich währenddessen ein Anti-Terror-Einsatz im Pamir-Gebirge als Reaktion auf den Mord an Geheimdienstgeneral Abdullo Nasarow in ein blutiges Gefecht mit Dutzenden Todesopfern.

Ähnliche Vorfälle gab es auch vorher. Wegen der bevorstehenden Veränderungen in Afghanistan bekommen  die Bedrohungen eine neue Schattierung. Die ganze Region schlittert wegen der Situation in  Afghanistan in eine ungewisse Zukunft. Trotz des mehrmals von der US-Administration angekündigten Truppenabzugs aus Afghanistan im Jahr 2014 fehlt weiter eine klare Strategie. Verlassen alle Truppen das Land oder bleiben die Sicherheitskräfte? Werden Militärtruppen in den Nachbarländern stationiert? Ist im postamerikanischen Afghanistan eine stabile Macht möglich und wie wird sie aussehen?

Bislang gibt es keine klaren Antworten auf diese Fragen. Alle interessierten Seiten inner- und außerhalb  Afghanistans werden versuchen, verschiedene Varianten zu erörtern. Das Verhalten der Minderheiten in Afghanistan, die vor dem Sturz der Taliban 2001 der Nordallianz angehörten, spielt dabei eine Rolle. Einflussreiche tadschikische und usbekische Stammesfürsten im Norden Afghanistans glauben nicht daran, dass die Regierung mit Hamid Karsai an der Spitze sich an der Macht halten kann. Eine Rückkehr der Taliban stößt bei ihnen natürlich auf großen Widerstand. In der neueren Geschichte Afghanistans gab es Zeiten, in denen die  Zentralmacht den Minderheiten (Modschahedin-Regime 1992/1995) und Puschtun-Mehrheiten (Regierung der Taliban 1995/2001) angehörte. Die Anfangsphase war von ständigen Konflikten zwischen den Clans und Gruppierungen gekennzeichnet. Die zweite Phase war geprägt durch die islamische Diktatur, in der Afghanistan praktisch auseinanderfiel.

Beide Szenarien könnten sehr unangenehme Folgen haben,  vor allem wegen der Tatsache, dass hinter allen Fraktionen äußere Kräfte stehen: – Islamabad, Delhi, Peking,  Teheran, Taschkent u.a. Falls die Taliban an die Macht kommen, müssen sie die Frage beantworten, was mit den ungehorsamen Minderheiten  geschehen soll, wie die Tadschiken, Usbeken, Chasaren u.a. in die Macht eingegliedert werden sollen. Die Taliban könnten versuchen, die Minderheiten in Konflikte in den Anrainerländern zu verwickeln. Doch dazu wird es kaum kommen, denn die afghanischen Tadschiken und Usbeken sind daran interessiert, ein Stück vom Kuchen in ihrer Heimat zu bekommen.  Ein kleiner Konfliktherd würde jedoch ausreichen, um Afghanistans Nachbarländer zu destabilisieren. Die Aktivierung der unterschiedlichen ethnischen, konfessionellen und sozialen Gruppen in Afghanistan wird unmittelbar zu Auseinandersetzungen in den Nachbarländern führen.

Wer kümmert sich um Zentralasien?Die kürzlich 20 Jahre alt gewordene OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit - Karte links, Mitgliedsstaaten in blau, ehemalige Mitglieder gelb) ist leider immer noch nicht in der Lage, auf solche Ereignisse zu reagieren. Trotz aller Anstrengungen versucht Moskau seit 2000 vergeblich, die Organisation in ein handlungsfähiges Bündnis zu verwandeln. Usbekistan verkündete im Juni seinen erneuten Austritt aus der OVKS. Mit Tadschikistan und Kirgistan gibt es ständig Konflikte um die dortigen russischen Militärstützpunkte. Die usbekisch-kirgisischen Beziehungen stehen am Rande eines Kalten Krieges. Alle zentralasiatischen Staaten wollen  Russland und die USA gegeneinander ausspielen, um sich Vorteile im Wirtschafts- oder Sicherheitsbereich zu sichern.

Das Problem der OVKS ist das fehlende Vertrauen unter den meisten Mitgliedsstaaten. Ein Alarmsignal waren die Ereignisse in Kirgistan 2010, als sich die Allianz auf keine Strategie zur Beendigung  des Konfliktes einigen konnte. Ein unlösbares Problem ist offenbar die Unfähigkeit, Gefahren zu bestimmen und abzugrenzen, sowie Wege zu deren Überwindung zu finden. Bei den Unruhen in Kirgistan hatten alle OVKS-Mitglieder Angst vor einer erstmaligen Intervention Russlands in einen anderen Staat.

Die Gefahren in der Region sind mittlerweile grenzübergreifend. Extremisten kennen keine Grenzen und führen zu ständig neuen Spannungen. Wie sollen in diesem Fall die Kriterien für eine Intervention formuliert werden? Die OVKS bewegt sich in einem Teufelskreis. Viele Forderungen an Russland seitens der OVKS-Partner sind angebracht. Moskau betrachtet die Verbündeten leidlich als gleichberechtigte Teilnehmer des Prozesses. Doch die zentralasiatischen Länder dürfen eines bei ihrem Blick in die Zukunft nicht vergessen: Das geopolitische Ringen um den Einfluss in den postsowjetischen Ländern, das einst als Axiom galt, hat seine Grenzen. Im Prioritätensystem der führenden Player (USA, China, EU) werden viele Staaten in den Hintergrund gedrängt, die vor kurzem noch von großem Interesse waren. Im Krisenfall wird es vielleicht keine Freiwilligen geben, die sich einmischen wollen. Russland wird es wohl am schwersten fallen, dieser Verantwortung aus dem Weg zu gehen, weil es sonst mit schweren Folgen zu kämpfen hätte . Es ist deutlich erkennbar, dass Moskau sich kaum noch Mühe um die Vorherrschaft in der Region gibt. Stattdessen gibt es eine aufmerksamere Analyse der Risiken.

Links zum Thema: 

Putin als Realist und Medwedew als Liberaler - Warum besuchte Medwedew erneut die Kurilen?

Russland und USA: Schaden vermeiden - Welt ohne den Westen - Plan B für Syrien-Konflikt? 

Kann Russland ein Teil des Westens werden? - Gibt es eine Alternative in Europa? 

 Russland und Ukraine: Belagerungszustand - Putin und Amerika: Konflikt unvermeidlich?

Maria Lourdes-Blog: Die neokonservativen Kriegsverbrecher unter uns

Im US-Außenministerium befindet sich ein Büro, das deutsche Kriegsverbrecher jagt. Der Natur von Bürokratien entsprechend wird das Büro bis ins nächste Jahrhundert hinein existieren, wenn eventuell überlebende deutsche KZ-Bewacher 200 Jahre alt sein werden. hier weiter


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