Im Deutschen sind wir von der Grammatik her verpflichtet, zu jeder Handlung einen Täter zu benennen (kein Verb ohne Substantiv, kein Prädikat ohne Subjekt). Die Muttersprache bewirkt somit, wie wir ticken. Wenn immer etwas geschieht, muss es einen Täter geben:
- Wir können nicht einfach sagen: “Regnet jetzt, Blitzt jetzt”, sondern es heißt “Es regnet jetzt oder es blitzt”. Obwohl niemand erklären kann, wer dieser ES ist.
- Oft erfinden wir einen abstrakten Hilfstäter, damit es nicht allzukomisch klingt: “Die Zeit vergeht”, “Der Mai lässt alles erblühen”, “Die Termine drängen”, – aber wer ist die Zeit, die Termine oder der Mai? Ein abstraktes Wort, nichts weiter!
- Selbst konkrete Täter sind oft unschuldig am Geschehen: “Diese Landschaft ödet mich an”, “Ihr Freund hat sie um den Verstand gebracht” “Der Sonnenschirm spendet mir Schatten” – als ob die Landschaft oder der Freund so etwas tun könnten – und als ob der Schirm irgend etwas spenden würde!
Die Logik der alten Germanen prägt noch heute unser Denken.
Die Sprache verhindert die unmittelbare Wahrnehmung.
Unser Kopf baut sich seine eigene, gewohnheitsmäßig schräge Welt.
PS.
Auch dieser Text ist voller Täter, die nicht (mehr) existieren:
Wer sind heute die Germanen? Wie macht Sprache etwas? Wie kann Logik mich prägen? Wie baut der Kopf etwas auf?
Es sind alles Täter, die verschleiern, dass wir selber etwas tun…
Perlentaucher / 27cm x 19cm / Acryl auf Aquarellpapier / 2006, Nr. 06-052