Deutsche wollen seit zehn Jahren die Sommerzeit abschaffen – die Türkei entledigt sich kurzerhand der Winterzeit
Kurbelt das noch einmal den Tourismus an?
Dr.-Ing. E. h.Binali Yildirim erklärte im September öffentlich: “Die Sommerzeit bleibt!”
Nur noch eine Woche – dann stellt Europa die Uhren auf Winterzeit um. Während Deutschland seit mehr als einem Jahrzehnt Jahr um Jahr öffentlich darüber diskutiert, die Sommerzeit wieder abzuschaffen, entledigt sich die Türkei kurz und schmerzlos der Winterzeit! Sie lässt ab sofort an 365 Tage im Jahr die Sommerzeit gelten. Somit wechselt die Türkei die Zeitzone. Ministerpräsident Dr. -Ing. E.h. Binali Yildirim sagte Anfang September offiziell: “Es wird keine Verwirrung mehr geben. Sowohl im Sommer als auch im Winter wird die Zeit in der Türkei gleich sein.”
Chapeau Türkei?
Ein genialer Schachzug, um den Tourismus für den Herbst und Winter neu zu entfachen? Ich hab’ mit Politik und Religion nichts am Hut, dennoch stelle ich fest, dass die Türkei nicht das erste Land ist, das ewigen Sommer leben will. Russland schaffte bereits 2011 die Zeitumstellung ab. Der Kreml legte sich damals auf die „ewige Sommerzeit“ fest. Diese Ewigkeit währte jedoch nur dreieinhalb Jahre. 2014 stellten die Russen doch noch mal um, und zwar auf „ewige Winterzeit“. Mal sehen wie lange es Kremlchef Wladimir Putin dabei belässt und mal schauen, wie lange die Türkei “ewigen Sommer” leben kann. Tatsache ist, so schlecht die Buchungszahlen im Sommer 2016 für das Badeparadies Türkei aussehen, bis zu 40 Prozent Rückgang, um so grösserer Beliebtheit erfreut sich die Türkei jetzt im Herbst und im Winter. Deutschsprechende Touristen, die Dauerregen, Nebel und vor allem Kälte noch mal schnell entfliehen möchten, tragen dazu bei das manche Hotels an der türkischen Riviera rund um Antalya jetzt ausgebucht sind!
Deutsche schlafen weiterhin lieber länger
In Deutschland hingegen heisst es weiterhin: Die Sommerzeit spart keine Energie, so der deutsche Präsident des Umweltbundesamts. Sie könnte gesundheitsschädlich sein, sagen Wissenschaftler. Sie ist unbeliebt, sagen die Meinungsforscher. Deshalb: Am 30. Oktober wird die Sommer- auf Winterzeit in Europa umgestellt – wir schalten wieder um auf die “normale” mitteleuropäische Zeit. Für die meisten vor allem deshalb ein Segen, weil sie dann offiziell eine Stunde länger schlafen dürfen, wenngleich dieses Glücksgefühl tatsächlich nur für eine Nacht währt. Und wie jedes Jahr werden viele überrascht sein und sich insgeheim fragen: Wer hat an der Uhr gedreht?
Anders für die rund 500’000 Deutschen die in der Türkei leben. Sie müssen sich nun daran gewöhnen, dass die Nachrichten im deutschen Fernsehen ab 19.30 Uhr (ARD) hier zu Lande erst ab 21.30 Uhr zu sehen sein werden. Auch des Deutschen liebster Sonntag-Abend Krimi “Tatort” um 20.15 Uhr beginnt dann erst um 22.15 Uhr. Es gibt schlimmeres: Viel Licht verwöhnt den Körper mit viel positiver Energie. Ein Grund zur Freude! Stattdessen lieber mit Freunden abends im Garten sitzen und grillen – bei Abendtemperaturen um rund 21 Grad Celsius an der Ägäis und an der türkischen Riviera ein Leichtes. Und zweifelsohne freut es Fluggesellschaften, die Hotellerie und die Gastronomen, wenn sie im letzten Quartal des Jahres doch noch mal Umsatz machen können.
So funktioniert unser Körper nach der inneren Uhr
Immerhin rund ein Viertel der Weltbevölkerung wechselt zwischen Sommer- und Winterzeit hin und her. Das bedeutet zweimal im Jahr die Uhr umstellen – im Frühjahr eine Stunde vor, im Herbst dann wieder eine Stunde zurück. Das klingt zunächst gar nicht so viel, aber für unsere innere Uhr ist diese Zeitumstellung dennoch purer Stress. Sie beeinflusst nahezu alle Vorgänge in unserem Körper, vom Zellstoffwechsel, über die Verdauung bis zu den Hormonen. Als Zeitgeber nutzt sie dabei das Tageslicht: Der regelmäßige Wechsel von Tag und Nacht gibt ihr einen Bezugspunkt, um unseren Tag-Wach-Rhythmus zu koordinieren. Vor allem das Schlafhormon Melatonin, das uns abends müde macht, reagiert stark auf das Sonnenlicht.
Während die Türkei auf die Sommerzeit schwört, träumen Deutsche heimlich davon
Warum eigentlich? Vielleicht ist das ja des Rätsels Lösung? Anstatt die Sommerzeit in Europa abzuschaffen, sollte einfach die Winterzeit abgeschafft werden, denn jeden März ergeht es vielen gleich! Die verlorene Stunde schadet dem Schlafrhythmus, sagen Forscher. Unter dem Zeitdiebstahl leiden Langschläfer besonders. Deutsche sind seit Einführung der Sommerzeit 1980 von der Zeitumstellung genervt. Jedes Jahr heisst es überall: “Wir müssen etwas gegen die Zeitumstellung unternehmen!”
Jede dritte Frau (30 Prozent) leidet nach der Zeitumstellung unter gesundheitlichen Problemen. 18 Prozent der Männer bekunden Schwierigkeiten damit zu haben: Die meisten fühlen sich schlapp und müde, haben Einschlafprobleme und leiden so gar an Schlafstörungen. Meist verschwinden die Symptome nach vier Tagen bis zu einer Woche.
© Blingee
Einzelne Untersuchungen berichten von schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit. Der Montag ist und bleibt der Wochentag mit dem höchsten Herzinfarktrisiko. Ein möglicher Gedankenfehler des Deutschen? Nicht die Sommer- sondern die Winterzeit sollte abgeschafft werden? Doch wäre das für den Biorhythmus tatsächlich so einfach?
54 Prozent der Deutschen wollen das ganze Jahr Sommerzeit!
Nun, wenn die Umstellung von der Winter- auf die Sommerzeit mit einer Stunde Schlafverlust für die Bevölkerung so anstrengend ist, warum lässt man dann in Europa nicht einfach wie in der Türkei die Sommerzeit durchlaufen? Ohnehin gibt es immer mehr Befürworter eines quasi ganzjährigen Sommers, welche die MESZ kurzerhand für immer zur MEZ umerklären wollen. Im Jahr 2006 hatte der SPIEGEL dazu das Meinungsforschungsinstitut TNS Forschung 1000 Bürger fragen lassen: “Soll das ganze Jahr die Sommerzeit gelten?”. „Ja soll sie”, antworteten immerhin 54 Prozent!
Die innere Uhr bleibt in der Winterzeit hängen
Eine Studie mit 55.000 Menschen ergab, dass vor allem bei Nachteulen – also Menschen, die spät ins Bett gehen und morgens länger schlafen – die innere Uhr dauerhaft in der Winterzeit hängen bleibt. “Haben die Menschen frei, richtet sich ihr Schlafrhythmus nach der saisonalen Entwicklung des Sonnenaufgangs – an die Sommerzeit passt er sich nicht an”, heißt es da. Die Zeitumstellung reiße den Körper somit unsanft aus seinem natürlichen Takt. Das Fazit der Studie: Die innere Uhr des Menschen passt sich an die saisonalen Änderungen des Sonnenaufgangs an. Denn der Taktgeber des Körpers ist nicht die elektronische Uhr, sondern der Sonnenaufgang. Ende 2007 legte die Europäische Union einen Bericht zu den Auswirkungen der Sommerzeit vor. Die erwiesenen nicht vorhandenen ökonomischen Vorteile und der bürokratische Aufwand liessen vermuten, dass die Sommerzeit tatsächlich kippen würde. Die Frage war: Wohin kippt der Zeiger auf dem Zifferblatt? Für immer vor oder für immer zurück? Nun – in Europa bleibt auch 2016 alles wie gehabt – der Zeiger auf dem Zifferblatt dreht sich jetzt um eine Stunde zurück und im März dann wieder um eine Stunde vor. Nur in der Türkei bleibt der Zeiger auf dem Zifferblatt vorläufig unverändert auf Sommerzeit stehen!Wann wurde die Sommerzeit in Europa einheitlich eingeführt?
1996 wurde die Zeitumstellung in der gesamten EU einheitlich geregelt und die Zeitspanne fixiert: Vom letzten Sonntag im März bis zum letzten Sonntag im Oktober gilt die Sommerzeit. Davon sind alle Zeitzonen Europas betroffen.An die Sommerzeit-Regelung der EU haben sich auch einige weitere Länder angeschlossen. Zur selben Zeit werden in folgenden Ländern die Uhren umgestellt: Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Libanon, Liechtenstein, Marokko, Mazedonien, Republik Moldau, Monaco, Montenegro, San Marino, die Schweiz, Serbien, Ukraine und Vatikanstadt.
Eine Ausnahme bei der Zeitumstellung im Europäischen Wirtschaftsraum bildet Island. Dort wird wegen der Lage im hohen Norden die Sommerzeit nicht genutzt.
Pack die Badehose ein und dann nichts wie ab ans Meer
Wer es jetzt zeitlich einrichten kann, fliegt einfach in die Türkei, um so der Winterzeit noch für einige Tage oder Wochen zu entrinnen. An der Ägäis in Bodrum herrschen aktuell tagsüber 26 bis 31 Grad Celsius. Die Wassertemperatur liegt bei 21 Grad Celsius. In Antalya sieht es nicht viel anders aus. Gewöhnlich erwarten wir den ersten grossen Regen ab Januar – nächsten Jahres!
Wer der europäischen Umstellung auf Winterzeit entfliehen möchte, geniesst in der Türkei am Camel Beach nicht nur einen herrlichen Spätsommer sondern auch weiterhin die Sommerzeit!
Wann wird in den nächsten Jahren die Zeit umgestellt?
In der Europäischen Union – und damit auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz – wird die Zeit in den nächsten Jahren an folgenden Tagen von Winterzeit auf Sommerzeit und umgekehrt umgestellt:
- 27. März 2016 und 30. Oktober 2016
- 26. März 2017 und 29. Oktober 2017
- 25. März 2018 und 28. Oktober 2018
- 31. März 2019 und 27. Oktober 2019
Hier noch einige wichtige Fakten zur Zeitumstellung:
Warum gibt es überhaupt eine Zeitumstellung?
Der Engländer William Willet gilt als der Erfinder der Sommerzeit. Um das Tageslicht am Abend besser nutzen zu können, schlug Willet im Jahr 1907 vor, die Uhren im Frühling vorzustellen. Doch auch der US-Gründungsvater Benjamin Franklin, der auf dem 100-Dollar Schein geehrt wird, hatte bereits 1784 die Idee, der Anpassung des Tagesrhythmus an die Stunden des Tageslichtes. Franklins Idee war jedoch, dass die Menschen im Sommer einfach früher aufstehen sollten.
Im Jahr 1975 beschlossen die meisten Länder der damaligen Europäischen Gemeinschaft die Einführung der Sommerzeit. Hintergrund war die Ölkrise von 1973. Man erhoffte sich, dass durch die bessere Nutzung des Tageslichtes Energie eingespart werden könne. Nach und nach setzten die Länder die Regelung um. Doch die Rechnung ging leider nicht auf: Laut Bundesumweltamt spart man während der Sommerzeit in Deutschland zwar abends elektrisches Licht, morgens aber wird dafür mehr geheizt.
Was sind die Vorteile der Zeitumstellung?
Der Hauptvorteil der Zeitumstellung sind längere Abende. Durch die Zeitumstellung liegt die Tageslichtphase in einer späteren Uhrzeit. Dadurch sind Aktivitäten am Abend länger bei Tageslicht und wärmeren Temperaturen möglich.
Wie gewöhne ich mich an die neue Zeit?
Es sind noch sieben Tage bis zur Umstellung auf die Winterzeit in Europa. Wer kann, sollte bereits jetzt jeden Abend vorm Zubettgehen, den Wecker rund 8 Minuten vorstellen, um sich so auf die Winterzeit einstimmen zu können. Da die innere Uhr sich an Licht und Dunkelheit orientiert: Lassen Sie möglichst viel Tageslicht und frische Luft an Ihren Körper. Morgens Gardinen aufziehen, einige Minuten zu Fuß gehen, z. B. zur Arbeit laufen.