„Wer A sagt, muß auch B sagen.“Deutsches Sprichwort Ihr Lieben,
heute möchte ich Euch eine Geschichte aus meiner eigenen Kindheit erzählen:
Aufgrund der Gewalt, die ich zuhause erfuhr, freute ich mich immer wieder, wenn ich meinem höllischen Zuhause entkommen konnte. So hatte ich als 13-Jähriger die große Chance, mit einer Jugendgruppe nach Bad Reichenhall in die Sommerferien zu fahren. Ein Klassenkamerad fuhr ebenfalls mit und dessen Vater hatte ich auf seine Kosten zu dieser Reise eingeladen.
Es war eine herrliche, eine unbeschwerte Zeit. Zusammen mit den Betreuern unternahmen wir täglich schöne Wanderungen oder gingen zum Schwimmen. Das eine oder andere Mal fuhren wir auch nach Berchtesgaden und zum Königssee.
Eines Morgens machte wir einen Ausflug auf einen nahegelegenen Berg, dessen Name mir leider entfallen ist. Oben angekommen, setzten sich die Betreuer in die dortige kleine Gastwirtschaft, während wir Jungs draußen herumtollten.
Von dem Gipfel führte auf der anderen Seite des Berges ein steiler Weg nach unten, der nach etwa 250 Metern hinter einem Felsvorsprung verschwand.Mehrere Jungs, darunter ich, kamen nun auf die irrwitzige Idee, einen kleinen Wettlauf zu veranstalten und herauszufinden, wer von uns zuerst den Felsvorsprung erreichte.
Zu unser aller Glück hatte einer der Jungs keine Lust zu diesem Wettrennen, er bot sich als Schiedrichter an und begab sich gemessenen Schrittes zu dem Felsvorsprung, um dort zu beurteilen, wer von uns als Erster dort eintreffen würde.
Kaum war er hinter dem Felsvorsprung verschwunden, rannten wir mit vollem Tempo los.
Wir waren dem Felsvorsprung schon recht nahe, als der Junge, der den Schiedsrichter spielte, hinter dem Felsvorsprung wieder auftauchte, mit den Armen fuchtelte und schrie: "Halt, sofort anhalten!"Wenn man einen Berg abwärts rennt und das in vollem Tempo, ist es gar nicht so einfach, anzuhalten.
Aber wir schafften es und kamen etwa in Höhe des Jungen, der uns warnte, zum Stehen. Und das rettete uns das Leben: Denn, was wir von oben nicht hatten sehen können, war die Tatsache, dass der Weg, der hinter den Felsvorsprung führte, dort ohne eine Absperrung oder ein Gitter jäh endete und sich eine Felsenkluft von vielleicht 500 Metern Tiefe auftat.
Ohne den jungen Mann, der uns warnte, wären wir in den sicheren Tod gerannt, weil wir hinter dem Felsvorsprung nicht mehr hätten anhalten können.
Ihr Lieben,
viele Menschen ähneln diesen Kindern von damals.
Sie haben einen Weg beschritten und auf ihrem Weg werden sie gewarnt, aber da sie gelernt haben, dass man das, was man begonnen hat, auch zu Ende bringen soll, rennen sie weiter und damit in ihr Unglück.
Auch ich lernte zu Hause solche Sätze:
Was man angefangen hat, muss man auch zu Ende bringen.
Wer A sagt, muss auch B sagen.
Und wenn ich darüber nachdachte, ob das auch richtig sei, wurde mir das Nachdenken ausgeprügelt.
Heute weiß ich, dass es viel sinnvoller ist, manchmal zu sagen:
Der Weg, den ich eingeschlagen habe, ist der falsche, ich will einen anderen Weg ausprobieren.
Ich habe zwar A gesagt, aber deshalb muss ich noch lange nicht B sagen.
Wenn wir das unseren Kindern und Enkelkindern verdeutlichen, helfen wir Ihnen, selbstständig und erwachsen zu werden. Denn dann erlauben wir ihnen, darüber nachzudenken, ob der von ihnen eingeschlagene Weg der richtige ist.
Und so lernen unsere Kinder und Enkelkinder schon früh, über alternative Wege nachzudenken, kreativ zu werden und den für sie besten Weg zu finden.
Aber auch für jeden von uns ist es wichtig, sich zu verdeutlichen, dass wir jederzeit auf unserem Weg zu unserem Ziel auch einmal die Richtung ändern dürfen, neue Wege einschlagen dürfen, um ans Ziel zu kommen.
Ihr Lieben,
ich grüße Euch heute ganz herzlich und ich wünsche Euch, dass Ihr zwar A sagt, aber nicht unbedingt immer B
Liebe herzlich fröhliche Grüße
Euer Werner aus Bremen
Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt
