Als die Große ein Jahr alt war und ich gerade wieder mehr arbeiten gehen wollte, war sie richtig krank und sie musste 2 Monate zu Hause bleiben, weil der Verdacht auf Pfeiffersches Drüsenfieber im Raum stand, was bedeutet, dass sie sich sehr schnell bei anderen anstecken kann. Glücklicherweise wurde der Verdacht nicht bestätigt. Dennoch war es eine harte Zeit für uns alle, die ich nicht noch einmal erleben möchte. 2 Wochen waren wir im Krankenhaus, weil sie (wegen Magen-Darm und Stomatitis) nicht genug Flüssigkeit zu sich nahm und deshalb Flüssigkeit über den Tropf zu sich nahm. Ich litt sehr mit ihr, weil ich zwar da sein konnte, aber ihr nicht helfen konnte. Wir sind in die Zeit wie nie vorher zusammen gewachsen, ich war für sie da, bin über mich hinaus gewachsen, weil ich trotz Traurigkeit, Einsamkeit und Sorgen für sie stark war. Es hat mich verändert - ich habe mehr Angst.
Vor dieser Zeit war ich unbeschwerter, habe gedacht, das wird schon irgendwie gehen und es wird wieder gut. Es wurde ja auch wieder gut, aber es war schrecklich. Weil die Infekte durch Viren ausgelöst wurden und sie einfach nicht nach kurze Zeit besser drauf war, weil ein Infekt den nächsten jagte, wurde auch etwas von Verdacht auf Hirnhautentzündung geäußert. Das war das schrecklichste in ihrem kurzen Leben und in meinem langen Leben, was wir erleben mussten und wir konnten es in diesen kurzen 2 Minuten (die uns wie eine Ewigkeit vorkamen) nicht einmal zusammen durchstehen. Denn bei der Entnahme von Nervenwasser aus dem Rückenmark durften die Eltern eben nicht dabei sein, weil sie es nervlich manchmal nicht verkraften und weil das Kind extrem fixiert werden muss (6 Ärzte und Schwestern hielten sie fest, während einer die eine Stelle am Rücken genau treffen musste, sonst hätte Schlimmes passieren können, woran ich gar nicht weitere Gedanken dran verschwenden möchte). Die Große sah so krank aus und war es auch und keiner wusste genau, was sie hat. Die Blutwerte gaben Rätsel auf, wir fuhren mehrmals zur Uniklinik Köln, um die rätselhaften Blutwerte erklären zu lassen, um herauszufinden, was sie hat und warum es ihr so schlecht und einfach nicht besser geht. Im Nachhinein hat sich das alles nicht bestätigt und es war eine Verkettung von Laborfehlern, Vorsichtigkeiten und Unsicherheiten, auf was diese erhöhten Leberwerte, niedrigen roten Blutkörperchen, Eosinophile und sonstige Hieroglyphen hingeuten sollen. Am Ende war alles gut und es sagte nur aus, dass sie eine Allergiebereitschaft aufweist. Der Verdacht auf Pfeiffersches Drüsenfieber wurde nicht bestätigt, es war nur ein Laborfehler, denn das zweite Blutbild ergab keine Hinweise, das der Körper die Gedächtniszellen gebildet hat. Also konnte sie das gar nicht haben. Erschreckend, das sowas heutzutage bei soviel Technik (oder gerade wegen dieser) überhaupt noch passieren kann. Vielleicht wurde das Blut verwechselt - oder ich weiß es nicht und es ist mir egal! Sie hat nichts, sie ist gesund.
Und trotzdem bleibt die Erinnerung an diese Zeit, die ich am Liebsten aus meinem Kopf streichen möchte. Ich habe nur wach gelegen vor Sorge, habe geweint, wir hatten keine Außenkontakte, nur telefonisch, aber das auch nur sporadisch, weil telefonieren auch zu der Zeit schon schwierig war, ohne dass sie den Hörer haben wollte, um ihn wenige Sekunden später fallen zu lassen. 2 Telefone sind in der Zeit kaputt gegangen. E-Mails konnte ich zwar schreiben, aber eben nur, wenn sie schlief und das war nicht oft, wegen den Schmerzen und weil sie nicht ausgelastet war und weil ich unruhig war, was sich ja bekanntlich überträgt.
Den Papa kannte sie in den zwei Wochen nur um Kittel, anderen Besuch durften wir nicht bekommen und wir durften das Zimmer nicht verlassen. Der Papa musste ja auch arbeiten, ich hatte vom Kinderarzt den Schein wegen Kinderkrankheit, sodass mein Gehalt anteilig durch die Krankenkasse übernommen wurde. Das war zwar gut, aber selbst wenn ich nichts verdient hätte, wäre es mir egal gewesen. Denn ich wollte einfach bei meinem Kind sein und für sie da sein. Es war für uns alle keine leichte Zeit, denn neben den Sorgen war da der Druck des Papas, erst arbeiten, dann Katzen füttern, Sachen, die wir brauchen, holen und zu uns bringen, Zeit mit dem Kind verbringen und mit mir reden, nach Hause, den Haushalt machen, usw. Das war belastend! Erleichterung war, dass wir eine Zusatzversicherung abgeschlossen haben, die sowohl Chef-Arzt-Behandlung als auch Ein-Bett-Zimmer und die Mitaufnahme einer Begleitperson bis zum 12. Lebensjahr bezahlt. Chef-Arzt und Ein-Bett-Zimmer bekamen wir sowieso, weil wir eben ein nicht alltäglicher Fall waren und auch meine Anwesenheit wurde übernommen, weil das im Klinikum Leverkusen eben so ist. Wir bekamen aber die Zusatzkosten, die wir hatten, erstattet und einen Betrag ausbezahlt, weil keine Chef-Arzt-Behandlung in Anspruch genommen wurde über die Versicherung. Das ist beruhigend und deshalb haben wir es für die Kleine auch genauso abgeschlossen.
Warum es alles dazu kommen musste, war vermutlich auch, weil sie schon von Natur aus etwas krank aussah (helle Haut, bis auf eine Haarsträhne keine bzw. nur sehr helle und dünne Haare und sehr schlank, weil sie aktiv und immer in Bewegung war). Durch dieses kränkliche Aussehen und ihre schlanke und leichte Körperart, war die Flüssigkeit, die sie durch Magen-Darm verlor, schon extrem viel für sie. Schon dadurch, dass sie weniger zu sich nahm als sie ausschied, trocknete sie aus. Vielleicht war mein Optimismus etwas zu hoch und ich bin etwas zu spät zum Arzt gegangen. Der Arzt sagte, dass es am Stillen liegt, denn wenn sie aus dem Becher trinken gewohnt wäre, würde sie daraus trinken. Sie war das Trinken aus dem Becher gewöhnt, aber weil es ihr so schlecht war, wollte sie nur noch gestillt werden, auch wegen der Schmerzen, die sie durch die Stomatitis im Mund hatte. Für mich völlig verständlich, dass sie sich dadurch die Nähe holte - für den Arzt ganz schlimm, dass ein so altes Kind noch gestillt werden muss. Die braucht das doch nicht mehr, sagte er. Inzwischen haben wir auch das geklärt und hingenommen, dass wir da unterschiedlich denken. Zu der Zeit hat es mich sehr verletzt. Ich war aber froh, dass sie wenigstens das zu sich nahm, was sie über das Stillen bekam, denn ohne das wäre sie noch schlechter dran gewesen, weil die Muttermilch sehr reichhaltig und genau auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt ist.
Die schreckliche Zeit ist vorbei, wir waren zusammen in Mutter-Kind-Kur und haben das Beste daraus gemacht. Wir haben Kraft getankt und die Zeit miteinander genossen.Wir haben sie aufgepäppelt und sie durfte alles essen, was sie wollte - ob Süßes oder Eis, Hauptsache Kalorien.
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Sie ist gut entwickelt und ein richtig großes kleines Kind. Trotzdem bleibt da immer diese Angst, dass wir sowas nochmal durchmachen mussten. Jedes Mal, wenn ich irgendwo höre oder lese, dass Magen-Darm im Umlauf ist, steigt sie wieder auf, diese Angst. Immer, wenn ich eins meiner Kinder nachts husten höre, schrecke ich auf, schaue sie an, ob sie sich übergeben muss. Immer, wenn ich spüre, dass sie besonders warm ist, kommt die Angst, dass sie vielleicht einen Fieberkrampf bekommen könnte (habe ich schon oft gehört, dass es bei hohem Fieber dazu kommen kann), dass die Windel trocken bleibt, weil der Körper mehr Bedarf hat als sie zu sich nimmt, usw. Wenn eins meiner Kinder Durchfall hat (meist nur wegen Zähnen), habe ich Angst, dass sie sich kurze Zeit später übergibt und dass dann alles von vorne anfängt. Und die Kleine ist ja noch klein, dass auch sie noch nicht sagen kann, was und wo es weh tut und dass sie noch nicht versteht, wenn ich sage, dass sie trinken muss. Grundsätzlich ist die Sorge beim 2. Kind etwas geringer - weil die Gelassenheit größer ist und die Erfahrung und weil man weniger Zeit hat. Trotzdem ist die Angst da, je näher der Zeitpunkt des Alters rückt, in dem die Große so krank geworden ist. Wenn die Kleine 1 Jahr alt wird, werde ich wahrscheinlich nicht schlafen können, noch mehr als jetzt mit Desinfektionsmittel hantieren und meine Angst steigt ins Unermessliche.
Ich weiß, dass ich durch diese Gedanken das Ganze nicht leichter mache. Denn es ist eben passiert, aber wir haben es alle überlebt. Nur wie?
Und wenn ich jetzt daran denke, dass zu dem Zeitpunkt, wenn die Kleine ein Jahr wird, die Große in den Kindergarten eingewöhnt wird, steigt meine Angst. Was, wenn sich die Kleine dann durch die sogenannten Kindergarten-Bakterien, die ja da geballt herumschwirren, angesteckt wird und dann nicht gut genug trinkt und im Krankenhaus behandelt werden muss? Wer geht dann mit ihr ins Krankenhaus? Ich natürlich, weil ich sie stille (sofern sie das dann noch möchte) und weil der Papa arbeiten muss. Aber wer macht dann die Eingewöhnung mit der Großen im Kindergarten? Und wo kann sie bleiben? Die Betreuung mit ihr beginnt ja erst, wenn sie wieder im Kindergarten ist. Die Tagesmutter hat uns zwar gesagt, dass sie jederzeit kommen kann, aber für die anderen Tageskinder wäre ein kindergarten-bakterien-verseuchtes Kleinkind auch nicht gerade der beste Spielgefährte. Und finanziell ist es eben auch nicht einkalkuliert, dass die Große vor August 2016 betreut werden muss, wobei mir auch hier die Tagesmutter sagte, dass wir immer eine Lösung finden und sie unsere Kinder auch jederzeit unabhängig von einer Bezahlung betreut, wenn es nötig ist. Annehmen fällt mir schwer und das könnte ich nur im Notfall tun - was es ja dann wäre. Aber ich WILL DAS NICHT!
Deshalb bete ich jeden Tag, dass es nicht dazu kommt und meine Kinder nie wieder so krank werden, dass sie ins Krankenhaus müssen. Eine Versicherung hat man zwar, für den Fall, dass man sie braucht aber jeder ist doch froh, der sie nicht braucht. Natürlich dürfen sie krank werden, ja, sollen sie sogar. Aber bitte nicht ins Krankenhaus, und bitte nicht voller so großer Sorge, dass es ungewiss ist. Lieber 100 Erkältungen als ein Krankenhausaufenthalt, sage ich. Lieber Gott, bitte erhöre! Wir haben so viel Glück mit unseren Kindern und haben mit der Großen das Schlimmste schon durch. Bitte tu uns sowas nicht noch einmal an. Während ich diesen Satz schrieb, liefen mir die Tränen - aus ANGST, RIESEN-ANGST und voller Erinnerung an diese beschissene Zeit.
Ich gehe jetzt zu meinen Kindern, die beide gerade eine Erkältung haben, die sie tapfer durchmachen. Sie lächeln, spielen, lassen sich nichts anmerken trotz schlimmen Husten und Fieber. Und wenn ich der Großen sage, dass ich gerade mit dem Kinderarzt telefoniert habe, fragt sie mich, was er gesagt hat. Ich erkläre ihr, dass er sagt, dass sie viel trinken muss, weil sie sonst wieder ins Krankenhaus muss und dass Wasser und Tee gut helfen gegen Halsschmerzen und dass sie sonst wieder ins Krankenhaus muss. Sie selbst hat keine negativen Erinnerungen ans Krankenhaus, sie sagt immer, dass sie dahin möchte. Aber ich habe ANGST, dass ich eins meiner Kinder nochmal so sehen muss. Ich werde das nie vergessen und deshalb ist es immer richtig schlimm für mich, wenn ich auch nur geringe Anzeichen spüre, dass sie krank sind. Was mir bei der Kleinen Mut macht, ist, dass sie mehr auf den Rippen hat als die Große zu der Zeit. Sie ist zwar auch aktiv, will aber auch essen und trinkt aus der Brust nur gegen den Durst und zum Einschlafen. Das Essen ist viel spannender. Sie trinkt auch Wasser aus dem Becher zwischendurch, meistens zum Essen. Dennoch werde und möchte ich sie so lange stillen wie sie möchte. Da sie aber mehr wiegt, hoffe ich, dass sie eine eventuelle Magen-Darm-Grippe besser wegsteckt als die Große damals, die viel dünner war und weniger aß. Irgendwann wird uns eine Magen-Darm-Grippe sicherlich nochmal treffen, aber bitte nicht zu bald und nicht zu heftig wie damals, denn da war es der bekannte und besonders schlimme Noro-Virus. Es nützte auch nichts, dass sie gegen Rotaviren geimpft wurde - was wir bei der Kleinen natürlich auch wieder machen lassen haben. Egal wie, bitte lass es uns schaffen, wenn es nicht ganz von uns abgewendet werden kann.
Eure immer noch optimistische aber voller trauriger Erinnerungen weinende Mami Renate
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