“Hätte ich vielleicht doch ja sagen sollen?”
“Nein, hättest du nicht. Du hattest sieben Kinder im Haus, ‘Deiner’ war weg, das Auto hattest du auch nicht und obendrein hatten sich Gäste angekündigt. Wie hättest du ihr da helfen wollen?”
“Na ja, irgendwie hätte ich es schon geschafft…”
“Nein, hättest du nicht. Und überhaupt, warum muss die ausgerechnet dich anfragen? Gibt ja noch andere, die hätten einspringen können.”
“Aber sie hat doch niemanden…”
“Wen wundert’s?”
“Ich weiss, worauf du anspielst. Aber sie hat doch auch ihre guten Seiten. Und ich weiss doch auch, wie es ist, mit einem fiebernden Baby, einem fiebernden Kleinkind, selber hat man eine verstopfte Nase und das Älteste muss zum Eislaufen. Man kann doch nicht mit zwei kranken Kindern in der kalten Halle warten…”
“Mag sein, dass man das nicht kann, aber man kann ja auch mal eine Eislaufstunde ins Wasser fallen lassen…”
“Aber sie hat doch dafür bezahlt und du weisst, dass sie jeden Franken zweimal umdrehen muss. Und das arme Kind muss doch so schon auf so viele Dinge verzichten.”
“Das mag ja alles stimmen, aber warum fragt sie immer dich?”
“Weil sie doch sonst niemanden hat.”
“Aber siehst du denn nicht, dass du auf dem besten Weg bist, dich ausnützen zu lassen? Ich meine, die kann doch nicht wegen jedem Mückenschiss um Hilfe schreien. Bloss weil sie es schwerer hat als andere, heisst das noch lange nicht, dass du ihr in jeder banalen Alltagssituation, mit der sich jede Mama herumschlagen muss, Beistand leisten musst.”
“Du hast ja recht, aber ich fühle mich trotzdem mies, weil ich nein gesagt habe. Sie hat doch wirklich niemanden…”
“Na ja, sie hat ihre Mutter…”
“…die nicht in der Gegend lebt…”
“…ihren Ex…”
“…der sich einen Dreck um die Kinder schert…”
“…ein paar andere Freundinnen…”
“…die gleich tief in der Tinte sitzen wie sie…”
“…und dich, wenn es wirklich hart auf hart geht.”
“Aber heute habe ich sie eben doch im Stich gelassen.”
“Hast du nicht, es ging einfach nicht anders. Oder hättest du etwa deine Kinder und deine Neffen sich selbst überlassen wollen, um ihr Kind zum Eislaufen zu begleiten?”
“Natürlich nicht. Aber es ist doch irgendwie ganz schön egoistisch von mir, mich nur um meinen eigenen Kram zu kümmern, wenn jemand anders Hilfe braucht.”
“Oh ja, klar, wenn man einen halben Tag lang sieben Kinder betreut, kümmert man sich tatsächlich sehr ausgiebig um seinen eigenen Kram…”
“Du weisst schon, wie ich das meine…”
“Und du weisst, wie ich es meine, also hör endlich damit auf, dich mit Vorwürfen zu überhäufen.”
“Ich werd’s versuchen…”