Wenn alle Syrien retten wollen, will Saudi-Arabien auch

150px-Flag_of_Syria.svgDa kön­nen die Saudis doch nicht zurück­ste­hen: Wenn sich die Weltmächtigen über die Lage in Syrien unter­hal­ten (und zwar kei­nen Schritt wei­ter kom­men dabei; aber der Champagner soll gut gewe­sen sein)… dann müs­sen doch auch die leib­li­chen Wahabiten etwas tun. Nur was?

Sie dach­ten lange nach und dann – Voilá! – hat­ten sie es: Wir schi­cken Waffen! Flugabwehrwaffen. Die sind so toll (und brin­gen ordent­lich Profit)! Weil näm­lich diese trag­ba­ren Raketen sich doch schon so her­vor­ra­gend bewährt haben, als die Amis diese den Mudschaheddin verschenk­tenkauf­ten. Das war aller­dings noch zu einer Zeit, da die gegen die Russen Krieg führ­ten. Später dann wollte man die Dinge gern wie­der haben. Bekam man dann ja auch – aller­dings sehr schnell in Richtung der Apache-Hubschrauber geschickt.

“Man muss die mode­ra­ten Rebellen unter­stüt­zen, um das Regime zu zwin­gen, auf die Forderungen des Volkes ein­zu­ge­hen” sagte der frü­here sau­di­ara­bi­sche Geheimdienstchef Prinz Turki Bin Faisal dem Spiegel. Ich muss mal kurz zum Lachen in den Keller gehen… was sagt der da? “…die mode­ra­ten Rebellen…” Wenn man denn die Wahabiten für mode­rat hält, dann mag das ja rich­tig sein.

Die erste Provinzhauptstadt, die die “mode­ra­ten Rebellen” unter ihrer Herrschaft haben, ist Rakka. Dort haben Salafisten-Kämpfer der “Syrischen Islamischen Front” die eins­tige Residenz des Gouverneurs ein­ge­nom­men und las­sen es sich dort gut gehen: es ist “ein Palast mit Whirlpool, Sauna, Kristallleuchter und viel Marmor”, in dem die Männer mit den lan­gen Bärten leben. Ich kann schon rich­tig sehen, wie dort jedes Bild von der Wand geris­sen wird, jede Statue zer­stört, jedes unis­la­mi­sche Buch ver­brannt wird.

Und die Frauenrechte demo­kra­tisch ver­brei­ten:

Mitten in der Nacht kamen zehn bewaff­nete Männer mit Gesichtsmasken zu ihnen nach Hause und ver­haf­te­ten die jun­gen Schwestern Nour, Nagham, ihre Freundin Yusra und einen ihrer Cousins…
“Sie sag­ten uns: ‘Zieht mehr Kleidung an, setzt ein Kopftuch auf’”, erzählt die 19-jährige Nagham al-Rifaei. Die jun­gen Frauen wur­den abge­führt, ver­hört und vor ein Gericht gestellt. Es war 1 Uhr mor­gens. Erneut dräng­ten die Radikalen, die junge Frau vor dem Gericht ein Kopftuch auf­zu­set­zen. Sie wei­gerte sich und erschien so vor den zwei Richtern.

In die­sem Falle ging das noch glimpf­lich ab, da die Bevölkerung noch nicht völ­lig hirn­ge­wa­schen ist. Das ist aber nur eine Frage der Zeit (denke ich).

In Aleppo soll ein 15-jähriger Junge hin­ge­rich­tet wor­den sein, “weil er den Namen des Propheten Mohammed ohne den nöti­gen Respekt ver­wen­det haben soll.”

Das sind Beispiele für das Denken derer, die wir hier im Westen oft schmei­chel­haft “Rebellen” nen­nen und denen wir Waffen lie­fern wol­len.

Ich will ganz sicher nicht, dass wir wei­ter zuse­hen soll­ten, wie in Syrien das Morden wei­ter­geht. Aber wir soll­ten uns schon sehr genau über­le­gen, mit wem wir zusam­men­ar­bei­ten; wen wir dort unter­stüt­zen. Es sollte doch mög­lich sein, dass wir aus den Erfahrungen mit den Mudschaheddin in Afghanisten gelernt haben.

Oder doch nicht?

Fragen wir doch mal Einen, der es wis­sen muss:

Die erste Herausforderung ist die Wiederherstellung von Sicherheit und Stabilität, die zweite der Wiederaufbau. Die größte und wich­tigste Herausforderung aber ist, sich gegen den Extremismus zu stel­len. Denn es hat sich gezeigt, dass in man­chen Gesellschaften der Region Verschiebungen in Richtung Extremismus statt­fin­den und ein Entfernen von der Mäßigung, ins­be­son­dere in Angelegenheiten der Religion. Es stellt sich die Frage, ob es uns gelingt, diese Gesellschaften neu zu posi­tio­nie­ren, so wie sie in der Geschichte gewe­sen waren.

Oops, das hat Assad in einem Interview mit der FAZ gesagt.

Ach, wie ich diese Sprache kenne… die­ses Schönreden, Drumherumreden; die­ses leise Drohen und laute Schuldvonsichschieben…

Der Nahe Osten ist eine ideo­lo­gie­ge­bun­dene Region. Die ara­bi­sche Gesellschaft stützt sich auf zwei Säulen: den Panarabismus und den Islam. Alles andere hat nicht diese Bedeutung. Für uns in Syrien bedeu­tet Säkularismus die Freiheit der Religionen: Christen, Muslime und Juden, mit allen ihren viel­fäl­ti­gen Konfessionen. Der Säkularismus ist not­wen­dig für die Einheit der Gesellschaft und für das Gefühl von Staatsbürgerschaft. Dazu gibt es keine Alternative. Denn zur glei­chen Zeit sind die Religionen in unse­rer Region stark. Das ist schön und nicht schlecht. Schlecht ist indes, dass Fanatismus in Terrorismus umschlägt. Nicht jeder Fanatiker ist ein Terrorist, aber jeder Terrorist ist ein Fanatiker. Deshalb sage ich: Das Konzept unse­res säku­la­ren Staats ist, dass jeder das Recht hat, seine Religion frei aus­zu­üben. Keiner wird auf­grund sei­ner Religion, Konfession und Rasse anders behan­delt.

Wenn es nur halb­wegs stim­men würde, müsste man dem Redner Beifall klat­schen. Allerdings wis­sen wir ja, dass das außer Blasen nichts ist. Religionsfreiheit in Syrien… das war ein­mal (man lesen die Bücher von Rafik Schami!)

Das Schwierige an dem Interview mit Assad ist, dass vie­les von dem, was er sagt, schreck­lich ver­nünf­tig und rich­tig klingt. Allerdings sind das alles nichts als schöne Worte. Denn zu einem Bürgerkrieg gehö­ren immer zwei Parteien; und in Syrien tobt ein sol­cher. Das sind eben nicht zer­split­terte und aus dem Ausland gesteu­erte Terroraktionen, die das Land zer­rei­ßen. Es sind ebenso Assads Truppen, die Unschuldige mor­den. Und das Land zer­rei­ßen.

Und – damit schließe ich den Kreis zum Anfang des Artikels – von dem aus­ein­an­der­bre­chen­den Syrien möchte Saudi-Arabien ein Stück abha­ben (Assad spricht in den oben zitier­ten Interview ja selbst von “neuen Grenzziehungen”).


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