Weniger Bauch, mehr Kopf

„Mama, satt!“, teilt mir der kleine Mann mit, den ich im Kinderwagen gerade in Richtung Spielplatz schiebe. „In Ordnung“, sage ich ihm. Ich habe ihm zwar überhaupt nichts zum Essen angeboten, aber natürlich kann er mir trotzdem gerne mitteilen, dass er satt ist. Neben der Mitteilung, dass er gesättigt ist, was bei unserem kleinen Nimmersatt wirklich eine große Sensation ist, gibt er uns immer wieder zu verstehen, dass er müde ist. Das bedeutet aber nicht, dass er schlafen will. Oft will er dann einfach schmusen, sucht Nähe und Zuneigung und will einfach nur bei uns sein. Und das mit ganz viel Ruhe.

Satt, müde – ach nee, doch nicht

Trotzdem ist es irgendwie merkwürdig. Es gibt Situationen, in denen fragt er mich, ob er jetzt gleich einen Apfel essen darf. „Klar“, sage ich ihm, „sobald wir zu Hause angekommen sind, mache ich dir einen Apfel.“ Das findet er ok und vergewissert sich bis wir daheim sind, immer wieder, dass es den Apfel tatsächlich geben wird. Ja, wird es. Aber wenn der Apfel dann auf dem Tisch steht, dann ist er satt. Das stellt uns Eltern vor Rätsel und vor eine gewisse Schwierigkeit. Denn unser Sohn darf wählen, was er essen möchte. Doch wenn er sich entschieden hat, einen Apfel zu essen, dann gibt es zunächst den Apfel. Danach kann er sich dann für ein Brot oder für ein Müsli oder einen Joghurt entscheiden, wenn er noch mehr Hunger hat, aber eins nach dem anderen. Nach fünf Minuten, in denen er uns vehement zu verstehen gibt, er sei satt. Greift er in der Regel dann doch beherzt zum Apfel, hat dann plötzlich doch Hunger und möchte im Anschluss bitte noch mehr Apfel.

Was möchte er uns damit sagen, wenn er betont, dass er satt und müde ist, haben der Vater und ich uns gefragt. Ist es vielleicht so, dass ihm die momentane Situation zu viel ist? Dass er es satt ist, im Kinderwagen zu sitzen? Dass er müde ist, Tiere anzuschauen? Diese Theorie macht nur bedingt Sinn, da unser Sohn immer gerne neben dem Kinderwagen her laufen darf. Und klar kann er entscheiden, ob er Tiere anschauen oder doch lieber Trampolin hüpfen oder Sandburgen bauen will. Trotzdem betont er es immer wieder. Bei all unseren Versuchen, ihn zu verstehen, steht bei uns dabei an oberster Priorität, dass wir konsequent bleiben. Denn unsere Konsequenz hat sich bezahlt gemacht. Die Wutanfälle sind deutlich weniger und vor allem kürzer und weniger heftig geworden. Unsere Konsequenz und klare, frühzeitige Ansagen, sind bei uns definitiv erfolgreich. 

Vom Haben zum Verstehen

Eine Überlegung, die den Vater und mich nicht los ließ, war die, dass unser Sohn gerade erfährt, dass er Befindlichkeiten hat. Dass er Bedürfnisse und Gelüste nicht mehr nur spürt, sondern sie bewusst wahrzunehmen und zu verstehen beginnt. Komisch ist nur, dass er sein Sättigungsgefühl und seine Müdigkeit nicht befriedigen, sondern seine Befindlichkeit einfach nur äußern möchte. Wobei satt und müde häufig mit einem „nein, das möchte ich gerade nicht“ gleichzusetzen sind. Das ist vollkommen in Ordnung, dass er Dinge nicht möchte. Das kennen wir Eltern ja nur zu gut. Was jedoch momentan noch nicht funktioniert, ist, dass er uns sagt, was er möchte. Der Versuch, ihn danach zu fragen, wurde ziemlich schnell als schlechte Idee entlarvt. Denn diese Frage verunsicherte ihn dermaßen, dass er drohte, darüber wütend zu werden. Wir akzeptieren also seine Befindlichkeitsäußerungen und geben ihm zu verstehen, dass es in Ordnung ist, wenn er müde und satt ist. Dass er jederzeit schlafen darf, wenn ihm danach ist, und er genauso niemals etwas essen muss, wenn er nicht möchte. Dennoch machen wir ihm klar, dass eine getroffene Entscheidung gilt.

Das rettende Geschenk

Wir werden sehen, wo der Weg hingehen wird. Er kann entscheiden, was er möchte, aber er muss sich für eine Sache entscheiden. Er kann wählen, ob er auf dem Hocker oder auf dem Schoss seine Zähne putzen möchte. Aber er muss sich für das eine oder andere entscheiden. Dies führte letztens zu folgender Situation. Ich holte den Kleinen wie gewöhnlich mittags von der Kita ab. Laufen wollte er, das sagte er ganz klar und deutlich. Aber nach wenigen Metern stellte er sich vor mich, steckte seinen Kopf zwischen meine Beine, sah mich mit großen Augen an und sagte: „Mama, müde, bitte Arm!“ Ich erklärte ihm, dass er sich in den Kinderwagen setzen darf, wenn er nicht mehr laufen möchte und wir so nach Hause fahren. Aber das wollte er nicht. „Laufen“, war seine Antwort. In Ordnung, dann lauf. Schmollend stand er mitten auf dem Weg. Wenige Meter von ihm entfernt wartete ich darauf, dass er mit mir gemeinsam nach Hause geht oder fährt. Die beiden Optionen hatte er. So standen wir einige Zeit. Ich wartete und er schmollte. Die Schultern hochgezogen, den Kopf schief gelegt und die Lippe zu einem Schmollmund in Perfektion geformt. 

Ein paar Rentner, die auf einer Bank in der Nähe saßen, beobachteten uns. Abwartend, wie die Situation sich entwickeln würde. Doch nicht nur die Rentner schauten uns zu, sondern auch ein Mann, der immer ziemlich alkoholisiert durch das Dorf zieht. Er ist stets freundlich und gut gelaunt, aber eben auch stark alkoholisiert und ungepflegt. Der Mann sah unserem Sohn mit großem Interesse zu. Ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, als führte er etwas im Schilde. Das tat er auch. Denn auf einmal hob er ein Blatt vom Boden und ging auf unseren Sohn zu. Zunächst überlegte ich, ob ich dazwischen gehen sollte. Aber ich wartete ab. Denn der Mann ging nur zu unserem Sohn und sagte: „Hier mein Kleiner, da hast du ein schönes Blatt.“ Unser Sohn nahm staunend das Blatt entgegen, kam damit auf mich zu gerannt und sagte: „Guck Mama, Blume!“ Mit der Blume spazierten wir gut gelaunt nach Hause, die Müdigkeit war vollkommen vergessen. Wer will denn auch schon müde sein, wenn er so eine schöne Blume geschenkt bekommen hat?


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