In der Financial Times Deutschland fand ich einen Artikel, der mit „Die Angst vor dem Hunger kehrt zurück“ überschrieben war. Darin wird vor einer erneuten weltweiten Hungerkrise gewarnt, weil die Lebensmittelpreise gerade in den Entwicklungsländern wieder extrem steigen und die Armen der Welt sich nicht mehr genug Nahrung leisten können. Der Nahrungsmittel-Preis-Index der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) habe einen neuen Höchststand erreicht. Der Preis für Zucker etwa stieg auf dem Weltmarkt im zweiten Halbjahr 2010 um 77 Prozent, der Getreidepreis um durchschnittlich 57 Prozent. Auch Preise für Fleisch, Speiseöle und Gemüse seien deutlich gestiegen.
Die Situation sei derzeit noch nicht so dramatisch wie im Sommer 2008, als es in armen Ländern zu blutigen Hungerunruhen kam. Doch Experten warnten vor einer Wiederholung der Krise. Der Weizenmarkt beispielsweise wird von fünf großen Anbauländer – die USA, die EU, Russland, Kanada und Australien – beherrscht. In einigen dieser Länder zeichnen sich bereits Ernteausfälle ab, etwa in Russland, wo es nach den verheerenden Bränden des vergangenen Jahres zu einer verspäteten Weizenaussaat kam. In Australien wüteten zunächst eine Dürre und dann Überflutungen. Dazu kommt, dass das Wetterphänomen „La Niña“ im Pazifik in diesem Jahr für extremes Wetter anderen wichtigen Getreideanbaugebieten der Welt sorgen könnte.
Immerhin hätten einige Entwicklungsländer Konsequenzen aus der vergangenen Krise gezogen. So habe Malawi sehr erfolgreich seine Nahrungsproduktion gesteigert, indem es seine Bauern einerseits etwas mit günstigen Düngemitteln subventionierte und andererseits mit Zöllen vor dem Weltmarkt abschirmte. In anderen armen Ländern, die ihre Exportabhängigkeit nicht verringern konnten, sind die Preise für Grundnahrungsmittel wieder dramatisch gestiegen. Die Zahl der Hungernden damit auch: Im Jahr 2010 um 100 Millionen.
Um die Nahrungssicherheit grundlegend zu verbessern, schlagen Experten vor allem die Steigerung der Produktivität von Kleinbauern in Entwicklungsländern vor. Dort liege das größte Potenzial für Produktionssteigerungen. Dann müssten aber nicht nur Regierungen und die so genannten Entwicklungshelfer umdenken sondern auch auf die großen Lebensmittelkonzerne. Diese müssten vermehrt Kleinbauern in Entwicklungsländern in ihre Zulieferkette einbeziehen.
Wetterkapriolen und Spekulation
Die FTD stellt auch fest, dass die Industrieländer ihre Versprechen, die Landwirtschaft der Entwicklungsländer zu fördern, nur teilweise erfüllt hätten: Von den 2008 seitens der G8-Länder versprochenen Milliardenhilfen sei bis heute nur ein kleiner Teil geflossen. Auch bei der Regulierung der Finanzspekulation, die für die großen Preisschwankungen der letzten Monate verantwortlich gemacht wird, seien die Regierungen kaum weitergekommen. Wenn es gelänge, die Rohstoffmärkte wirksam zu regulieren und die Schwankungen zu reduzieren, könnten auch die Produzenten in den Entwicklungsländern von den höheren Preisen profitieren. Denn eigentlich liege in den gestiegenen Preisen auch eine riesige wirtschaftliche Chance. Klar, das die Leute vom Wirtschaftsblatt auch hier wieder das Geschäftspotenzial sehen und nicht die traurigen Konsequenzen für alle, die nicht daran mitverdienen. Mittelfristig sei damit zu rechnen, dass das weltweite Nahrungsmittelangebot knapp bleibe und die Märkte damit anfällig für heftige Preisschwankungen durch Wetterkapriolen oder Spekulation.
Hier ist wieder sehr schön zu sehen, dass der Hunger in der Welt nicht durch tatsächliche Nahrungsmittelknappheit bzw. die immer wieder bemühte Überbevölkerung zustande kommt, sondern dadurch, dass mit Lebensmitteln Geld verdient, also ein Geschäft gemacht werden muss. Wie das Beispiel mit Malawi zeigt, sind die Bauern vor Ort durchaus in der Lage, genug Lebensmittel für die Leute zu produzieren. Natürlich kann so ein Kleinbauer nicht mit Industriebetrieben konkurrieren, die den Weltmarkt mit ihren billig erzeugten Produkten überschwemmen. Das sieht man ja auch hierzulande: Viele Bauern geben auf, der Trend geht zum Großbetrieb, der industriell anbaut. Oder zum Ökohof, der entsprechend teurer produzieren und verkaufen muss. Noch gibt es genug Menschen in Deutschland, die sich das leisten können. Wobei ja auch der Bio-Knoblauch häufig schon aus China kommt. Was die ursprünglichen Idee der ganzen Sache mit regional erzeugten gesunden Produkten, die keine langen Transportwege hinter sich haben, auch wieder auf den Kopf stellt. Wenn aber die Strukturen vor Ort zerstört werden, weil internationale Großkonzerne ihr Zeugs da verkaufen wollen, dann ist das für die Leute geradezu lebensgefährlich: Wenn die Preise auf dem Weltmarkt steigen, können sie sich ihr Essen einfach nicht mehr leisten.