Für Freiheit, Demokratie und Feudalismus

Den Kommunismus wollt ihr also nicht. Sogar Dr. Dietmar Bartsch, Ex-Bundesgeschäftsführer der Linken, hat sich nicht entblödet, im Deutschlandfunk die Gleichsetzung von Stalinismus und Kommunismus als offizielle Ansicht der Linken zu vertreten. Aber was wollt ihr dann? Wie soll den euer demokratischer Sozialismus denn aussehen?

Ein bisschen mehr Unterstützung für die vom Kapitalismus Ausgespiehenen? Ein bisschen mehr Solidarität mit den Verfolgten und Unterdrückten der Welt? Ein bisschen Mindestlohn für alle? Ein bisschen Frieden?

Aber sonst bleibt alles, wie es ist. Und das ist nicht schön. Diese immer wieder hochgelobte ach so demokratische Gesellschaft, in der wir hier leben, beruht auf Gewalt und Ungerechtigkeit. Auch unsere parlamentarische Demokratie ist in erster Linie eine Herrschaftsform, mit Herrschern und Beherrschten. Deshalb braucht sie einen gut ausgebauten Polizeiapparat, ein ebenfalls gut ausgebautes Justizwesen und auch Militär, das eben nicht nur der Verteidigung des deutschen Territoriums dient, sondern weltweit eingesetzt wird, um deutsche Interessen zu vertreten, welcher Art auch immer.

Und damit der Laden läuft und die Leute ranklotzen, wird dafür gesorgt, dass die überwiegende Mehrheit der Leute vom größten Teil des vorhandenen Eigentums ausgeschlossen wird. Es gibt einige Wenige, denen fast alles gehört und viele, die jeden Tag arbeiten gehen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen – das tun sie, in dem sie den Reichtum derer, für die sie arbeiten, vermehren. Und weil in Deutschland so viel Reichtum produziert wird, dass für ziemlich viele noch ein Eigenheim, ein schönes Auto, ein Flachbildschirmfernseher und Essen bis zum Übergewicht dabei heraus kommt, fällt erst einmal gar nicht weiter auf, dass es nicht in erster Linie der eigene Reichtum ist, der dabei produziert wird. Und bisher ist das den meisten ihr ganzes Leben lang nicht aufgefallen, weil es doch eine ganze Menge Jobs gab, von denen man halbwegs angenehm leben konnte.

Nun ist aber die Produktivität so weit gestiegen, dass immer weniger Leute immer mehr Zeug produzieren können. Und denen, den der Job wegrationalisiert wurde, geht es dann nicht mehr so gut: Dann gehört das noch nicht ganz abbezahlte Eigenheim schnell der Bank und man stellt fest, dass auch Mietwohnungen und die Fahrscheine für öffentliche Verkehrsmittel ganz schön teuer geworden sind. Genau wie man auch feststellen kann, dass die Billiglebensmittel, für die die Grundsicherung gerade noch reicht, weder lecker noch gesund sind. Und dann könnte man eigentlich anfangen, darüber nachzudenken, was das eigentlich für eine Gesellschaft ist, die ihre Mitglieder am ausgestreckten Arm verhungern lässt, bloß weil sie keine Marktlücke finden, in der sie noch ein paar Euro produzieren und ein paar Cent verdienen können.

Manche denken sogar darüber nach und kommen auf ziemlich eigenartige Gedanken. Etwa, dass es zu viele andere gibt, die mit ihnen um Arbeitsplätze konkurrieren – was nicht von der Hand zu weisen ist. Aber die Lösung des Problems ist krude: Wenn die dann die falsche Hautfarbe haben oder die falsche Religion, und am Ende nicht mal richtig deutsch sprechen, dann müssen die halt weg. Oder man kommt auf die tolle Idee, dass man halt die Produktivität noch mehr steigern müsse, damit dann mehr Geld übrig ist, um diejenigen, die man eigentlich nicht mehr braucht, noch irgendwie anders „beschäftigen“ zu können, damit sie ihren Unterhalt „verdienen“. Denn Arbeit gibt es in Hülle und Fülle, von der Kinderbetreuung bis zu Altenpflege. Nur ist solche Arbeit „unproduktiv“, weshalb man kein Geld dafür ausgeben will. Und in der Praxis endet es immer damit , dass tatsächlich mehr Geld verdient wird – das aber dann in den Taschen der Albrechts, Ottos, Klattens, Quants oder Ackermanns landet und eben nicht dort, wo es fehlt.

Wer sich angesichts dieser Tatsache an feudalistische Zeiten erinnert fühlt, liegt überhaupt nicht falsch. Der großartige Fortschritt, den unsere Gesellschaft aufweisen kann, liegt darin, dass zumindest theoretisch jeder zum Feudalherren aufsteigen kann. Ein Bauernsohn ist nicht mehr an den Acker seines Vaters gebunden, sondern er kann hingehen, wohin er will, wenn sein Hof vom Agrargroßkonzern aufgekauft wurde. Die Tochter eines Opel- oder VW-Malochers kann BWL studieren und muss nicht als Mädchen für alles in den Haushalt reicher Leute. Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass es einen Fortschritt gegeben hat. Aber wenn man genau hinsieht, ist er nicht so groß und so universell, wie gern getan wird. Ja, wir können unser Herrschaftspersonal im gewissen Rahmen sogar mit aussuchen, alle vier Jahre. Aber welche Figuren wir da wählen sollen, können wir uns schon wieder nicht aussuchen, das machen die Parteien. Und die machen das auch weiterhin, selbst wenn keiner mehr wählen geht, weil den Leuten langsam dämmert, dass sie mit ihren Kreuz auf einem Blatt Papier nichts daran ändern, dass sie von den Interessen der Besitzenden beherrscht werden.

Überhaupt ist das eine lustige Vorstellung, dass man den Leuten nur „freie Wahlen“ ermöglichen muss, damit Frieden, Demokratie, Marktwirtschaft und damit Wohlstand und Glück für alle eintritt. Ach ja, und die Menschenrechte. Für die Menschenrechte wurde zum Beispiel der Irak in Schutt und Asche gelegt. Leider haben die 2005 erfolgten ersten freien Wahlen seit mehrere Jahrzehnten an der desolaten Situation nicht das Geringste geändert. Im vergangenen Jahr gab es dann sogar die „friedlichsten freien Wahlen“ seit Menschengedenken. Trotzdem ist der Irak jetzt keine Oase des Friedens und des Glücks. Genauso wenig wie Afghanistan eine solche ist, wobei, die Wahlen dort waren ja auch laut Wahlbeobachtern weder frei noch demokratisch. Deshalb sind ja unter anderem auch deutsche Truppen vor Ort, um den Afghanen ein bisschen Nachhilfe in Freiheit und Demokratie zu geben.

Doch zurück nach Deutschland. Wir haben Freiheit und Demokratie soviel wir wollen und doch geht es nicht allen Menschen gut. Denn Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft sind keine Garantie dafür, dass jeder ein gutes Leben hat. Sondern nur dafür, dass jeder die theoretische Chance hat, seine Mitmenschen in Grund und Boden zu konkurrieren. Das ist auch eine Form von Gerechtigkeit, Chancengerechtigkeit nämlich, die heutzutage gern propagiert wird, weil sie die Gerechtigkeit ist, die das Staatswesen am wenigsten kostet. Das ist erbärmlich. Weil die Chancen entgegen wohlfeiler Behauptungen eben nicht gleich verteilt sind. Und das passt denen, die sie zuteilen, auch hervorragend in den Kram. Warum sollten sie ihr bequemes Leben auf Kosten der anderen auch aufgeben, solange sie den anderen einreden können, dass es an ihnen selbst liegt, dass sie es zu nichts gebracht haben? Das ist ja das Perfide an unserer schönen, freien, chancengleichen Gesellschaft – die Verlierer glauben auch noch, dass sie selbst schuld sind, sie waren halt nicht tüchtig genug. Dass es Verlierer geben muss, damit es Gewinner geben kann, fällt dabei elegant unter den Tisch.

Und was ändert sich daran, wenn die Linken ans Ruder kommen? Gut, sie werden den Verlierern ein wenig Trost spenden. Die spannende Frage wäre, wie sie mit den Gewinnern umspringen. Ich fürchte, sie werden sie einfach in Ruhe lassen.



wallpaper-1019588
Jonas Deichmann und die Challenge 120 – MTP Folge #094
wallpaper-1019588
UNIQLO – Neue Kollektion zu “Kaiju No. 8” vorgestellt
wallpaper-1019588
I Got a Cheat Skill in Another World: Serie jetzt auch bei Amazon vorbestellbar
wallpaper-1019588
Garouden: The Way of the Lone Wolf – Netflix-Anime angekündigt