Wehmut? Nein, überhaupt nicht.

Am Samstag twitterte ich:
Heute in einem Monat wird der Große 5 !!! Unglaublich. Und schön! Keine Wehmut, überhaupt nicht. Es wird immer besser.
und musste danach erstmal weinen. Denn was heißt das, wenn keine Wehmut vorhanden ist? Dass es eigentlich keine schöne Zeit war. Man froh ist, dass sie vorbei ist und sie sich nicht zurückwünscht. Mein Mann meinte: Auf die letzten Jahre mit dem Großen hätte man getrost verzichten und erst jetzt starten können. Es macht traurig, an die ersten Jahre mit dem ersten Kind, dem Wunschkind, nicht positiv zurückdenken zu können. Sich einfach nur zu freuen, dass die Zeit vergangen ist und sich die Situation gewandelt, normalisiert, stabilisiert hat. Diesen großen, tollen, vorsichtigen, bedächtigen, angekommenen Jungen anzuschauen und zu denken, warum verdammt hat man soviel durchmachen müssen. Warum war es so schwer? Warum war es nicht schön? Warum war es ein täglicher Kampf? Und das war es für uns alle drei, für uns Eltern genau wie für ihn selbst.
Seit seiner Geburt denke ich über ihn nach. Lese, rede, schreibe. Das erste Babyjahr war existenziell schwierig und durchgehend unglücklich. Dann folgten komplizierte und hochemotionale Monate mit Eingewöhnungsversuchen in zwei Kitas, letztendlich erfolgreich. Ich wurde überraschend schwanger mit der Kleinen. Kurz nach seinem 2. Geburtstag stieß ich auf die Hochsensibilität, die mir vieles sowohl an ihm, vor allem rückwirkend die grässliche Babyzeit, als auch meine Schwierigkeiten und Grenzen als Mama zu erklären schien und dadurch eine spürbare Erleichterung für meinen Umgang mit ihm brachte. Das ist nun fast 3 Jahre her und auch diese waren trotzdem nicht nur physisch, sondern vor allem mental sehr anstrengend. Die kraftraubende Autonomiephase, die Geburt der Schwester und viele weitere kleine und größere Ereignisse brachten uns immer wieder an den Rand unserer Kräfte und Weisheit.
Wonach soll ich denn wehmütig sein? Nach einer Zeit mit einem außer Rand und Band schreienden, nicht schlafenden und nicht ablegbaren Baby, das zwei permanent anwesenden Erwachsenen monatelang nicht eine Sekunde des Durchatmens ließ? Nach Nächten, die diesen Namen nicht mal annähernd verdienten? Nach einem schlecht gelaunten Einjährigen, an dessen Bett ich täglich um 6 Uhr morgens heulend und verzweifelt saß? Nach einem knapp zweijährigen Kind, das sich im Buggy sitzend wie der Leibhaftige gebärdete? Nach einem Kind, das Autofahrten zum Höllentrip machte? Nach einem Dreijährigen, der tobte und wütete, als würde er die ganze Wut der Welt in sich vereinen? Nach einem Kind, das jahrelang für uns weder ein liebes Wort noch eine Berührung übrig hatte? Das ist alles nicht übertrieben, das ist Realität - harte, sehr harte Realität für uns gewesen. Es gab oft, sehr oft Nachmittage, in denen ich mir 5 Minuten nach dem Abholen aus der Kita wünschte, ihn wieder dort abzugeben, weil er völlig durchdrehte. Er konnte sich einfach nicht verständlich machen, vielleicht wusste er selbst nicht, was er wollte. Wenn ich versuche, mir schöne Momente ins Gedächtnis zu rufen, muss ich leider feststellen, dass es kaum welche gab. Wir hatten selten Situationen mit ihm, die unbeschwert, lustig, "normal" waren, sondern empfanden alles als Kampf und Quälerei. Er war kein Kind, das Späße mit den Eltern machte, schäkerte und ausgelassen war. Er war kein Kind, das einfach Vertrauen in seine Eltern mitbrachte oder eine Symbiose mit den Eltern anstrebte. Er war sehr eigen. Ich habe mich durch ihn völlig neu kennengelernt.
In den wenigen schönen, unbeschwerten, glücklichen Momenten merkten wir deutlich, wie es sein könnte, wenn wir besser miteinander harmonieren würden. Wenn wir ihn besser verstehen und er sich besser verständlich machen könnte. Als ich (leider erst) mit ca. 3 Jahren anfing, seine Emotionen zu spiegeln, wurden seine Wutanfälle etwas leichter fassbar, für ihn und für mich. Seine Schübe waren immer unglaublich anstrengend, bis heute hat man dann jedesmal das Gefühl, sein ganzes Gehirn ist ausgelöscht. Mittlerweile kennen wir das, es kostet uns immer noch viel Kraft, aber keinen Nervenzusammenbruch mehr. Alles, was ihn umtreibt, ist sehr existenziell und tief. Ich glaube, dass in ihm Dinge arbeiten, die er selbst noch gar nicht richtig fassen kann und möchte ihm noch viel Zeit geben, mit diesen vertraut zu werden. Deshalb möchte ich ihn von einigen Problemen unserer Zeit bzw. Gesellschaft vorerst noch fernhalten.
Mit jedem Monat, der in seinem Leben vergangen ist, wurde es besser, für uns und für ihn. Er hat sich unglaublich entwickelt und wir sind aneinander gewachsen. Er wird immer das schwierigere unserer beiden Kinder bleiben, das denke ich schon, aber wir haben einen Zugang zueinander gefunden. Erst jetzt schaue ich ihn an und denke (und sage das auch): "Was für ein toller, großer Junge!" Erst jetzt lachen wir gemeinsam, wenn er Späße macht, was er meist gar nicht selbst bemerkt (früher hat er immer gedacht, wir lachen ihn aus). Erst jetzt hat er langsam angefangen, Zuneigung und Körperkontakt zuzulassen und selbst zu zeigen. Er hat gelernt, dass er uns als Kind nicht ausgeliefert ist und sich nicht abgrenzen muss, sondern sich äußern und dann gemeinsam mit uns einen Weg finden muss und auch kann. Dass er uns vertrauen und sich auf uns verlassen kann. All das brachte unsere Kleine von Grund auf schon mit. Bei unserem Großen musste das erst wachsen, auf einem schmerzhaften und steinigen Weg. Aber ich glaube, es ist nun da.
Das Leben mit ihm jetzt ist um so vieles leichter als in jedem der vorangegangenen Jahre. Er ist innerlich ruhiger geworden und weiß mehr, was ihm gut tut. Er kann sich besser öffnen und merkt, wieviel positives Feedback er dann bekommt. Wir sind reifer und erfahrener geworden und kennen ihn. Es gibt immer wieder schwierige Situationen, in denen wir immer noch nicht den Dreh raus haben, wie wir ihm helfen können (Phasenübergänge, Anziehen etc.). Aber insgesamt haben die schönen, entspannten, lustigen Momente im Leben mit ihm doch deutlich zugenommen. Am schönsten ist es immer, wenn man allein mit ihm ist. Früher war es am schrecklichsten, mit ihm allein zu sein. Oft hat man nicht mal eine einzige Stunde allein mit ihm ausgehalten, ohne Durchzudrehen. Ja, so war das. Eine riesige Wandlung also.
Insofern: keinerlei Wehmut befällt mich beim Gedanken an seinen baldigen Geburtstag. Absolut null. Nie wieder möchte man solche Jahre erleben müssen. Nie wieder möchte man sein Kind und sich selbst so leidvoll und hilflos erleben. Man möchte aus den schönen Momenten mit dem Kind die Kraft für die schwierigen Phasen schöpfen. So wie es bei der Kleinen schon immer war. Beim Großen fängt das gerade erst an. Und ich hoffe inständig, es bleibt so. Wehmut bzw. tiefe Traurigkeit herrscht höchstens darüber, dass wir keine schönen Baby- und Kleinkindjahre zusammen mit ihm hatten, sondern immer nur gehofft haben, dass jeder Tag schnell vergehen möge. Dass es so lange gedauert hat, bis wir uns aufeinander eingestellt hatten. Dass wir sicherlich viel mit ihm falschgemacht und herumexperimentiert haben, weil nichts funktionierte. Dass er seinerseits auch so lange brauchte, um sich an uns und die Welt zu akklimatisieren. Und wir ihm das kaum erleichtern konnten, obwohl wir alles gaben, tagtäglich. Das ist nicht mehr zu ändern und schmerzt unglaublich. Aber: es wird immer besser. Mit jedem Jahr.

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