Veröffentlicht am 8. Oktober 2013 | von Stefan Schallert
0Waves Vienna 2013: Zu Land, zu Wasser und über die Grenze
Es ist jedes Jahr dasselbe, es ist der erste Donnerstag im Oktober, es ist gefühlte zehn Grad zu kalt und man hat seine Hausaufgaben gemacht…
Hausaufgaben? Das bedeutet den Versuch sich einen Überblick über 100 Acts, welche auf 16 Locations ihr Unwesen treiben, zu machen und das klingt einfacher, als es ist. Von A wie Attwenger bis Z wie Zanshin ist für jeden was dabei und noch viel wichtiger, es gibt mehr zu entdecken, als in drei Tagen möglich ist. Showcase – Festival nennt sich das Konzept des Waves. Bedeutet: Nicht zum x-ten „Schundersohn“ grölen und in einer Masse von Hunderttausenden untergehen, sondern sein ganz persönliches Menü aus dem riesigen und vielfältigen Buffet, welches angeboten wird, wählen. Und wir empfehlen wärmstens, zu experimentieren.
Also: Es ist Donnerstag, wir präsentieren stolz unser frisch erworbenes Band, sind mit Informationen ausgestattet, haben sämtliche Termine geklärt und die Route für den Abend abgesteckt. Zeit mit allem zu brechen und den angenehmen Klängen aus dem Bauch des Clubschiffs zu folgen. Was ist denn das? Say Yes Dog, sagt man uns. Aha, aus Luxemburg? Soso. Dahinter stecken drei Junge Herren, welche mit scharfsinnigem, positiven sphärischem Synthiepop kombiniert mit melancholischen Vocals, unweigerlich Sympathieträger des Festivals wurden. Zeit den Zeitplan über Bord zu werfen.
So angenehm aufgewärmt folgen wir der Einladung von Ink Music in die Fluc Wanne, das Label hat heute einen der ganz Großen am Waves für uns parat: Nathan Fake. Aber vorerst werden wir von einem der vielen nationalen Acts am Waves, Velojet, empfangen. Feinster Indie-Pop mit viel Gitarre und internationalem Rockstarpathos – wir werden unweigerlich an unsere Jugendtage mit Nada Surf erinnert. Die Indie-Nostalgie währt jedoch nicht lange an, verdichtet Nathan Fake die Stimmung im Fluc von der ersten Sekunde an. Mehr Musiker als Showman beschränkt sich der Engländer mehr auf das Bewegen von Reglern und Drehen von Reglern. Die sich zwischen progressivem Techno und Electro bewegenden Klänge sprechen allerdings problemlos für sich selbst. Komplett durchgespült und noch glücklich verstört werden wir vom A.G. Trio mit „Hallo, hier sind Scooter“ in Empfang genommen und mit Witz, poppigem Deephouse in die Nacht entlassen.
Sind schwimmende Locations in Wien schon lange keine Besonderheit mehr, fuhr das Waves dieses Jahr neue Geschütze auf. So durften wir mit den Gesandten der Waves Vienna Conference auf der Admiral Tegetthoff der Donau entlang in die Schwesterstadt Bratislava fahren, welche ebenfalls Gastgeber für zahlreiche Acts ist. Selbstverständlich durfte auch zu Wasser die Musik nicht zu kurz kommen und so wurden drei österreichische Bands beauftragt in diesem besonderen Ambiente ihre Kunst zum Besten zu geben: The Beth Edges, Ginga and Coshiva machten den Ausflug in die slovakische Hauptstadt zu keinem alltäglichen Erlebnis.
Das Abendprogramm lockte uns jedoch verfrüht wieder nach Wien, und zwar zur nationalen Institution Kreisky. Kaum eine andere Band schafft es Österreich so sehr mit so viel Wortwitz und dem ganz eigenen Charme zu verkörpern, wie die vier Wiener. Laut und intelligent wurde das Publikum erinnert, sowohl die Beine als auch den Geist in Bewegung zu bringen und erhielt zugleich Kostproben für das heiß antizipierte und demnächst erscheinende Album Blick auf die Alpen.
Nach so viel Anstrengung war es an der isländischen experimentellen Kombo Múm den Abend und für uns das Festival abzurunden. Islandexporte wie Sigur Rós oder Björk sind bekannt dafür mutig, sensibel und frei von Genres und Konventionen zu überraschen und durch ihre Authentizität zu erzücken und Múm muss sich in diesem Bereich nicht hinter ihren großen Landsmännern und -Frauen verstecken. Träumerisch, verwoben und sanft bildeten sie den idealen Abschied für müde Redakteure. Wer immer noch nicht genug hatte, wurde jedoch nicht herzlos in die Nacht gesandt, sondern durfte sich auf den Dancefloors von Fluc Wanne und Pratersauna noch bis in die Morgenstunden die Füße wund tanzen. Waves, wir ziehen den Hut und freuen uns schon auf die Hausaufgaben fürs nächste Jahr.
Tags:FestivalsMichael Kick FotosMusik-FestivalWaves Vienna
Über den Autor
Stefan Schallert Aufgabenbereich selbst definiert als: Ikonoklasmus. Findet “This method acting, well i’ll call that living” (Conor Oberst) bedenklich modern.