Sie ist die längste Wand der Ostalpen. Vom Königssee bis zur Südspitze zieht die Watzmann Ostwand empor und nimmt seit jeher Alpinisten in ihren Bann.
Es sind die formschönsten Gipfel, die schwierigsten Routen und die höchsten Wände, die im Bergsport ein besonderes Prestige genießen. Die Watzmann Ostwand ist eine dieser Prestige-Wände, ist sie doch die längste, durchgehende Felswand der Ostalpen. Sie erstreckt sich über 1.800 Höhenmeter von St. Bartholomä am Königssee bis zur Watzmann Südspitze.
Der Berchtesgadener Weg (III+) ist die einfachste Route durch die Watzmann Ostwand, wobei sich einfach hier rein auf die maximale Kletterschwierigkeit bezieht. Der Gesamtanspruch der Tour ist trotz moderater Kletterstellen enorm. Mehrere Plattformen und Magazine wurden zurecht kritisiert, weil sie die Watzmann Ostwand in der Vergangenheit als einfache Klettertour deklariert haben. Ich möchte die Ostwand deshalb explizit nicht als einfache Klettertour, sondern als extrem schwierige Bergtour MIT einfachen Kletterstellen bezeichnen.
Was die Watzmann Ostwand so anspruchsvoll macht, sind keine einzelnen Kletterstellen, sondern ihre unglaubliche Länge, die Orientierung in dieser überdimensionalen Wand, die unheimliche Ausgesetztheit, das stundenlange Gehen im Absturzgelände und die körperliche Belastung.
Denn wer nach der Ankunft auf der Südspitze noch die Überschreitung dranhängt, hat fast 2.400 Höhenmeter und 20 Kilometer in den Beinen! Davon fallen 1.800 Höhenmeter allein in der Ostwand an. Diese Wandhöhe macht die Watzmann Ostwand zur längsten, durchgehenden Felswand in den Ostalpen.
Die bekanntesten Routen in der Watzmann Ostwand
Natürlich führen mehrere Routen durch die riesige Watzmann Ostwand. Die bekanntesten sind:
- Der Berchtesgadener Weg (III+) – der meistbegangene Klassiker in der Watzmann Ostwand
- Der Salzburger Weg (V) – der schwierigste der klassischen Anstiege
- Der Kederbacherweg (IV) – der Weg des Erstbesteigers Johann Grill
Die Gefahr der Ostwand-Routen liegt nicht in ihrer Kletterschwierigkeit, sondern in der Länge und der Orientierung. Am besten du durchsteigst die Wand mit jemanden, der den Weg bereits kennt, oder vertraust auf eine/n Bergführer/in.
Wer mit dem Schiff nach St. Bartholomä kommt, kann kurz vor den Anlegen schon einen Blick in die monumentale Wand werfen.Wir schicken bei unserer Durchsteigung der Watzmann Ostwand über den Berchtesgadener Weg unseren Freund Vinz voraus, der die Ostwand schon zweimal in den Beinen und die Route immer noch im Kopf hat.
Toureninfos: Watzmann Ostwand Berchtesgadener Weg
- Schwierigkeit: lange und sehr schwierige Bergtour (Klettern bis III+, häufig seilfreies Klettern im II. Schwierigkeitsgrad, an den schwierigsten und ausgesetztesten Stellen einzelne Fixpunkte zur Sicherung, selbstständige Wegfindung, über viele Hundert Meter Absturzgelände, teilweise steile und brüchige Schrofenpassagen, konditionell sehr fordernd.)
- Aufstieg: 2.360 Höhenmeter
- Abstieg: 2.360 Höhenmeter
- Länge: 21 Kilometer (davon 3 in der Ostwand)
- Ausgangspunkt: St. Bartholomä am Königssee
- Endpunkt: Parkplatz Königssee
- Beste Jahreszeit: Hochsommer oder Frühherbst
- Route: Vom Parkplatz am Königssee mit dem Schiff nach St. Bartholomä. Noch am selben oder am nächsten Tag (Übernachtung im Ostwandlager) auf dem markierten Wanderweg zur Eiskapelle. An der Eiskapelle links über einen schuttrigen, dann grasigen Rücken (Steigspuren) hinauf zu einer Rinne. Diese zunächst links, dann 50 m weiter oben wieder rechts queren. Nun weit nach rechts über hinüber und durch mehrere Rinnen und Schrofengelände in das große Schuttkar (1.340 m). Im Schuttkar immer rechtshaltend in leichter Kletterei höher bis zum Fuß einer schwarzen Wand (Wasserfallwand). Zu dieser auf einem schmalen Band (ausgesetzt, Bohrhaken) linkshaltend hinüberqueren. Über die Platten der Wasserfallwand (III, mehrere BH) gerade hinauf auf einen Absatz (Ringhaken). Hier gerade nach rechts queren (großer Roter Pfeil) und über eine Steilstufe (II+) hinauf. Dann links (nicht rechts > Pfadspuren > Verhauer!) in einer großen Rinne in schöner Kletterei aufwärts bis auf 1.870 m (Steinmann). Dort rechts im grasigen Gelände hinüberqueren und weiter über mehrere kleine Stufen (III) zum Beginn der Gipfelschlucht (große Höhle, ca. 1.990 m). Auf der Wiese unterhalb der Höhle nach rechts hinüber und über Schutt, Rinnen und kleinere Felsstufen (II+) höher. Ein Band führt dich bald nach links hinüber zur „Dabelsteinplatte“ (2.240 m, großer Absatz) und über Schutt (Gehgelände) zur Biwakschachtel (2380 m). Vom Biwak übe Schutt kurz gerade hinauf und dann links über ein Band in eine Rinne. Linkshaltend leicht aufwärts bis zum großen Ausstiegskamin. Durch die Kamine schräg rechts hinauf (mehrere kurze Stellen III) bis auf einen Sattel (2.630 m). Links weiter zur 8m-Schlusswand mit der Schlüsselstelle (III+, BH). Danach nur noch kurz gerade hinauf zum Normalweg und in wenigen Metern zur Südspitze. Genaue Routenbeschreibung mit Bildern im Text unten!
- Abstieg: entweder von der Südspitze hinab und durchs Wimbachgries zur Wimbachbrücke, oder noch die Watzmann-Überschreitung dranhängen und über die Kührointalm zum Parkplatz am Königssee absteigen.
Mit dem Schiff nach St. Bartholomä
Eine körperliche Herausforderung ist die Tour durch die Watzmann Ostwand auch für gut trainierte Bergsportler. Den Zustieg nach St. Bartholomä wollen wir uns deshalb so gemütlich wie möglich machen. Am Vorabend steigen wir um kurz nach 16 Uhr in eines der Touristenboote und lassen uns zum Wallfahrtsort St. Bartholomä schiffen. Dieses Touristenprogramm im benachbarten Berchtesgaden hat uns ohnehin noch gefehlt und so genießen wir die ruhige Fahrt übers glatte, tiefgrüne Wasser, das Trompetenspiel gegen die Echowand und die Forelle im Gasthof, bevor wir uns im Ostwandlager aufs Ohr hauen.
Zustieg per Schiff.Die Schiffe fahren in der Hauptsaison täglich ab acht Uhr, von Mitte September bis Anfang Oktober ab 08:30 Uhr. Wer flott ist und den Weg kennt, könnte die Tour durch die Ostwand also auch am selben Tag noch machen. Wir haben leider etwas Zeitdruck, da der Wetterbericht ab Mittag Regen ansagt und wir zeitig in St. Bartholomä aufbrechen müssen.
Wer am Fuße der Watzmann Ostwand nächtigen will, für den bietet sich das Ostwandlager an. Für AV Mitglieder kostet die Nacht 15 €, nach Bezahlung erhältst du den Code für die Hüttentür. Einen Schlafplatz kannst du hier reservieren.
Das Ostwandlager steht rein den Ostwand-Durchsteigern zur Verfügung. Von diesen sind wir heute die einzigen und so können wir aus 30 Schlafplätzen frei wählen. Kein Schnarchen stört unseren Schlaf, für etwas Wirbel sorgt nur eine kleine Feldmaus, die an meiner Nussdose knabbert.
Im Schatten der Ostwand zur Eiskapelle
Um 04:30 schließen wir am nächsten Morgen hinter uns die Tür des Ostwandlagers, knipsen unsere Stirnlampen an und folgen dem breiten, markierten Schotterweg zur Eiskapelle in den Wald hinein. Wir hoffen, um neun Uhr auf der Südspitze zu sein. Dann bleibt uns noch genügend Zeit für die Watzmann-Überschreitung und den Rückweg zum Parkplatz, bevor die ersten Regenschauer hereinziehen.
In tiefer Dunkelheit schleichen wir durch den Wald. Tropfen vom letzten Regen in der Nacht fallen aus dem Blätterdach. Dichter Nebel liegt über dem See. Schon nach wenigen Minuten drückt es uns den Schweiß aus den Poren. Es ist furchtbar dampfig und fühlt sich mehr nach Amazonasbecken als Nationalpark Berchtesgaden an.
Im Schuttkar setzt die Dämmerung ein. Stille über dem Königssee.Gemächlich und sanft ansteigend machen wir die ersten Höhenmeter. 250 sind es etwa bis zur Eiskapelle – homogen verteilt auf knapp drei Kilometer. Über uns lichtet sich allmählich das Blätterdach, der Nebel sinkt unter uns ab.
In der undurchdringlichen Dunkelheit vor mir spüre ich die riesige Ostwand des Watzmanns. Sie macht die ohnehin schwarze Nacht noch schwärzer und das mulmige Gefühl im Bauch noch etwas stärker. Nach 45 Minuten stehen wir dort, wo die Eiskapelle – ein ganzjähriges Schneefeld – sein soll. Es ist immer noch finster. Über der dunklen Masse vor uns blitzen Sterne. Ein erhellendes Zeichen!
Watzmann Ostwand 1. Drittel: Schuttkar, Wasserfallwand & Rampe
Nach der Eiskapelle schießt das Gelände in die Höhe und unser Puls tut es ihm gleich. An einer Gedenktafel (830 m) halten wir uns links und steigen steil über einen grasigen Rücken bis zu einer schmalen Rinne hinauf. Die Rinne queren wir nach links, auf dem gegenüberliegenden Rücken mühen wir uns erneut über steile Gras- und Felstritte höher. Der Rinne darfst du keinesfalls geradeaus folgen, sondern verlässt sie auf 1.120 m auf einem schmalen Band (II, etwas glatt) nach rechts (Steinmann).
Im Schein unserer Stirnlampen erkennen wir deutliche Steigspuren, hin und wieder bestätigt ein Steinmännchen die Richtigkeit des Wegs. Das Gelände ist hier noch fast immer grasig, nur ganz selten berühren wir ernsthaft die Felsen.
Im großen Schuttkar. Die Wand vor uns ein Gewirr aus Bändern und Rinnen. Wir steigen am rechten Rand des Schuttkars hinauf und queren danach auf diesem Band nach rechts hinaus. In einem Linksbogen erreichen wir kurz darauf den 1. Sporn.Im Zick-Zack stapfen wir die steile Flanke höher. Auch wenn die Rinnen zur Linken immer wieder verlockend aussehen, halten wir uns im Zweifelsfall tendenziell rechts. An den markantesten Zweigstellen steht meist ein Steinmann. Diesen sehen wir in der Dunkelheit aber erst, als dir direkt neben ihm stehen.
Das große Schuttkar (1.350 m) ist die erste, auffallende Stelle im untersten Drittel der Watzmann Ostwand. Das Kar erreichen wir von links nach rechts über Pfadspuren, die von zwei kurzen Felsstufen unterbrochen werden.
Wasser tanken im Schuttkar
Im Schuttkar überqueren wir einen kleinen Wasserlauf und füllen unsere Wasserflaschen auf. Dann beginnt die eigentliche Kletterei! Wir verlassen das Schuttkar auf seiner rechten Seite und klettern einfach (I-II) über Rinnen und Rampen auf den 1. Sporn (1.570 m) zu.
Nach dem 1. Sporn geht’s immer der Wasserfallwand entgegen. Sie liegt genau dort, wo im Bild sonne und Schatten aufeinandertreffen.Mittlerweile ist es hell geworden, wir haben unsere Stirnlampen abgedreht und die Helme aufgesetzt. Die aufgehende Sonne hüllt uns in ein warmes Licht. Sie taucht die Wand vor uns in einen zartrosa Farbton. Freundlich und hell liegt die zuvor so abschreckend dunkle Ostwand jetzt vor uns.
Nach dem 1. Sport gelangen wir zu einer Kante, der wir gerade hinauf folgen. Vor uns erkennen wir bereits die markante Wasserfallwand.
Um kurz vor sieben Uhr wärmen uns zarte Sonnenstrahlen. Es wird kein heißer Tag werden und das ist gut so.Auf Reibung und Leisten über die Wasserfallwand (III)
Die Wasserfallwand ist die Schlüsselstelle im unteren Wandteil, weil exponiert, trittarm und tatsächlich zum Klettern. Die auffällige, schwarze Plattenstelle erkennen wir bereits von Weitem. Um an ihrem Fuß zu gelangen, müssen wir auf einem schmalen, sehr ausgesetzten Band (Bohrhaken) nach links hinüberqueren.
Kurz heißt es hier mutig sein, sauber Steigen und die Griffe über Kopf ordentlich zupacken, denn zur Linken fällt die Flanke weit ab. Nach dieser Stelle empfinde ich die Wasserfallwand als halb so schlimm. Im Gegenteil, sie bietet schöne Kletterzüge auf kompakten Platten und Leisten.
Über gestuftes Gelände nähern wir uns der Wasserfallwand. Die Felsplatten hier sind fantastisch kompakt, aber immer wieder von kurzen Schrofen unterbrochen. Ein ausgesetztes, schmales Band leitet uns zur Wasserfallwand.Wer hier sichern möchte, findet mehrere Bohrhaken und Ringe. Bei Nässe ist diese Passage sicherlich sehr heikel. Wir finden nach einer feuchten Nacht aber trockenen Fels vor. Die Sonne hat in der letzten Stunde gute Arbeit geleistet und die Wand von oben nach unten aufgetrocknet.
Die Wasserfallwand endet an einem Absatz (Ring). Wer nach oben blickt erkennt einen großen roten Pfeil, der nach rechts zeigt. Wir folgen seiner Vorgabe und verlassen den Absatz scharf nach rechts. Das schmale Band endet an einer Steilstufe (II+). Wir finden unterschiedliche Möglichkeiten, über sie hinwegzukommen.
Wasserfallwand. Wasserfallwand. Blick ins Steinerne Meer.Hier keinesfalls rechts weiter, erinnert sich Vinz. Zwar verleiten Pfadspuren dazu, wir müssen uns aber links halten, um in eine große Rinne bzw. Rampe zu gelangen.
Ausgesetzt und aussichtsreich. Nach der Wasserfallwand queren wir scharf nach rechts zu einer Felsstufe (II+).In homogener Kletterei durch die Rampe
Die Rampe gleicht eher einer großen Rinne, teilweise sind auch kurze Kaminstellen dabei. Etwa 100 Höhenmeter klettern wir in homogenen Schwierigkeiten (II) recht steil bis auf 1.870 m höher. Die Rinne sieht zwar teilweise brüchig aus, bist du am richtigen Weg ist der Fels aber immer fest.
Rechts an der Kante erkenne ich im oberen Teil der Rinne einen Steinmann. Wir folgen ihr also nicht weiter gerade hoch, sondern queren ein Stück nach rechts in grasiges Gelände hinüber.
In homogener Steilheit und Schwierigkeit (II) geht’s durch die Rampe höher, die wir auf ca. 1.900 m nach rechts verlassen. Traumhaftes Aussichtsplatzerl zwischen Watzmann Ostwand, Watzmannkinder und Königssee.Wir erreichen ein traumhaftes Aussichtsplatzerl. Tief unter uns der Königssee, gegenüber spitzen die Watzmannkinder hervor. Ja wir sind ganz angetan von der Watzmann Ostwand. Stetig geht’s bergauf, wirklich leicht und schwer ist es nie. Konzentrieren müssen wir uns bei jedem Schritt und ein Ende will die Wand auch nicht nehmen. Etwa 800 Höhenmeter liegen noch vor uns. Die Linie wird jetzt direkter und steiler, dafür müssen wir endlich weniger hin und her queren.
Wir verlassen das gemütliche Pausenplatzerl und klettern über stufigen, festen Fels weiter gerade empor.Watzmann Ostwand 2. Drittel: Biwakhöhlen, Gipfelschlucht & Biwakschachtel
Wir verlassen unseren aussichtsreichen Pausenplatz. Über gestuften Fels steigen wir höher, nehmen ein schmales Sims, das uns nach links hinüber und direkt unterhalb einer dunklen Wand führt. Rechts daneben klettern wir über Platten (III) sehr exponiert auf eine Höhle zu.
Für mich sind das die mental anspruchsvollsten Klettermeter. Die Dimensionen dieser Wand sind unmittelbar spürbar. Mein Blick fällt fast direkt nach Bartholomä hinab und der Einstieg in die Ostwand ist kaum mehr erkennbar. Gleichzeitig ist die Distanz bis zur Watzmann Südspitze immer noch enorm.
Meine persönliche Schlüsselstelle der Tour. Auf ausgesetzten Bändern… zum nächsten Aussichtsplatz.Ich bin erleichtert, als das Gelände wieder flacher wird. Die „Brotzeitplatz“-Wiese unterhalb der Biwakhöhle gibt Zeit, um zu Verschnaufen. Gut können wir die Gipfelschlucht und das Rinnensystem daneben einsehen. Die Bezeichnung Gipfelschlucht ist etwas trügerisch – denn in Nähe des Gipfels befinden wir uns noch lange nicht.
Aussichtsreiche Kante
Am Fuße der Gipfelschlucht liegt auch jetzt im Hochsommer noch ein kleines Schneefeld. Wir gehen rechts daran vorbei und steigen in einer Rinne (II) höher. Sie zieht schräg von links nach rechts hinauf zu einer Kante.
Das Panorama wird mit jedem Schritt fantastischer. Jetzt können wir bereits weit ins Steinerne Meer hineinblicken. Die ersten Schiffe gleiten über den Königssee und am Watzmanngrat erkennen wir Bergsteiger, die sich gerade auf der Überschreitung zur Südspitze befinden.
Nach und gleichzeitig immer noch fern. Wir blicken hinüber zur Mittelspitze, auf der wir im Abstieg noch vorbeischauen werden.Wir bleiben noch ein Stückchen auf der aussichtsreichen Kante. Sie mündet bald in die Dabelsteinplatte – ein plattiger Kopf direkt vor einem großen Turm. Dort ziehen wir wieder eine Schleife nach rechts und erreichen wenig später über Schorfengelände (II) die Biwakschachtel auf 2.380 m.
Watzmann Ostwand 3. Drittel: Ausstiegskamine, Schlusswand & Gipfelglück
Es ist kurz nach acht Uhr, als wir auf der Bank von Heinz Zembsch Platz nehmen. Das gemütliche Bankerl steht direkt neben der Biwakschachtel und wurde dem Heinz von seinen Bergführerkollegen zu seiner 250. Begehung der Watzmann Ostwand gewidmet. Mittlerweile hat er die Wand anscheinend über 400 Mal durchstiegen und ist damit der unumstrittene Rekordhalter.
Für Tom und mich ist es heute das erste Mal. Umso mehr genießen wir die Ruhe dieses Moments. Die Thermik treibt Wolkenfetzen über die Wand empor. Nebel hüllt uns ein, ein Windstoß streift die Wand und gibt den Blick wieder frei.
Biwak brauchen wir zwar keines, hineinschauen tun wir aber trotzdem gerne.Wir sind die einzigen, die heute durch die Ostwand klettern. Keine Rufe, kein hektisches Treiben, keine polternden Steine. Nur einsame Stille. 15 Minuten sitzen wir so in uns gekehrt da, knabbern an den Nüssen, die die Maus übriggelassen hat und raffen uns dann zum Endspurt auf.
Rein in die Ausstiegskamine!
Nach der Pause sind die Beine schwer und wir bereuen es, uns überhaupt hingesetzt zu haben. Viel fehlt aber nicht mehr zum Gipfel! 300 Höhenmeter trennen uns noch von der Watzmann Südspitze. Die Linie von der Biwakschachtel aufwärts ist logisch. Nur etwa 70 m nach dem Biwak müssen wir scharf nach links auf ein schmales Band abbiegen.
Das leitet uns dann direkt in die Ausstiegskamine und die Wegfindung ist fast eine g‘mahte Wiesn, wie man bei uns in Salzburg so schön sagt.
Schöne Kletterei hoch oben in der Ostwand. Watzmanngrat. Im Ausstiegskamin. Querung oberhalb des Biwaks.Ein paar nette Kletterstellen kommen noch auf uns zu, einzelne im Kamin sind sogar schon etwas abgegriffen. Mitunter der Beginn der Ausstiegskamine (III-), wo etwas Hüftbeweglichkeit gefragt ist, denn der beste Tritt ist ziemlich hoch oben. Hat man die Stelle überwunden, kann man bequem durch den langen Kamin höher steigen (I-II, mehrere Schlaghaken), bis man auf einen Sattel gelangt.
Jetzt liegt nur noch die Schlusswand vor uns!
Über die Schlusswand hinweg auf die Watzmann Südspitze
Die Schlusswand (III+) ist eine etwa zehn Meter hohe Felsstufe, die ein paar letzte Kletterzüge verlangt, bevor uns die Watzmann Ostwand kurz darauf auf den Watzmanngrat entlässt. Sie gilt als die Schlüsselstelle der Tour, ist mental aber weit weniger fordernd, als Passagen davor. Denn unterhalb der Schlusswand liegt ein Podest und ein Schuttkessel, was dem Wändchen seine Ausgesetztheit nimmt.
Die Schlusswand (III+) knapp unterhalb der Südspitze. Ein letztes Mal zupacken.Wir überklettern die Stelle – nach 2.000 Höhenmetern immer noch höchst konzentriert, denn unter die festen Felsblöcke mischen sich immer wieder lockere Steine.
Dann ist der Gipfel ganz nah! Einmal noch Ausspreizen und die Watzmann Ostwand spukt uns durch einen Kamin auf den Normalweg aus. Wir drehen uns nach links um und stehen kurz nach neun Uhr auf der Watzmann Südspitze.
Mit uns lacht immer noch die Sonne vom Himmel. Das Timing ist perfekt und wir entschließen uns nach innigen Umarmungen, die Ostwand mit der Watzmann-Überschreitung zu krönen.
Watzmann Südspitze. Teilweise brüchiges Gelände erfordert Aufmerksamkeit bis zum Schluss. Watzmann-Überschreitung.Watzmann-Überschreitung und Abstieg zum Königssee
Die klassische Watzmann-Überschreitung ist uns bereits gut bekannt. Heute geht’s mal in die Gegenrichtung von der Südspitze zum Hocheck. Ob wir wieder denselben Weg zurückgingen? Diese Frage erreicht uns nicht nur einmal und wir geben es bald auf, die Leute darüber zu unterrichten, dass es am Watzmann neben der Watzmann-Überschreitung noch andere Routen gibt.
Nach einer Stunde sind wir am Hocheck. Jetzt geht’s nach 2.350 Höhenmetern endlich nur noch bergab! Der Weg zieht sich gewaltig. Elf Kilometer ermüdendes Hinabtrotten stehen uns bevor. Zuerst zum Watzmannhaus, dann weiter bergab und hinüber zur Kührointalm. Bis hierher vergeht die Zeit einigermaßen schnell, danach wird’s mühsam.
Der steile Forstweg von der Kührointalm hinab zum Königssee macht sich bei jedem Schritt unbeliebter. Wir visualisieren uns schon im Königssee liegend, die schmerzenden Füße und schweren Beine im See abkühlend. Ans Positive vor und zurückdenken. Genau das ist während des Abstiegs nach einer so langen Tour Balsam für den Geist.
Und als die Sonne bei unserer Ankunft am Königssee immer noch scheint und wir den Schweiß aus der Watzmann Ostwand in Deutschlands sauberstem See abwaschen können, nimmt die Tour ihr perfektes Ende.
Das Wichtigste zur Watzmann Ostwand kurz und kompakt:
- Das Ostwand Lager auf St. Bartholomä hat von Mitte Juni bis Mitte Oktober geöffnet
- Nur bei stabilem Wetter einsteigen.
- Beste Jahreszeit: Wegen der Altschneereste sind der Hochsommer und der Herbst die beste Zeit für eine Watzmann Ostwand-Durchsteigung.
- Solides und meist seilfreies Klettern bis zum III. Grad ist nötig.
- Die Watzmann Ostwand ist auch für erfahrende Bergsteiger fordernd! Es stehen nicht das Klettern und die Technik im Vordergrund, sondern flottes, ungesichertes Klettern bis zum III. Schwierigkeitsgrad und das über mehrere Stunden.
- Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und sehr gute Kondition (Tourdauer von insgesamt ca. 12 Stunden) sind unerlässlich!
- Als Abstieg wählt man entweder die Watzmann-Überschreitung oder das Wimbachgries (auf beiden Wegen ca. 5 Stunden bis ins Tal)
Watzmann Ostwand: Diese Ausrüstung war dabei
- Helm
- Zustiegsschuh
- Rucksack
- Erste-Hilfe-Paket
- Stirnlampe
- Stirnband & Handschuhe
- Windjacke, Daunenweste & Wechselshirt
- Hüttenschlafsack fürs Ostwandlager
- Trinken & Verpflegung
- Sonnenbrille