Wassermythen: Ertrinken sieht nicht wie Ertrinken aus

Mir war nicht klar, dass Ertrinken eine stille Angelegenheit ist. Hier bei uns in Konstanz sind im letzten Sommer mindestens vier Menschen ertrunken. Junge wie alte. Man fragt sich, gerade als Paddler, wie das möglich ist. Das Wasser ist ja überall ruhig und Menschen sind an jedem Meter des Ufers. Doch es passiert. Folgende Anekdote von Mario Vittone ist wahrscheinlich die Erklärung:

„Als der Kapitän voll bekleidet von Board hechtete und durch das Wasser sprintete, irritierte er die Badegäste im Wasser. »Nicht, dass er denkt, du ertrinkst«, sagte ein Mann zu seiner Frau. Kurz zuvor bespritzten sie sich mit Wasser und schrieen und tollten herum. Doch nun standen sie im schultertiefen Wasser auf der Sandbank. »Was macht er denn?!«, fragte die Frau bereits leicht gereizt ihren Mann. Der Mann rief dem Kapitän zu »Es geht uns gut!«. Aber der Kapitän ließ sich nicht beirren. Er schwamm unnachgiebig auf das Pärchen zu, durch sie hindurch und raunte nur kurz “Weg da!”. Denn direkt hinter ihnen, nur wenige Meter entfernt, war die neunjährige Tochter gerade dabei zu ertrinken. Der Kapitän kam in allerletzter Sekunde. Sicher an der Oberfläche in den Armen des Kapitäns fing das Mädchen an zu weinen und schluchzte: »Papa!«.“

Eine Ähnliche Situation habe selbst mal erlebt. Ich war als Kind mit meinen Eltern an der Nordsee. Mein Bruder war noch klein, sechs Jahr alt vielleicht. Wir standen ebenfalls auf einer Sandbank — allesamt gute Schwimmer. Wir hatten Spaß mit den halbhohen Wellen in der herbstlich kühlen Nordsee. Plötzlich war mein Bruder verschwunden. Wir warteten panisch durchs Wasser, suchten ihn, fischten mit den Händen nach ihm, doch wir hörten und sahen nichts. Ein Mann sprintete, ähnlich dem Kapitän, vom Strand aus ins Wasser und zog meinen Bruder an der Badehose aus dem Meer. Er konnte ihn von Strand aus sehen.

Es ist eben nie so, wie wir es aus Baywatch kennen. Das Ertrinken beginnt, sobald das Opfer seinen Kopf nicht mehr über dem Wasser halten kann. Unter Wasser hält es die Luft an und über Wasser atmet es. Dazwischen ist keine Zeit um nach Hilfe zu rufen. Der teuflische Überlebenskampf nimmt seinen Lauf, immer wieder über und unter Wasser. Bis die Kraft weiter schwindet. Die Arme versuchen sich nach oben zu ziehen, sich bemerkbar zu machen. Unter Wasser hält der Ertrinkende so lange wie möglich die Luft an. Vielleicht nur 30, vielleicht sogar 70 Sekunden. Dann atmet er Wasser und verschluckt sich. Durch den Hustenreflex inhaliert er mehr Wasser. Es soll qualvoll brennen, wenn das Wasser die Luftröhre hinunterläuft. Es wird bewusstlos, sein Herz bleibt stehen, dann setzt der Hirntot ein.

Es bleibt uns nicht anderes als wachsam zu sein. Auf uns gegenseitig aufzupassen. Wir werden es nicht hören, wir können es höchstens sehen. Bleibt wachsam und vorsichtig.


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