Was wir von Politikern lernen können

Von Gaby Feile
Traditionell halte ich mich mit zu ausgeprägten politischen Äußerungen in der Öffentlichkeit zurück. Das ist auch am heutigen Wahlabend nicht anders.
Dennoch gebe ich heute spontan meinen Kommentar zum Ausgang der Bundestagswahlen in Deutschland ab. Ich schaue, auch hier in Dubai, seit rund 2 Stunden fern und habe alle bisherigen Hochrechnungen sowie alle Reden der Spitzenkandidaten der aktuell relevanten Parteien verfolgt.
Was mir dabei besonders auffällt ist, welch ausgezeichnete Rhetoriker sie alle sind. Egal wie das Ergebnis ihrer Partei ausgefallen ist, sie schaffen es alle, vor ihre Anhänger und Parteifreunde zu treten, und gute Stimmung zu verbreiten. Sie werden auch alle gefeiert, selbst bei der SPD, wo die Verluste historisch am größten sind. Sie alle finden positive Seiten, die der Wahlkampf samt Ergebnis mit sich gebracht haben. Das ist bewundernswerte Motivation und wirkliche Führungsstärke. Ich vermute allerdings, dass sie die Reden vorher so vorbereiten, dass sie für jeden Wahlausgang passend sind. Und üben tun sie sie vorher auch. Wie kann man sich sonst erklären, dass sie an diesem Abend plötzlich frei sprechen, obwohl sie ansonsten immer ihre Zettel vor sich haben.
Die Journalisten, die die immer gleichen kritischen Fragen stellen (nur bei jeder Wahl an andere Kandidaten), bekommen geklonte Antworten. Da fragt man sich, welche Seite sich auf diese Interviews mehr vorbereitet, die Fragenden oder die Befragten? Jedenfalls stelle ich fest, dass die Politiker so gut wie nie auf die konkrete Frage antworten. Nein, sie antworten völlig losgelöst und fassen immer das in Worte, was sie sich vorgenommen haben zu sagen. Es spielt also gar keine Rolle, welche Fragen gestellt werden, am Ende hört man sowieso, dass "jetzt die Arbeit erst losgeht", und das Ergebnis, "das die Wähler gestaltet haben, respektiert wird". 
Sie schaffen es dann, galant und ohne Atempause zu ihren Lieblingsthemen umzuschwenken und sprechen gut und lobend über sich und ihre Erfolge. Die Journalisten, die es wagen, zu unterbrechen, werden zurechtgewiesen mit den Worten: "Lassen sie mich bitte die Frage zu Ende beantworten." Und das klappt meist, auch wenn man sich fragt, auf welche Frage sich das jetzt bezieht. 
Ich finde das alles rhetorisch sehr clever, und es ist übrigens auch eine Art der Schlagfertigkeit:  Man bleibt cool und antwortet umständlich, spricht aber über das angeschnittene Thema so gut wie gar nicht.
Und das Bewundernswerteste ist, dass alle dabei so gut wie keine Miene verziehen. Abgesehen von Angela Merkel, deren Gedankenströme sich sehr stark in Mimik und Körpersprache widerspiegeln. Das macht sie recht sympathisch, lässt sie aber neben den aalglatten männlichen Kandidaten (also der Mehrheit) immer irgendwie schwach wirken. Dabei ist sie inhaltlich und rhetorisch sehr gut.
Und auch wenn schon viel über ihre Frisur und ihre Kleidung geschrieben wurde, muss ich sagen, dass sie bei der Auswahl ihrer Kleidung ein sehr sicheres Händchen an den Tag legt, absolut dem Anlass entsprechend. Heute trägt sie ein rotes Jacket mit schwarzem Top und modischer Halskette. Das ist bei Frauen eine Farbe, die absolutes Selbstbewusstsein und Power ausstrahlt - und es wirkt. Männer versuchen meist, den gleichen Effekt mit einer roten Krawatte zum schwarzen Anzug und weißen Hemd zu erreichen. Außer, sie sind von den Grünen.
Nun bleibt zu hoffen, dass den Worten auch Taten folgen und sich Schwarz-Gelb mit Ruhm bekleckern, um "Deutschland aus der Krise zu führen".
Bevor ich mich jetzt wieder der Elefantenrunde zuwende, um noch mehr zu lernen, noch ein Schlusswort von mir: Meine Stimme gehört dieses mal zu den ca. 29 %, die nicht erfasst wurden. Ich habe schlicht und einfach vergessen, die Wahlunterlagen rechtzeitig zu beantragen.
Und das können wir daraus lernen:
Fragen kann man beantworten, muss man aber nicht.
Auch Politiker sind irgendwie unsichere Menschen.
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