Heute war doch glatt mal was vom Lokführerstreik zu merken. Und prompt reagieren die Betroffenen mit Unverständnis. Das ist einerseits irgendwie schon verständlich, weil die meisten Leute ja nicht zum Vergnügen von A nach B wollen und die Bahn es auch ganz ohne Lokführerstreik oft genug schafft, ihren Kunden den letzten Nerv zu rauben. Und es ist nicht schön, in der Kälte auf dem Bahnsteig zu stehen und dann auch noch stundenlang mit Ansagen-Terror überzogen zu werden. Aber ganz ehrlich: Was ist ein Streik denn wert, von dem keiner etwas mitkriegt? Der Witz an einem Streik ist ja gerade, dass die anderen bemerken, dass gestreikt wird, dass es nicht weiter geht, dass am besten gar nichts mehr geht.
Ja, aber warum die Lokführer, die ja noch vergleichsweise gut verdienen? Nun ja, sie streiken immerhin auch dafür, dass die Lokführer der Konkurrenz auch so viel verdienen wie die beim Marktführer Deutsche Bahn. So etwas nennt man Solidarität. Und wäre es nicht schön, wenn die Belegschaften der Betriebe, in denen Leiharbeiter beschäftigt werden, dafür streiken würden, dass die Kollegen, die nur zeitlich befristet mit ihnen arbeiten dürfen, wenigstens das gleiche Geld dafür bekämen? Tatsächlich findet genau das heute auch statt, wenn auch wenig beachtet. 210000 Metaller legten heute in ganz Deutschland die Arbeit nieder und beteiligten sich an Aktionen gegen Leiharbeit. Das hab ich aber nicht von Tagesschau.de sondern aus der Jungen Welt. Für die üblichen Berichterstatter ist der Ärger über einen Streik natürlich ein viel dankbareres Thema als ein Streik gegen Leiharbeit, die ja wirtschaftsliberale Kreise noch immer als Allheilmittel gegen Arbeitslosigkeit und Konjunkturschwäche verkaufen wollen.
Wobei mir gerade auffällt, dass ich mich auch an einen Ärzte-Streik für höhere Honorare erinnern kann, nicht aber an einen ähnlich publikumswirksamen Streik des deutlich schlechter bezahlten Pflegehauspersonals. Die ja nun wirklich ohne Ende Stress für wenig Geld haben. Es wird erstaunlich wenig gestreikt in Deutschland. Die Angst um den Arbeitsplatz ist groß, da schluckt man eine Menge Kröten. Aber man stelle sich mal vor, was zwei, drei Tage Generalstreik anrichten könnten. Altenpflegerinnen, Gebäudereiniger, Taxifahrer, Büroangestellte, Fernmeldetechniker, Kindergärtnerinnen – irgendwer muss die ganze Arbeit schließlich machen. Und es ist dermaßen selbstverständlich, dass sie getan wird, zu welchem Preis auch immer – warum zeigen wir denen, die das Geld mit unserer Arbeit verdienen, nicht mal was eine Harke ist?!