Beim Malen merkt man bei jedem Pinselstrich, dass alle erzeugten Formen und jede Figur ihr eigenes Gegenstück entfaltet, eine Art Gegenform (das Umfeld), ein Gegenteil. Im Zeichenunterricht wird man manchmal sogar dazu angehalten, zuerst die “negative” Form zu zeichnen – dann entsteht plötzlich die eigentliche Figur wie von alleine!
Die ganze Welt ist ein großes Spiel der Gegensätze. Gäbe es kein Krieg, würden wir den Frieden (bei uns) nicht schätzen, gäbe es keine Nacht, könnten wir uns nicht auf den Tag freuen und gäbe es kein Tod, so würden wir wohl unseres Leben nicht wertschätzen.
Auch das Malen lebt von den Gegensätzen: hell-dunkel, groß-klein, rund-eckig, aber auch dem Kontrast der Farben, gelb und violett zum Beispiel, zwei Komplementärfarben.
Aber die meisten Dinge und Eigenschaften haben eigentlich keinen so klaren Gegensatz. Denn was ist schon das Gegenteil von Curry? Oder vom Schwimmen? Wer kennt das Gegentiel von C-moll, von Weihrauchduft oder vom Arbeitskollegen? Die möglichen Antworten bleiben immer vollkommen subjektiv.
Besonders knifflig wird es, wenn man das Gegenteil von “Gott” sucht. Je nach Glaubensvorstellung könnte man behaupten: der Teufel – aber ist der wirklich ein ebenbürtiger Gegensatz? Wenn ein Gott alles ist, dann wäre sein Gegenteil das Nichts – aber wäre das nicht auch eine Beschränkung der Gottesgröße? Im Buddhismus ist Gott sowohl das Etwas ist, als auch das Nichts und auch keins von beidem!
Der Raum außerhalb der Gegensätze entzieht sich dem Denken. Er ist Energie. Und sobald wir etwas sagen, sind alle (scheinbaren) Gegensätze wieder da.
Bild oben: Zurückgezogen / 46cm x 66cm / Acryl auf Zeichenpapier / 2010, Nr.10-095