Als eher strukturierter Mensch mag ich Kochmethoden, die keine Fragen offen lassen. Wenn im Buch glasklar steht, wie lange bei welcher Temperatur man was tun muss, fühle ich mich wohl. Blöd ist, dass es eine ganze Menge Techniken gibt, die dieser Anforderung einfach nicht entsprechen wollen.
Beizen, zum Beispiel.
Beizen ist eine der klassischen Methoden, um Fisch und Fleisch zu verarbeiten. Da sollte man doch meinen, das Klarheit herrsche und ein Konsens, wie dieses „Beizen“ funktioniert.
Denkste!
Mit einem Stein beschweren oder nicht? In Folie einwickeln oder nicht? 5% Salz, 50% oder 100% im Verhältnis zum Fisch?
Irgendwie geht alles.
Das ist aber gar nicht schlimm. Ganz im Gegenteil!
Denn die große Bandbreite innerhalb der Methode ist zum einen den unterschiedlichen Produkten und zum anderen den Vorlieben der Köche und der Esser geschuldet. Und am Ende bietet diese enorme Bandbreite Platz für jede Menge kreative Flexibilität.
Also: raus aus der Komfortzone und los gehts…
Worum geht es überhaupt?
Sicher ist: der Begriff Beizen meint das Einlegen von Lebensmitteln in Salz mit dem Ziel, sie länger haltbar zu machen (grundsätzlich umfasst das auch das Einlegen von Wild in Buttermilch-basierte Mischungen, um den Gout loszuwerden. Hier soll es aber um das Thema „Salz“ gehen).
Eine Beize ist eine Mischung aus Salz, Zucker, Kräutern und ggfs. Alkohol, Würzpasten und potenziell allem, was dem kreativen Koch noch so einfällt. Diese Mischung benötigt, je nach Struktur des zu beizenden Lebensmittels, einen Salzgehalt von, bei Fisch, mindestens 4% (Rindfleisch zum Beispiel benötigt wegen seiner festeren Struktur mehr Salz).
Ab einem bestimmten Salzanteil verändert das Salz die organische Struktur des zu beizenden Lebensmittels. Das bedeutet: beim Beizen wird dem Fleisch (oder dem Fisch) Wasser entzogen.
Durch diesen Wasserentzug (Osmose) verändert sich die Textur. Die Aromen intensivieren sich, sie sind schlicht und einfach weniger „verwässert“.
Das bekannteste Beispiel ist der „Graved Lachs“, den es früher zu Weihnachten gab und der mir schon in Kindheitstagen die Erkenntnis beschert hat, dass Dill und ich in diesem Leben wohl keine dicken Freunde werden.
Darüber hinaus ist das Beizen auch ein guter Weg, Aromen in Fisch und Fleisch hinein zu bekommen.
Mischt man Kräuter und Gewürze in die Beize, wandern die Aromen mit dem Salz in das Fleisch.
Allerdings ist hier Vorsicht geboten – insbesondere mit intensiven Aromen. Diese können schnell die Überhand gewinnen.
Flavour Pairing
Lust, eigene kreative Rezepte zu entwickeln? Hier findet Ihr eine Übersicht, welche Lebensmittel gut zu Lachs passen:
Neugierig geworden? Eine Einführung in das Thema Flavour Pairing gibt es hier!
Mehr Flavour Pairing-Bäume findet Ihr hier!
Zunächst das heutige Rezept:
Thai-Basilikum gebeizter Lachs, Apfel-Fenchel-Salat, Ingwer, Soja-Vinaigrette
Gebeizter Lachs
600 g Lachsfilet mit Haut, sehr frisch
30 g Zucker
30 g Salz
2 EL mildes, gutes Olivenöl
1 Handvoll gemischtes Basilikum: 1/2 Busch-Basilikum, 1/2Thai-Basilikum
2 Stängel Thymian
3 g schwarze Pfefferkörner
1,5 g Senfkörner
1 Sternanis
1 TL geriebenen Ingwer
Abrieb von 1/2 Zitrone
Die Gewürze grob mörsern, die Kräuter hacken und dann alle Zutaten außer dem Fisch, am besten in einer Küchenmaschine, gut zusammen mixen.
Den Fisch sorgfältig waschen, abtrocknen und mit der Beize sorgfältig einreiben.
Dann auf der Haut in eine tiefe Form legen, mit Frischhaltefolie gut verschließen und im Kühlschrank 24 Stunden beizen lassen.
Viele Rezepte raten dazu, den Fisch mit einem Stein zu beschweren. Das ist nicht zwingend notwendig. Es verbessert geringfügig die Aufschnittqualität des fertigen Produktes, führt aber zu einer kompakteren und festeren Textur des Lachs.
Apfel-Fenchel-Salat
1 grüner Apfel
1 sehr frischer Fenchel
Gemischte (Wild-)Kräuter, Sprossen oder Schößlinge nach Verfügbarkeit: in diesem Fall: Thai-Basilikum, Gartenkresse, Mibuna, Radie-Schößlinge
1/2 TL Honig
1/2 TL Senf
1 EL Zitrone
1 EL Reisessig
3 EL Olivenöl
Apfel und Fenchel sehr fein schneiden. Mit den Kräutern mischen.
Alle Zutaten für die Vinaigrette mischen.
Den Salat mit der Vinaigrette erst kurz vor dem Servieren mischen.
Vinaigrette
1/2 TL Senf
1/4 TL Wasabi
1/2 TL Honig
1 EL Reisessig
1 EL Zitronensaft
1 EL Sojasoße „Shoju“
4 EL Olivenöl
2 Spritzer Sesamöl
Alle Zutaten mischen
Anrichten
Alle Komponenten von oben
Sushi-Ingwer
Kräuter und Schößlinge nach Verfügbarkeit, in diesem Fall: Rote Beete-Schößlige, Mibuna, Borretsch-Blüten
In diesem Rezept kommt verhältnismäßig wenig Salz zum Einsatz.
Lässt man den Lachs 24 Stunden in der Beize, ist das Ergebnis ein wunderbar frischer, im Vergleich zum rohen Zustand, etwas festerer und subtil-würzig gebeizter Lachs, der sich wunderbar in größeren Stücken geniessen lässt und, für meine persönlichen Präferenzen, ziemlich nahe der Perfektion ist.
Das Rezept stammt übrigens, leicht abgewandelt, von Eline.
Lässt man den Lachs dagegen 48 Stunden beizen, ist das Ergebnis deutlich salziger, würziger und fester in der Textur.
Eine ähnlich milde Mischung setzen die Wilbrand-Brüder in der Post in Odenthal ein. Sie verwenden 80 g Salz (und nur 15 g Zucker) auf ca. 1,5 Kilo Lachs (vgl. Wilbrand, Wilbrand, 2008, Odenthal). Das Ergebnis ist herrlich mild-würzig und passt unverschämt gut zu Kartoffelpuffern.
Es geht aber deutlich mehr: Heston Blumenthal verwendet für seinen „Fish Pie“ 125 g Salz (und 125 g Zucker) für 250 g Lachs (Blumenthal, 20011, S. 176).
Wie funktioniert es operativ?
1.) Zu beizendes Produkt auswählen und vorbereiten
Gut eignen sich relativ fette Fische mit fester Struktur, z.B. Lachs, Lachsforelle, Saibling und Forelle. Phantastisch sind auch magere Stücke vom Rind, z.B. Roastbeef oder Filet.
Frischer Lachs – vor dem Beizen
Zur Vorbereitung das Produkt sorgfältig abwaschen, ggfs. entschuppen, Gräten entfernen, parieren etc.
Ich habe mir übrigens angewöhnt, für Arbeiten mit Fleisch und Fisch immer Latex-Handschuhe zu tragen.
Denn im Fleisch bzw. im Fisch sitzen in den seltensten Fällen Keime. Die kommen in aller Regel von außen, sprich: durch das Anfassen. Durch die Latex-Handschuhe – und natürlich einen sauberen Arbeitsplatz – sorgt man dafür, dass sich das Risiko einer Keimbelastung deutlich reduziert.
2.) Beize herstellen
Die einfachste, und für die meisten Fälle geeignete, Methode, die Beize herzustellen, ist, alle Bestandteile in einer Moulinette, einem Thermomix oder einem Mörser zusammen zu mixen.
Es gibt allerdings einige Ausnahmen: Teeblätter zum Beispiel können beim Mixen bitter werden. Hier ist es besser, die Blätter leicht zu befeuchten und komplett dazu zu geben. Andere Kräuter wie Rosmarin, Thymian oder Estragon neigen bei zu kleinem Schnitt dazu, zu oxidieren und ihr Aroma zu verlieren. Hier ist es besser, die Kräuter im Ganzen und dafür etwas mehr zu verwenden (vgl. Blumenthal, 2012, S. 76).
Basiszutaten
Salz – oder Salzhaltige Lebensmittel wie Miso, Kombublätter und/ oder Sojasauce.
Der Salzanteil hängt dabei von zwei wesentlichen Faktoren ab:
1.) Fleisch oder Fisch
2.) Der Dicke des Lebensmittels
3.) Der persönlichen Vorliebe
4.) Der Zeitspanne, in der das Lebensmittel dem Salz ausgesetzt ist.
Ein Salzanteil von ca. 4% ergibt, mit 24 Stunden Marinierenzeit (s.o.), einen herrlich frisch-würzigen Lachs mit einer wunderbaren weil dezent festen aber extrem zarten Textur. Mit 48 Stunden wird der Lachs deutlich fester und würziger.
Über den dicken Daumen – Basis-Verhältnisse Fisch/ Fleisch – Salz
Für mild-gebeizten, fein-würzigen Fisch mit einer leicht festen, aber dennoch geschmeidigen Textur eignen sich folgende Grundverhältnisse:
- 600 g Lachs, ca. 2 cm dick: 30 g Salz (5%), 24 Stunden – Etwas fester und aromatischer: 48 Stunden
- 400 g Saibling, ca. 1 cm dick: 30 g Salz, (7,5 %), 4 Stunden – Etwas fester und aromatischer: 6 Stunden
Nach oben gibt es natürlich, sowohl was Zeit als auch Salzanteil angeht, jede Menge Luft. Hier zählt nur die persönliche Vorliebe.
Für ein festes, aromatisches, phantastisch mürbes Rinderfilet eignet sich folgendes Grundverhältnis
- 500 g Rinderfilet, ca. 200 g Salz (40%), 24 Stunden -Etwas fester und aromatischer: 36 Stunden.
Als Salz ziehe ich persönlich grobes Meersalz immer dem normalen Tafelsalz vor. Denn es ist milder, weniger scharf und kaum teurer.
Zucker
Obwohl Salz ein wesentlicher Faktor in dieser Technik ist, kann Zucker ein sinnvoller und hilfreicher Partner sein. Er entzieht nicht nur ebenfalls Wasser, er sorgt auch für zusätzliche Geschmackskomponenten. Das Verhältnis von Salz zu Zucker hängt dabei davon ab, wie süß das Endergebnis werden soll (vgl. Blumenthal, 2012, S. 76).
Am besten eignet sich brauner, unraffinierter Rohrzucker. Kein Industriezucker, aber auch kein Muscovadozucker – der ist zu intensiv.
Schalen von Zitrusfrüchten
Immer gut! Fisch und Zitrusfrüchte sind ein idealer Partner. Die Schalen übertragen Aromen und Frische ohne die Säure. Die würde nämlich beim Beiz-Prozess dazwischenfunken.
Wichtig: ausschließlich unbehandelte Früchte verwenden.
Kräuter und Gewürze
Klassisch sind Wacholder, schwarzer Pfeffer, Senfkörner, ggfs. ein Lorbeerblatt – und Dill. Insbesondere der Dill ist jedoch beileibe nicht jedermanns Sache. Gut gehen alternativ alle Basilikum-Sorten, Koriander (sowohl frisch als auch als getrocknete Samen), Sternanis und Kerbel. Kaffir Lime-Blätter kann ich mir auch gut vorstellen.
Alkohol
Wacholder ist das klassische Gewürz für gebeizten Lachs. Was läge da näher, als Gin mit ins Spiel zu bringen. Toll umgesetzt z.B. bei Nutriculinary. Alternativ bietet sich Wodka an. Hier zwei tolle Rezepte: bei Highfoodality mit Lachs, bei Kaquus Hausmannskost mit Saibling.
Kaffee
Kaffee passt, erstaunlicherweise, wunderbar zu Lachs. Eines von vielen tollen Rezepten gibt es beim phantastischen Falk Kulinarium.
Tee
Geht auch.
Jasmin-gebeizter Lachs
330 g Salz
165 g Haushaltszucker
5 g Dill, fein gehackt
30 g Jasmin Tee-Blätter
500 g Lachs
Salz, Zucker und Dill mischen. 15 g der Jasmin-Blätter befeuchten und fünf Minuten ziehen lassen, dann auf den Lachs legen. Den Boden einer Tupper-Box mit einem Teil der Beize bestreuen, den Lachs darauf legen und den Rest der Beize darüber geben. Die Box schließen und das Ganze 16 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen. Dann den Lachs aus der Beize nehmen, gut abspühlen, trocken tupfen und 2 – 3 Stunden im Kühlschrank aufbewahren, bis der Fisch ganz trocken und ein bißchen klebrig ist (vgl. Blumenthal, 2012, S. 85).
3.) Fisch oder Fleisch mit der Beize bedecken und lagern
Viele klassische Rezepte geben vor, den Fisch während des Beizens zu beschweren, z.B. mit einem Stein. Das widerstrebt mir enorm, auch wenn ich nicht genau sagen wieso. Es ist aber, nach meiner Erfahrung, auch nicht notwendig. Die Beize erledigt ihren Job ganz wunderbar alleine.
Andere Rezepte schlagen vor, den Fisch eng in Klarsichtfolie einzurollen oder zu vakuumieren. Kann man sicher machen, muss man aber nicht
4.) Beize abwaschen
Nach dem Beizen sollte man möglichst die komplette Beize abwaschen, das Lebensmittel trocknen und im Kühlschrank lagern (vgl. Blumenthal, 2012, S. 76).
Der Lachs – fertig gebeizt und abgewaschen
5.) Zubereiten
Der klassische gebeizte Lachs wird schräg und möglichst dünn aufgeschnitten. Das ist bestimmt nicht schlecht – aber auch ein bisschen langweilig.
Harald Wohlfahrt brät zum Beispiel gebeizten Thunfisch nach dem Beizen kurz an (und benutzt, ganz nebenbei, einen deutlich höheren Salzanteil, nämlich ca. 8% Salz).
Gebeizter Thunfisch/ Lachs
35 g Sternanis
je 1 TL. Kümmel, Fenchelsamen, schwarze Pfefferkörner
1 Lorbeerblatt
30 g brauner Zucker
35 g Fleur de Sel
400 g Thunfischfilet
2 EL Sojaöl
Die Gewürze mit einem Blitzhacker fein zerhacken. Mit braunem Zucker und Salz mischen. Thunfisch rundum mit der Gewürzmischung würzen. Auf eine Platte legen, mit Folie bedecken und 24 Stunden im Kühlschrank beizen. Anschließend unter fließend kaltem Wasser sauber abspülen. Auf Küchenpapier abtrocknen. In Sojaöl rundum, 15 Sekunden je Seite, anbraten. Abkühlen lassen, dann in Scheiben schneiden. Das Rezept funktioniert exakt Lachs wie für Thunfisch (vgl. Wohlfahrt, 2007, S, 47, vgl. Port Culinaire, Bd. 15, 2010, S. 144).
Man kann den Fisch in deutlich größeren Stücken servieren, wie im obigen Rezept und dem dazu gehörigen Bild zu sehen. Man den Fisch aber auch langsam, in Folie gewickelt, im Ofen warm ziehen lassen. Man kann ihn kurz anbraten, sous vide garen, confiren, zu Tartar verarbeiten. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Zum Lachs passt…
Weingut Klaus Keller – Riesling „Von der Fels“ 2013
Mit 16,50€, absolut gesehen, nicht ganz günstig. Dennoch wird man sich schwer tun, woanders so viel Wein fürs Geld zu finden. Ganz große Klasse. Wie ein kleiner Hubacker. Phantastisch. Sauber, geschliffen. Sehr lang. Großartig. Kommt mit den Ingwer spielend klar.
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