Was ist authentischer Buddhismus? oder: Der tausendfache Pfad

Auch heute greife ich einen Thread im Forum "Buddhaland" auf, weil sich an ihm gut aufzeigen lässt, wie verarmt der Buddhismus im Westen ist und wo er feststeckt. Die üblichen Streitereien zur Geschichte des Buddhismus und den Schul- bzw. Traditionsunterschieden lasse ich mal beiseite. Einige User ringen dort um eine Art gemeinsamen Nenner von Buddhisten, und ich vermute, dass ihnen dabei nicht genug klar ist, wie sie auf das hereinfallen, was als "Religion" konstituierend und bindend sein will, mit anderen Worten also unfrei macht.   "Sherab Yönten" versucht es zunächst mit den drei Merkmalen der Existenz (trilaksana): Vergänglichkeit (anitya), Leiden (dukha), Leerheit (shunya), zu denen noch als "viertes Siegel" Befreiung (nirvana) kommt. "Sudhana" fehlt nach dieser "theoretischen Analyse" der edle achtfache Pfad (arya astanga marga) als praktische Konsequenz. Später ergänzt er noch die dreifache Zufluchtnahme (triratna) zu Buddha, Dharma und Sangha. "void" stimmt ein mit einem Fragenkatalog: Werden die Daseinselemente, die vier edlen Wahrheiten und der edle achtfache Pfad gelehrt? Woraufhin "fotost" sich die Frage stellt, ob sich irgendeine Richtung buddhistisch nennen würde, die bei dieser Checkliste durchfiele. Ins Spiel gebracht wird auch noch das bedingte Entstehen (pratitya samutpada).   Mit anderen Worten: Wir haben hier all die Klischees des Papageien-Buddhismus versammelt.   Als einziger User wirft "Sunu" die Frage auf (und bejaht sie), ob man denn - da der Buddha erst nach dem Erwachen den achtfachen Pfad lehrte - umgekehrt durch den achtfachen Pfad zum Erwachen käme. Genau diese Frage ist m.E. rational zu verneinen. Betrachten wir uns die Biografie Shakyamunis, so hat er als privilegierter Königssohn aus einem Kriegergeschlecht nicht nur zahlreiche Konkubinen gehabt, sondern auf seinem Weg zur Erleuchtung auch Scheitern erlebt, etwa durch strenge Askese, von der er später abriet. Der Buddha wurde also ein Buddha infolge von Ausprobieren, Scheitern und Verwerfen, oder durch "unrechtes Tun". Noch als Erleuchteter gebrauchte er Schimpfworte wie "Schleimfresser" und "Dummkopf", die bei den Verfechtern des achtfachen Pfades kaum als rechte Rede durchgehen dürften. Entscheidend ist jedoch, dass am Anfang des achtfachen Pfades die rechte Erkenntnis (samma dhitti) steht. Die "Deutsche Buddhistische Union" (DBU) versteht in ihrem Studienprogramm hierunter die Erkenntnis der vier edlen Wahrheiten und des bedingten Entstehens und speziell für das Mahayana die Erkenntnis der "Buddha-Natur bzw. von Bodhicitta". Bei Wikipedia werden noch die drei Daseinsmerkmale und das Karma-Prinzip aufgeführt.   Ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie die DBU die Erkenntnis der Buddha-Natur nicht als Erwachen ansähe. Mit anderen Worten hätte sie hier selbst definiert, dass Erwachen am Anfang des achtfachen Pfades steht, und nicht am "Ende". An dieser Einsicht mangelt es praktisch allen genannten Usern in obigem Forum. Nur so deckt sich jedoch - im Sinne des Mahayana - auch die Biografie Shakyamunis - vom Irrtum zum Erwachen zum Ausgestalten der Lehre (inklusive eines achtfachen Pfades) - logisch mit dem Verkündeten. Unlogisch und ein Zirkelschluss wäre es jedoch, wenn man als rechte Erkenntnis die vier edlen Wahrheiten ansehen würde, da sie ja ebenfalls als Folge des Erwachtseins dargelegt wurden.   Ob man nun der Meinung ist, der Buddha sei erst zum Lehren gedrängt worden, oder gar - wie im Gleichnis von der Blume und Mahakashyapas Lächeln oder im Lalitavistara-Sutra - er habe geschwiegen, so geht es in der Zen-Tradition doch zuvorderst um die Einsicht oder Verwirklichung des "Unbedingten" (nirvana). Es ist schwer vorstellbar - und findet sich deshalb auch weder in frühen Schriften des Chan aus dem legendären Umfeld Bodhidharmas noch etwa bei Linji und anderen Koryphäen -, dass jemand, der das Unbedingte erkannt hat, seinen Lehrfokus in erster Linie auf "bedingtes Entstehen" richtet. Auch ist schwer vorstellbar, dass Nansen, der eine Katze zweiteilt, seinen Schülern danach etwas vom Nicht-Töten in dem Sinne erzählt, wie es populäre Lehrer heutzutage tun. In einer Tradition, deren wesentliche Erfahrung gnostisch ist, also auf einer Einsicht in die eigene Natur beruht, kann folglich weder konzeptuelles Denken (wie bei Vorstellungen von Karma und bedingtem Entstehen) noch eine Dualisierung von Verhaltensweisen (in "recht" und "unrecht") im Vordergrund stehen, sondern stets deren gnadenloses Hinterfragen und Entleeren.   Am Beispiel der "Zufluchtnahme" ließe sich aufzeigen, wie sehr sich Vorstellungen der Zufluchtnehmenden von Buddha, Dharma und Sangha unterscheiden - würde man sie nur fragen. Gäbe es keine Vorstellungen (also Illusionen), bräuchte es keine Zuflucht. Die Praktizierenden machen sich also über etwas Gedanken, die sie dann wieder überwinden müssen, und ich frage mich, warum diese seltsame Ironie niemandem der User aufstößt.     Wie ich kürzlich schon sagte, bleibt damit der o.g. Konsens - der sich im Wesentlichen am Theravada orientiert - hinter dem Zen zurück. So wie der Buddha Shakyamuni nach seinem Erwachen Buddhismus lehrte, so lehrte ihn weder Bodhidharma noch Nansen noch Linji usw. Statt eines achtfachen Pfades gibt es im Zen für jeden Praktizierenden seinen je eigenen Pfad, und nach dem Erwachen sollte sich dieser im Unbedingten gründen statt am (oft Mono-)Kausalen zu haften. "Authentisches Zen" kann deshalb nur darin bestehen, die o.g. Dogmen aufzuheben. Man könnte auch sagen, dass alle, die diese Dogmen im ewigen Samsara nachplappern, nicht erwacht sein können, sondern schlicht Religiöse sind. Es sind "Buddhisten" im Sinne der Zugehörigkeit zu jenem Mindestnenner, der jedoch die klare Aussage verweigert, dass Erkenntnis von Nirwana bzw. Aufhebung des Leidens (im Sinne der Anhaftung) die Conditio sine qua non der Weisheit Buddhas sind, dass also der eigenen gnostischen Erfahrung alles (danach formulierte) untergeordnet sein muss. Im hilflosen Klammern an jene Dogmen irren so die meisten User im Buddhaland-Forum umher und versagen sich das Dharma-Siegel.   Immerhin bin ich über das Forum auf telefonische Anweisungen der verstorbenen Zenlehrerin Joko Beck aufmerksam geworden, und ich möchte schon in Kürze einen Beitrag nachschieben, der an diesem Beispiel aufzeigen lässt, wer alles unter dem Zen-Label Theravada oder etwas ganz anderes lehrt und wie selbst Menschen, die fast hundert Jahre alt werden, an den hehren Ansprüchen ihrer sila scheitern müssen, wenn sie nicht begriffen haben, dass Zen-Ethik auf der Überwindung von dualistischen Konzepten beruht.  


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