Was heißt hier Generationenkonflikt?

Heinz Sauer und Michael Wollny beim Festival Jazzdor

Was heißt hier Generationenkonflikt?

Heinz Sauer und Michael Wollny (c) Anna Meuer

Der Atem des alten Weisen und das Genie des ungestümen Jungen – so könnte man am besten die Qualitäten der beiden Musiker auf den Punkt gebracht beschreiben, die im Rahmen des Jazzfestivals Jazzdor im Pôle-Sud in Straßburg vor ausverkauftem Haus performten. Heinz Sauer, Saxophonurgestein und auf den Jazzbühnen der Welt seit den 50er Jahren vertreten, traf vor beinahe 10 Jahren auf den jungen Nachwuchs- und Vollblutpianisten Michael Wollny. Der drahtige, 78jährige Jazzveteran, der ohne sichtbare Mühe das Konzert bravourös abspulte, war viele Jahre lang Teil des Albert Mangelsdorff Quintetts. Sein junger Gegen- oder besser Mitspieler hat bereits einige Jazzpreise eingeheimst, darunter zwei gemeinsam mit Heinz Sauer für die Einspielung ihrer Cds Melancholia und Certain Beauty. Kennen lernten sich die beiden beim Jazzensemble des hessischen Rundfunks. Und dieses Zusammentreffen darf wohl als Sternstunde bezeichnet werden.

Auf der Bühne gestaltet das altersmäßig so ungleiche Duo – immerhin trennen die beiden 46 Lebensjahre – eine Performance, die man als paradox bezeichnen könnte. Intelligenter Jazz trifft auf Sinnlichkeit. Und man kann weder dem einen noch dem anderen die beiden vermeintlich auseinanderklaffenden Pole zuschreiben. Einmal ist es Sauer, der mit seinem samtigen, Atem verströmenden Saxophon dem Publikum die Nackenhaare aufstellen lässt, einmal ist es Wollny, der sein teilweise präpariertes Klavier so natürlich zum Erklingen bringt, dass man eine reine Tastenperformance schon als langweilig empfinden könnte. Es mag zwar technisch klingen, dass er die Saiten des Tasteninstrumentes streicht und schlägt, mit seinem Unterarm auf die Tasten drückt, das Pedal als Rhythmusinstrument verwendet, oder mit einer banalen Kaffeeschale Verfremdungen des Tones erzeugt.  Der Klang jedoch ist von Technik ganz weit entfernt und Wollnys Spiel so völlig selbstverständlich und organisch, dass es schon nach kurzer Zeit unvorstellbar wird, das nicht jeder zeitgenössische Pianist dieses Instrument so wie Wollny in allen Möglichkeiten nutzt, die es bietet. Durch seinen offenen und zugleich immens musikalischem Zugang zu dem Instrument erzielt er neue Klangräume, in die Sauer behutsam eindringt, diese jäh verlässt oder auch gemessen durchschreitet.

Alles ist möglich bei einem Konzert der beiden. Komplex aufgebaute, beinahe clusterartige Strukturen ziehen sich durch eine kopflastige und dennoch spannende Komposition. Im nächsten Moment erklingt smoothy-Jazz mit romantischen Passagen so anrührend, dass man mit den Tränen kämpfen muss. Sauer – Wollny gelingt dieses Bravourstück, ohne jegliche aufgesetzte Attitüde. Gerade die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich ergänzen, sich sein lassen, sich stützen, anfeuern oder zurücknehmen, um dem anderen Platz zu lassen, ergibt ein wunderbares, homogenes Klangbild, welches noch dazu ganz unverwechselbar wird. Der große alte Herr des Jazz weiß geschickt seine Energie einzuteilen und ist dennoch in jeder Sekunde präsent. Sein junger Partner sprüht vor Energie und schier unendlichen Einfällen. Der Terminus Generationenproblem scheint ihnen ein Fremdwort zu sein. Neben dem musikalischen Output ist es aber auch diese vorexerzierte, so selten zwischen Alt und Jung anzutreffende Harmonie, die bezaubert. Aber das ist legitim, wenn es darum geht, guten Jazz zu spielen. Sehr guten Jazz sogar.

 


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