Was der Staat nicht darf

Unabhängig davon, was man von der Schubhaft hält: Es ist ganz grundsätzlich kein tragbarer Zustand, dass durch den Staat Menschen zu Tode kommen. Das äußerste Zwangsmittel, dass dem Staat offensteht, ist der Entzug der Freiheit. Nur in Notwehrsituationen kann auch von gesundheits- oder lebensgefährlichen Maßnahmen Gebrauch gemacht werden – als ultima ratio. Wird die Freiheit entzogen, dann hat das in einer möglichst schonenden Art und Weise zu geschehen; wer jemanden festsetzt, haftet für dessen Wohlergehen.

Ich kann dieses unerträgliche selber-schuld-Geschwätz, das immer dann ausbricht, wenn wieder einmal jemand im Verantwortungsbereich des Staates (mittelbar oder unmittelbar) zu Tode kommt – sei es in Krems oder in Hernals – nicht mehr hören. Unbescholtenheit ist keine Voraussetzung für Menschenrechte. Sympathie ist keine Voraussetzung für Menschenrechte.

Mir ist schon klar, dass es sich etwa bei vielen Asylwerbern nicht um Unschuldslämmer handelt. Freilich ist der Umgang mit Menschen, die um jeden Preis, mit allen legalen und illegalen Mitteln versuchen, im Land zu bleiben äußerst schwierig. Das ist aber keine Ausrede für den Rechtsstaat sich aus der Verantwortung zu stehlen: Es sind dann eben Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen grundrechtskonformen Umgang mit diesen Menschen ermöglichen. Und zwar nicht mit allen Mitteln, sondern mit verhältnismäßigen. Abgesehen davon sollten wir nicht vergessen: Wer sich in Schubhaft befindet, hat eine Verwaltungsübertretung begangen, kein Verbrechen.

Ist der Staat also automatisch schuld, wenn er jemanden umbringt oder jemand in seiner Obhut zu Tode kommt? Nein. Aber es ist auf das Strengste zu prüfen, ob und inwiefern ihn die Verantwortung trifft. Das zu fordern ist die Pflicht aller demokratisch gesinnten Bürger; die Apologieorgien der Jeannées dieses Landes, die immer dann anheben, wenn der Verdacht im Raum steht, der Staat könnte sich menschenrechtswidrig verhalten haben, sind nicht nur eine moralische, sondern auch eine demokratische Katastrophe. In einer Demokratie ist die Verwaltung dem Volk Rechenschaft schuldig – umso mehr, je gravierender die Konsequenzen sind.

All das mag intuitiv schwer einzusehen sein. Aber dazu sind Rechtsstaat und Menschenrechte ja da: Um die Willkür derer, deren Hirnaktivität sich auf das Stammhirn beschränkt, auszugleichen.

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