Über Ewigkeiten wird uns schon erzählt, dass Kohlenhydrate am Abend schlecht für uns sind und uns dick werden lassen. Ich will diesen Mythos ein für alle mal aus dem Leben schaffen und euch ein paar Gründe näher bringen warum Kohlenhydrate vor allem am Abend so wertvoll sind und uns noch dazu zu einem besseren Schlaf verhelfen können. Zu wenig Schlaf und vor allem Schlaf welcher nicht erholsam ist, wird heute nämlich mit Herz-Kreislauf Erkrankungen, Diabetes oder neurologischen Beschwerden in Verbindung gebracht und sorgt sogar dafür, dass jegliche Diät Versuche scheitern.
Die Basis zu Kohlenhydraten am Abend
Essen wir Kohlenhydrate steigt unser Blutzuckerspiegel und das führt in weitere Folge zu einem Anstieg des Hormons Insulin. Dieses sorgt dafür, dass der Blutzuckerspiegel nicht durch die Decke schießt indem es ihn stabil hält. Zumindest versucht es das. Außerdem hilft es bei der Aufnahme des Zuckers in unsere Zellen. Die brauchen Zucker als Energie um funktionieren zu können. Das bedeutet auch, dass der Abbau von Fettreserven währenddessen auf Stop gestellt ist. Immerhin verstärkt Insulin die Arbeit des Enzyms LPL (lipoproteinlypase) welches Fett in unserem Körper einlagert. In wie weit unser Blutzuckerspiegel nach dem Konsum von Kohlenhydraten ansteigt und wie viel der zugeführten Energie eingelagert wird, ist abhängig von der Qualität und Menge und unserem individuellen Energieverbrauch.
#1 Die Sache mit der inneren Uhr
Cortisol ist unser Stresshormon und wird in Notsituationen ausgestoßen um schnell auf einen Stressor reagieren zu können. Logisch. Nehmen wir Gefahr wahr, muss rasch reagiert werden. Cortisol sorgt dafür, dass Zucker aus unseren Energiespeichern wie den Muskeln, dem Fettgewebe oder der Leber freigesetzt wird um genügend Power für die Flucht zu haben. Es ist also im Grunde ein fettabbauendes Hormon. Um ganz genau zu sein verstärkt Cortisol die Tätigkeit des Enzyms HSL (hormonsensitivlipase) und das sorgt für die Freisetzung der Fettreserven welche in einer Notsituation rasch verbrannt werden. Im Idealfall. Das Prozedere klappt nämlich nur wenn der Stressor uns tatsächlich dazu bringt schnell die Flucht zu ergreifen und unsere Muskeln betätigt werden und somit die freigesetzte Energie verbraucht wird. Nicht – wenn der Stressor nur in unserem Kopf ist und wir sitzen bleiben – wie heute üblich. Dann nämlich wird die freigesetzte Energie wieder absorbiert und eingelagert.
Jetzt wird’s kompliziert. Cortisol ist nämlich gleichzeitig auch ein einlagerndes Hormon das die Funktion von dem vorher erwähnten (fetteinlagernden) Enzym LPL erhöht. Vor allem wenn Cortisol – wie in unserem stressigen Alltag – dauerhaft erhöht ist. In solchen Situationen wird Energie viel eher als Fett gespeichert, wir halten an den letzten Fettreserven fest und selbst unsere Muskelmasse kann schwinden da Cortisol die Einlagerung von Aminosäuren in unsere Muskelzellen verhindert.
Nun erhöhen Insulin wie auch Cortisol die Funktion des fetteinlagernden Enzyms LPL. Insulin unterdrückt sogar noch die fettabbauenden Funktionen des Enzyms HSL. Im Idealfall ist nur eines der Hormone erhöht und sie agieren als Gegenspieler. Sind nun beide Hormone (Insulin und Cortisol) gleichzeitig erhöht und das auch noch dauerhaft … naja, man kann sich den Rest ausmalen. Beide Hormone sind übrigens dann erhöht wenn wir beispielsweise im Stress unsere (nicht so optimale) Nahrung zu uns nehmen und/oder Nahrung zu uns nehmen die unseren Blutzuckerspiegel in die Höhe schnellen lassen (Süßes, Backwaren, Pasta etc.) und ihn genauso rasant wieder abfallen lassen. Ebenso kommt es zu dieser Situation wenn wir Stress erleben, dadurch Energie (Zucker) aus den Reserven freigesetzt wird und wir diesen aber nicht verbrauchen. Dann nämlich muss Insulin dafür sorgen, dass der Blutzuckerspiegel wieder sinkt. Über kurz oder lang sorgt Cortisol dann auch noch dafür, dass viel mehr Insulin benötigt wird um den Blutzucker stabil zu halten was auf Dauer zu mehr Fetteinlagerung führt und typische Volkskrankheiten nach sich ziehen kann. Zu viel Cortisol soll uns außerdem dazu bringen verstärkt nach Süßigkeiten und Junk Food zu greifen. Man sieht – es ist ein ziemlicher Teufelskreis.
Gemäß der inneren Uhr, ist Cortisol morgens im Normalfall außerdem hoch – da sorgt das Hormon dafür, dass wir aus dem Bett kommen und aktiv werden. Am Abend sinkt es ab und wir werden schläfrig. Ergo, die ideale Zeit um qualitativ hochwertige Kohlenhydrate und somit jenen Makronährstoff zu konsumieren der Insulin steigen lässt, ist Abends wenn Cortisol niedrig ist. Stressmanagement und ein stabiler Blutzuckerspiegel während des Tages sind ebenso wichtig um ein ausgeglichenes Cortisol Level zu erhalten und im Einklang mit unserer inneren Uhr zu leben.
Fun Fact
Ganz nebenbei bemerkt, zeigen Studien mittlerweile, dass es auf die gesamte Tagesmenge an Kohlenhydraten ankommt wenn es um Fettverlust geht und der Konsum am Abend nicht zu Gewichtszunahme führt. Ganz im Gegenteil. Es gibt sogar eine Studie die zeigt, dass all jene die ihren Kohlenhydrat Konsum auf den Abend beschränken eher abnehmen und ihren Hormonhaushalt in Balance bringen als Probanden die schon morgens zu Kohlenhydraten greifen.
#2 Die Sache mit dem Tryptophan
Insulin sorgt dafür, dass Tryptophan ins Gehirn gelangt. Die Aminosäure Tryptophan ist ein wichtiger Faktor für Schlaf. Kohlenhydrate durch welche Insulin ja steigt, erhöhen die verfügbare Menge an der Aminosäure. Kohlenhydrate am Abend können daher auch aus diesem Grund den Schlaf verbessern.
Vermeiden wir Kohlenhydrate am Abend und essen nur proteinreiche Mahlzeiten, dann kann die Menge an der Aminosäure Tryptophan verringert werden weil die anderen Aminosäuren aus dem konsumierten Protein sich mit Tryptophan darum streiten wer denn nun als erstes ins Gehirn darf. Einzige Ausnahme sind übrigens Proteine die reichlich Glycin enthalten. Und das findet man in Gelatine. Ich wiederhole mich nur ungern. Aber Brühe bzw. Rinder- oder Hühnersuppe aus gekochten Knochen kann Studien zu Folge dank jeder Menge Glycin unseren Schlaf verbessern. Ganz abgesehen von dem positiven Effekt auf unsere Darmgesundheit.
Hinzukommt, dass Tryptophan durch den Konsum von Kohlenhydraten in Serotonin (Glückshormon) und in völliger Dunkelheit (!) zu Melatonin verarbeitet wird. Letzteres ist unser Schlafhormon. Melatonin aktiviert den Schlaf indem es beispielsweise die Körpertemperatur reduziert. Es verhindert auch einen Blutzuckerabsturz welcher übrigens auch zu einem Ausstoß an Cortisol führt. Hungrig ins Bett zu gehen, bringt sich also auch nicht viel wenn der Blutzuckerspiegel dann ins Nirvana absinkt und wir dadurch sogar schweißgebadet aufwachen. Melatonin sorgt auch dafür, dass Wachstumshormone ausgestoßen werden welche für die Regeneration unseres Körpers wichtig sind. Vor allem all jene die Sport betreiben sollten ihren Schlaf als etwas besonders wertvolles ansehen. Unser Level an Wachstumshormonen ist übrigens während unserer Tiefschlafphase am höchsten. In dieser Phase ist unser Stresshormon Cortisol außerdem am niedrigsten.
#3 Die Sache mit unseren Energie-Reserven
Neugeborene schlafen nicht deshalb so viel weil sie so müde sein. Nein, sie schlafen so viel weil sie wachsen. Während wir im Erwachsenenalter zwar nicht mehr wachsen, benötigen wir dennoch unseren Schlaf um uns regenerieren zu können. Unsere Leber arbeitet dabei nachts besonders hart für unsere Regeneration. Damit das Prozedere gut funktioniert, muss unser “Entgiftungsorgan” dafür genügend Energie zur Verfügung haben. Glykogen ist jene Energie die in Form von Zucker (Glucose) in der Leber und in den Muskeln eingelagert wird – als Reserve. Rund 75g Glykogen können in der Leber gelagert werden. Rund 10 Gramm pro Stunde werden davon verbraucht. Essen wir regelmäßig und nehmen somit Energie durch Nahrung zu uns, ist immer genügend Energie vorhanden. Essen wir zu viel und unsere Speicher sind voll, erst dann wird der Überschuss in Fett verwandelt! Essen wir nun aber beispielsweise das letzte Mal um 5 Uhr abends würden unsere Glykogen Reserven gegen 11 Uhr – wenn wir zu Bett gehen – ziemlich leer sein. Gehen wir also mit einer “leeren” Leber zu Bett, glaubt das Gehirn es verhungert. Und unser Gehirn hat immer Priorität. Logisch, es muss vor allem nachts alle Erinnerungen katalogisieren. Bevor das Gehirn also nicht mehr mit Energie versorgt wird, stoppen zuerst viele andere Prozesse. Nun zwingt das hungernde Gehirn also unsere Nebennieren dazu Cortisol zu bilden um Energie aus der Muskelmasse zu mobilisieren. Leere Speicher und eine drohende Unterversorgung des Gehirns um schnell an Energie kommen zu müssen bedeuten also auch Stress für den Körper. Erleben wir jetzt während der Nacht einen Anstieg an Stresshormonen, wird qualitativ hochwertiger Schlaf unterbunden. Dieser seichte Schlaf verhindert die Zell Regeneration und auch den Fett Metabolismus.
Was tun?
Essen wir beispielsweise etwas Honig vor dem zu Bett gehen, wandert der Fruktose Teil des Honigs direkt in die Leber und liefert dem Gehirn genügend Energie.
Keine Sorge, das bisschen Honig schadet nicht. Genügend Leber Glykogen verhindert den Ausstoß von Stress Hormonen und alles ist gut. Der Glucose Teil des Honigs sorgt außerdem für einen leichten Blutzuckeranstieg. Das ist gut. Das führt zum Ausstoß von Insulin – dem Blutzucker senkenden Hormon welches dafür sorgt, dass der Zucker in unserem Blut an die richtigen Stellen in unserem Körper gelangt. Ist Insulin erhöht, ist Cortisol im Idealfall gering. Da wären wir wieder bei den Gegenspielern.
Mein Fazit ist also in erster Linie viel Wert auf Schlaf zu legen und dabei die Schlafqualität durch diverse Strategien wie völlige Dunkelheit zu verbessern. Eine andere dieser Strategien ist definitiv der Konsum von Kohlenhydraten am Abend. Klarerweise spreche ich hier von einer ausgewogenen Mahlzeit mit komplexen Kohlenhydraten wie Süßkartoffeln oder Buchweizen und nicht einer Ladung Weizenpasta. Vor allem all jene die bereits einen stressigen Alltag erleben, sollten sich der Wichtigkeit von Kohlenhydraten als wertvollen Energielieferanten bewusst sein. Abnehmen beispielsweise funktioniert nicht alleine durch den bewussten Umgang mit Kalorien oder Dinner Cancelling. Viel mehr spielen unsere Hormone und vor allem unsere individuell unterschiedliche Ausgangsposition eine große Rolle. Angst vor (den richtigen) Kohlenhydraten ist in diesem Zusammenhang überflüssig. Während das Thema Fasten einen eigenen Beitrag hier auf Individualisten verdient hat, sollten sich gestresste Persönlichkeiten das Vorgehen bei einer Fastenkur genau überlegen und vor allem von dem hier erwähnten Honig Tipp Gebrauch machen.
Quellen u.a.:
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2951287/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21475137
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21349213/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22293292/