Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche | Reni Eddo-Lodge

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche | Reni Eddo-Lodge

Titel: Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche

Autorin: Reni Eddo-Lodge

Übersetzerin: Anette Grube

Format: E-Book

Preis: 13,99 €

Seitenzahl: 263 Seiten

Verlag: Klett-Cotta / Tropen

ISBN: 978-3-608-11534-5

Bewertung: 5 Sterne

Rezensionsexemplar

Inhalt

Reni Eddo-Lodge beschäftigt sich in ihrem Buch mit der Frage, was es bedeutet, in einer Welt, in der Weißsein als die selbstverständliche Norm gilt, nicht weiß zu sein. Sie spürt den historischen Wurzeln der Vorurteile nach und zeigt deutlich auf, dass die Ungleichbehandlung Weißer und Nicht-Weißer unseren Systemen seit Generationen eingeschrieben ist. Egal ob es um Politik oder Popkultur geht: diskriminierende Tendenzen werden nicht nur von offenen Rassisten, sondern auch von vermeintlich toleranten Menschen praktiziert. Um den strukturellen Rassismus zu erkennen und zu bekämpfen müssen darum People of Color und Weiße gleichermaßen aktiv werden. Dies versucht die Autorin auf eindrückliche Weise in ihrem Buch herauszustellen.


Als ich das Buch bei Anna von inkofbooks gesehen habe, war mein Interesse geweckt. Zufällig habe ich das E-Book dann bei Netgalley gesehen und es angefragt. Kurze Zeit später war das Sachbuch auf meinem Kindle und ich habe begonnen es zu lesen. Das Buch hat mich sehr aufgewühlt, mich zum Nachdenken gebracht und irgendwie auch mein Herz gebrochen. Ich möchte vorab anmerken, dass ich trotz der Lektüre des Buches noch sehr viel zu lernen habe. Wenn ich irgendetwas falsch/missverständlich ausdrücke dann tut mir das unendlich Leid. Ich versuche sehr an mir selbst zu arbeiten, um meinen eigenen Rassismus abzubauen aber ich stehe erst am Anfang und es gibt unwahrscheinlich viel zu tun. Also bitte korrigiert mich, helft mir, besser zu werden und meinen Blick zu öffnen.

Der Titel des Buches begründet sich auf einem Text, den die Autorin veröffentlich hat und der auch in diesem Buch abgedruckt ist. Sie hatte es letztlich satt ständigen Diskussionen ausgesetzt zu sein und doch hat gerade dieser Text, ihre Begründung, weshalb sie nicht mehr mit Weißen über das Thema Hautfarbe sprechen möchte, sie dazu gebracht noch viel mehr über Hautfarbe zu sprechen. Ihre Intention war es nie, aufzuhören über Hautfarbe zu reden, doch sie war es Leid immer dieselben ziellosen Diskussionen zu führen.

„Ich werde nie aufhören, über Hautfarbe zu sprechen. Jede Stimme, die sich gegen Rassismus erhebt, kratzt an seiner Macht. Wir können es uns nicht leisten zu schweigen. Dieses Buch ist ein Versuch zu sprechen.“
(Vorwort, Pos. 156/5531)

Im ersten Kapitel geht die Autorin auf die britische Geschichte ein. Sie beleuchtet, wie Sklaverei und Rassismus seinen Einzug hielt und wie sich dieser strukturelle Rassismus bis heute auswirkt. Sie beleuchtet jedes Detail, zeigt auf wie ignorant mit People of Color (PoC) umgegangen wird. Wie sehr alles miteinander verwoben ist und wie fest sich der Rassismus in der Bevölkerung festgesetzt hat. Man kann die Beispiele aus Großbritannien vielleicht nicht wie eine Schablone auf Deutschland auflegen, doch im Prinzip ist in unserem Lan genau dasselbe passiert. Wenn wir Weiße nicht an uns arbeiten die Macht, die uns als Weißen zuteil wird, dafür einzusetzen Vorurteile, Diskriminierungen, Ungleichbehandlungen von PoC abzubauen, dann wird der strukturelle Rassismus niemals aufhören. Wir müssen lernen zu erkennen, dass wir allein durch unsere Hautfarbe privilegiert sind und diese Ungerechtigkeit endlich abgeschafft werden muss. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle gleich behandelt werden. Wir müssen Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen ansprechen und Lösungen finden. Uns annähern und nicht weiter entfernen. Die Macht, die uns letztlich allein wegen unserer Hautfarbe gegeben wird, muss für Gleichberechtigung eingesetzt werden. Nicht für Ausgrenzung.

Die Autorin zeigt auf, dass Rassismus nicht einfach aufgetaucht ist, sie macht klar, dass er nichts gesondertes ist, das für sich alleine steht. Mit deutlichen Worten spricht sie aus, dass der Rassismus längst Teil des Systems ist. Überall steckt er in unseren Systemen. Es ist praktisch unmöglich sich ihm zu entziehen, da er in uns steckt und selbstverständlich geworden ist. Der Rassismus ist in unserer Gesellschaft verankert und dies gilt es zu ändern.

„Doch ein Blick in unsere Geschichte zeigt, dass Rassismus nicht aus dem Nichts entsteht, sondern dass er vielmehr in der britischen Gesellschaft verankert ist. Er steckt im Kern unserer staatlichen Strukturen. Er ist nichts Externes. Er ist Teil des Systems.“
(Kapitel 1 – Geschichte(n), Pos. 1295/5531)

Ein sehr wichtiges und aufschlussreiches Kapitel für mich als weiße Frau war Kapitel 3: „Was ist White Privilege?“. Hier wurde mir in aller Deutlichkeit offenbart wie blind ich in so vielen Dingen war und wie sehr mein Weiß-Sein mich schützt, mir Vorteile verschafft und mein Leben in allen Bereichen erleichtert. Und das ganz ohne dass es mir klar war. Ich habe mir nie groß Gedanken über mein Weiß-Sein gemacht, schließlich gehört das zu mir und meinem Umfeld dazu. Meine Heimat ist praktisch Ur-Schwäbisch, ein alteingesessenes Dorf mit genau diesen Ansichten. Weltoffenheit? Sehr schwierig. Es wird nicht reflektiert, es wird einfach genommen, was man bekommt, ohne nachzudenken. So bin ich aufgewachsen. Jetzt verändert sich mein Blick. Ich möchte meine Augen nicht mehr verschließen. Ich will besser werden. Etwas verändern. Auch wenn es bisher kleine Schritte sind, so sind sie in die richtige Richtung. Reni Eddo-Lodge hilft mir dabei zu erkennen was falsch läuft und gibt mir Denkanstöße mich zu verändern. Ihre Art zu schreiben hat mich sehr beeindruckt, denn sie drückt ihre Gedanken und Gefühle präzise aus. Ich hatte eher das Gefühl ich würde einem Vortrag von ihr lauschen, anstatt ein Buch von ihr selbst zu lesen. Und gerade dieses Kapitel über all meine Privilegien, die eben nicht der gesamten Bevölkerung zukommt, hat mich endgültig wachgerüttelt.

„White Privilege ist die Tatsache, dass deine Hautfarbe, wenn du weiß bist, den Verlauf deines Lebens mit großer Sicherheit positiv beeinflussen wird. Und du wirst es wahrscheinlich nicht einmal bemerken.“ 
(Kapitel 3 – Was ist White Privilege?, Pos. 1827/5531)

Ein weiteres Kapitel, das ich (vor allem im Bezug auf die #WirLesenFrauen Challenge) interessant fand war „Die Feminismusfrage“. Es hat mir auch in diesem Bereich die Augen geöffnet und gezeigt, dass es auch in diesem Bereich noch so viel mehr zu lernen und zu tun gibt. Und Frauen, die sich für Feminismus einsetzen müssen sich gleichzeitig auf gegen Rassismus wenden. Es darf sich auf keinen Fall ausschließen. Es darf nicht heißen „Wir können nicht auch noch auf den Rassismus-Zug aufspringen“, denn sonst bringt der gesamte Kampf für Frauen nichts. Es muss für ALLE Frauen gelten und darf niemanden ausschließen.
Reni Eddo-Lodge bringt es auch in diesem Kapitel auf den Punkt: wir Weiße Frauen dürfen nicht ignorant unsere Bedürfnisse und den Kampf gegen Ungleichbehandlung von Weißen Frauen voran stellen. Es muss um alle Frauen gehen. Um jede Einzelne. Und deshalb müssen wir Hand in Hand mit PoC gehen. Wir müssen auch dafür kämpfen, dass Menschen die Frauen und PoC sind gleich behandelt werden.

Ich könnte jetzt noch so vieles aufzählen, das mich zum Nachdenken gebracht hat. Doch einiges vermag ich einfach nicht in Worte zu fassen. Ich denke für eine Weiße Frau bzw. für Weiße Menschen ist es nicht leicht dieses Buch zu lesen. Man erkennt sehr schnell wie tief man in den Rassismus verstrickt ist, obwohl man vielleicht längst etwas dagegen tun will. Man erkennt, was alles falsch läuft und wo noch so unglaublich viel getan werden muss. So viel Arbeit steht noch an und es ist unwahrscheinlich erschreckend, dass es scheint, als wolle die Gesellschaft diesen Kampf gar nicht. Wir leben in 2019 und der Kampf ist noch lange nicht ausgetragen. Aber ich möchte jetzt endlich etwas tun. Ich möchte an mir arbeiten, mein Denken und Handeln anpassen und verändern.

Fazit

Das Buch hat mich beeindruckt. Es hat mich wach gerüttelt und so viele Denkanstöße gegeben. Es war wirklich hart das Buch zu lesen, denn es hat mir meine eigenen Unzulänglichkeiten aufgezeigt. Es hat mir gezeigt, dass ich noch so viel zu lernen und zu tun habe, um meinem eigenen Rassismus die Stirn zu bieten. Ich nehme so Vieles als selbstverständlich an, ohne darüber nachzudenken, dass es PoC nicht so leicht haben. Ich möchte endlich etwas verändern und dieses Buch hilft dabei! Wenn du auch etwas ändern möchtest, dann empfehle ich dieses Buch in jedem Fall.

„Ich betrachte mich als Teil einer Bewegung, und ich glaube, wenn dich tief berührt, was du in diesem Buch liest, dann bist auch du Teil dieser Bewegung. Es geschieht genau jetzt.“
(Nachspiel, Pos. 4251/5531)


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