Warum ich als Künstler das bedingungslose Grundeinkommen ablehne

SterntalerAm Sonntag stimmen die Schweizer darüber ab, ob sie pro Monat 2500 Franken auf dem Konto haben wollen, ohne dafür zu arbeiten. Allen Prognosen zufolge werden sie die Initiative ablehnen. Aber die Schweizer sind ja auch, wie man weiß, ein Volk von staubtrockenen Buchhaltern und Philistern. Als Künstler müsste ich eigentlich dafür sein. Bin ich aber nicht. Warum?

Vorausgeschickt sei, dass selbstverständlich niemand weiß, was wirklich passieren würde, wenn jeder Mensch plötzlich ohne Gegenleistung 1000 Euro oder 2500 Franken monatlich aufs Konto bekäme. Menschen und Volkswirtschaften sind nicht plan- und berechenbar (daran ist schon Stalin gescheitert), und die einzige Art, es herauszufinden, wäre, es auszuprobieren.

Allenfalls stellt sich die Frage, ob es ethisch zu verantworten wäre, eine ganze Volkswirtschaft zum Experimentierfeld der eigenen Ideologie zu machen. Aus theoretisch erträumten Paradiesen ist in der Praxis (siehe 20. Jahrhundert) schon oft genug die Hölle geworden.

Dennoch wird momentan viel drüber spekuliert, und da will ich mich der Diskussion nicht verschließen – gerade als Künstler. Denn natürlich fände ich 1000 Euro pro Monat zusätzlich auf meinem Konto nicht schlecht. Ich hätte manche Sorgenfalte weniger und könnte mich deutlich entspannter jener Aufgabe widmen, die mir am wichtigsten ist und die ich hoffentlich auch von allen Aufgaben am besten kann: Komponieren.

Für mich persönlich – und so denken wohl viele Künstler, die die Idee unterstützen – wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen also durchaus recht schön. Es gäbe den Künstlern die Freiheit, sich Dingen zu widmen, die nach kapitalistischer Logik unnötig sind und ohne die die Menschheit doch zu einer einzigen philisterhaften Riesen-Schweiz würde. Eigentlich wunderbar.

Die Sache hat nur einen Haken. Es geht nicht um mich persönlich. Wenn auf meiner Partitur die Tinte getrocknet ist (jaaa: ich benutze auch Sibelius, aber die Retro-Metapher sei gestattet, ok??), dann ist die Musik noch nicht fertig. Dann brauche ich andere Menschen. Musiker, um die Komposition aufzuführen. Organisatoren, um das Konzert vorzubereiten. Werbeleute, um Publikum anzulocken. Ich brauche – und ich glaube, jedes gelingende Projekt braucht – Menschen, die dem Projekt zuarbeiten, ohne selbst in demselben Grade involviert und intrinsisch motiviert zu sein wie ich.

Schon die Musiker werden zwar hoffentlich mit Begeisterung, aber nicht mit demselben drängenden Brennen und Begehren bei der Sache sein wie ich. Die Motivation des Managements dürfte noch eine Spur lauer sein. Spätestens für die Haustechniker und das Einlasspersonal ist es vollends business as usual.

Diesen Mangel an intrinsischer Motivation gleiche ich für gewöhnlich mit einem Zauberelixir aus: Geld. Komplimente und Versprechungen können in gewissem Maße ähnliche Wirkungen zeigen – aber eben nur in gewissem. Auf Dauer will jeder, der nicht plant und entwirft, sondern nur zuarbeitet, Geld sehen.

Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, das die intrinsische Motivation der Arbeit stärken will, sieht dieses Zuarbeiten nicht vor. Jeder soll selbst Herr und Meister sein. Jeder soll ganz und gar das arbeiten dürfen, was er arbeiten will. Warum sollte er an anderen Projekten mitarbeiten, die ihm nur halb zusagen, wenn er etwas eigenes haben kann (auch wenns nur ein Jodeldiplom ist)?

Auch ich selbst würde, wenn ich monatlich 1000 Euro auf dem Konto hätte, bestimmt meinen Zuarbeiter-Job – Barklavierspielen – aufgeben. Wer demnächst heiratet, müsste sich dann einen anderen Pianisten suchen (falls es denn mit Herzblut spielende Barpianisten gibt). Ich hingegen hätte wohl Schwierigkeiten, für meine eigenen Projekte Musiker und sonstige Mitstreiter zu finden.

Man wird einwenden, ich müsse die Leute dann eben besser überzeugen und statt Geld zusätzliche Energie verwenden, um eine intrinsische Motivation für mein Projekt in ihnen zu wecken. Das würde bei einigen sicher auch funktionieren. Andere könnten sich mein Projekt vielleicht nicht gut genug vorstellen. Andere würden einem anderen, zeitgleichen Projekt auf den Leim gehen, das im Konzept super klingt und in der Ausführung todlangweilig ist.

Wir haben diese Situation schon heute: aber heute muss ich nur eine Stelle überzeugen: diejenige, die mir das Geld fürs Projekt gibt. Schon hier gibt es genügend Fehlentscheidungen. Unter dem bedingungslosen Grundeinkommen müsste ich dutzende Stellen überzeugen, und die Fehlentscheidungen würden sich potenzieren. Ambitioniertere Projekte würden unmöglich werden.

Das liegt daran, dass das bedingungslose Grundeinkommen im Kern ein antielitaristisches Projekt ist. Gemacht wird, was jeder gut findet, und gemeinschaftliche Projekte kommen nur zustande, wenn möglichst viele das gut finden. Große Kunst wird aber allzuoft von Einzelnen vorangetrieben. Wenn ich eine Vision von unglaublichen Dingen habe, dann liegt es in der Natur der Sache, dass nicht zwanzig andere dieselbe Vision haben. Ich kann ihnen vielleicht einen Abglanz der Vision vermitteln, und das reicht aus, sie ins Boot zu holen, solange die andere, greifbarere Vergütung halbwegs stimmt. Unter dem bedingungslosen Grundeinkommen hingegen wären die Visionäre die Narren, während die kunstmachenden Philister-Kollektive sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und die Norm dessen bestimmen würden, was Kunst ist.

Vielleicht täusche ich mich. Vielleicht käme alles ganz anders, und die Kunst würde zu nie gekannten Höhenflügen aufblühen. Ich will das gegenwärtige System der Kunstfinanzierung auch beileibe nicht glorifizieren. Es hat genügend Schwachstellen. Aber unter dem jetzigen System sehe ich doch eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Künstler, der etwas zu sagen hat, für seine Sache brennt, den Marsch durch die Institutionen aufnimmt und Niederlagen wegstecken kann, im Laufe der Zeit die Bastionen der Mittelmäßigkeit schleifen kann. Unter dem bedingungslosen Grundeinkommen hingegen sehe ich die Mittelmäßigkeit strukturell festgeschrieben.


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