Warum genüge ich ihm nicht?

Warum genüge ich ihm nicht?Als Reaktion auf meine Artikel über den Konsum von Pornografie hat mir eine Leserin offen und mutig geschrieben: „Ich bin nicht prüde und sexuell sehr aktiv. Auch bin ich nicht abgeneigt, verrückte Sachen auszuprobieren. Aber alles hat seine Grenzen. Damit, dass mein Partner im Internet Pornofilme konsumiert hatte, konnte ich letztlich nicht leben. Nun haben wir uns getrennt. Weshalb benötigt ein Mann so etwas neben einer gut funktionierenden und sexuell aktiven Partnerschaft trotzdem? Es verletzte mich und stets rumorte in mir die Frage, warum ich ihm nicht genüge. Ich verstehe die Männer in diesem Punkt nicht, ehrlich gesagt.“

Wohl die meisten kennen diesen (allzu) menschlichen Aspekt in sexuellen Begegnungen: „Genüge ich, so wie ich bin?“ Wie weit lassen wir uns auf die Wünsche des anderen ein? Sind wir erpressbar, oder wie treu gehen wir mit unseren individuellen Grenzen um? Anders gefragt: Wo beginnt der Schutz von Würde und persönlicher Integrität? Unser Verhalten im Spannungsfeld zwischen Schutz und Veränderung steuern wir mit dem Ja und dem Nein. Aber läuft, wer Nein sagt, nicht Gefahr, verlassen zu werden? (Ich wähle übrigens deshalb die Wir-Form, weil ich Schüler in der gleichen Lernveranstaltung bin wie Sie.)

Der eingangs erwähnten Leserin bot ich folgende Aufgabe an: „Stellen Sie sich Ihre ganze Sexualität symbolisch dargestellt als ein Kreis vor. Dieser Kreis beinhaltet alles, was Sie als sexuelles Wesen ausmacht, was Sie gelernt haben, was Sie mögen und was Sie ablehnen, alles, was Sie aktiv tatsächlich leben und auch alles, was bloss in Ihrer Fantasie vorkommt. Mit anderen Worten Ihr ganzes sexuelles Spektrum. Zeichnen Sie diesen Kreis auf ein Blatt Papier. Und nun malen Sie, mit etwas Abstand, einen weiteren Kreis auf das gleiche Blatt Papier. Dieser zweite Kreis symbolisiert das sexuelle Spektrum Ihres Partners. Der Kreis Ihres Partners kann kleiner, grösser oder gleich gross sein wie Ihr eigener. Betrachten Sie die beiden Kreise, die Ihre und seine sexuelle Welt symbolisch darstellen. Stellen Sie sich dann vor, die beiden Kreise würden sich einander annähern und hätten Sex miteinander. Die Schnittmenge, die daraus entsteht, indem sich die beiden Kreise überschneiden, nenne ich den gemeinsamen Nenner in der Sexualität. Zum Abschluss stellen Sie sich eine Frage. Einmal angenommen, Sie hätten das Gefühl, Ihrem Partner vollständig zu genügen. Wie gross – in Prozenten -, wäre Ihrer Ansicht nach dann die gemeinsame Fläche, bzw. die Überschneidung der beiden Kreise?“

Die Frage, ob ich jemandem genüge und die Angst, verlassen zu werden, gehören zusammen. Dieser Angst muss sich stellen, wer dem Partner wahrhaftig begegnen will. Ich kenne die Antwort der Leserin nicht. Der Glaube aber, dem Partner in dem Masse sexuell genügen zu können, dass die beiden Kreise sich vollständig abdecken bzw. zu hundert Prozent ineinander aufgehen, ist unrealistisch und gehört ins Land der Allmachtsfantasien. Mit dem Vorhaben also, dem anderen genügen zu wollen, folgen wir der falschen Fährte. Die Frage lautet vielmehr: „Zu wie viel Prozent genüge ich mir selbst, mit all meinen (sexuellen) Schätzen, Möglichkeiten und Begrenzungen?“

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass Sie viele „hochprozentige“ Momente mit sich selbst erleben können.


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