Warum Fußball kein Proleten-Sport ist

A sold-out crowd at the New Meadowlands Stadium watches Mexico play Ecuador in the first half of their friendly soccer match in East Rutherford, New Jersey, May 7, 2010. REUTERS/Ray Stubblebine (UNITED STATES - Tags: SPORT SOCCER)

Professor Dr. Gunter Gebauer ist einer der bekanntesten Sportphilosophen im deutschsprachigen Raum. In einem Interview des Fußballmagazins 11Freunde.de ging er unlängst der Frage nach, wie sich das Fußballimage vom Proletensport hin zum gesellschaftlich schicken Massenphänomen entwickeln konnte - und gibt damit interessante Einblicke in die moderne Fußball-Glamour-Welt.

Sport wurde gesellschaftlich aufgewertet

Sport galt lange Zeit als unfein. Erst in den vergangenen 30 Jahren hat sich das Verhältnis zum Sport grundsätzlich geändert. Es kam zur Öffnung der Gesellschaft gegenüber dem Sport und der damit verbundenen Sinnlichkeit und der Körperästhetik. Entsprechend schick wurde es damit auch, selbst Sport zu treiben und sich über Sport zu unterhalten. Sport entwickelte sich zum wichtigen sozialen Schmierstoff. Und Fußball ist für diese Aufgabe geradezu prädestiniert.

Fußball ist das perfekte Spiel

90 Minuten sind laut Gebauer der ideale Zeitraum. Nicht umsonst dauert das klassische Drama im Theater 90 Minuten. Dazu kommt die optimale Sichtbarkeit. Das Spielfeld ist groß, aber nicht zu groß. Mit 22 Spielern ist der Platz nicht voll gestellt. Im Gegensatz zu anderen Ballsportarten, in denen es immer wieder zu unübersichtlichen Verdichtungen kommt, wird beim Fußball die Breite und Tiefe des Raumes voll ausgenutzt.

Und ganz wichtig: Der Ball ist groß genug, um ihn stets von jedem Punkt im Stadion, aber auch am Fernseher gut sehen zu können. Beim Eishockey fällt es schon schwer, die kleine Scheibe immer im Auge zu behalten. Zudem macht die Verknappung der Tore den Fußball spannend. Jeder Fehler kann spielentscheidend sein, jedes Tor ist etwas Besonderes. Das ist viel dramatischer als etwa ein 126:122 im Basketball.

Spielniveau und Spielergehälter sind gestiegen

Heute unterhält sich vom Arbeiter bis zum Akademiker jeder ganz offen über Viererketten und ein zu lasches Zweikampfverhalten auf dem Rasen. Diese Offenheit kommt laut Gebauer daher, dass sich Fußball heute zu einem Profisport entwickelt hat, in dem sehr hohe Gehälter gezahlt werden und in dem zugleich das Spielniveau gestiegen ist. Dadurch stieg auch das Ansehen der Sportart und der Sportler. Jede wichtige Tageszeitung beschäftigt sich heute mit Hintergründen aus der Welt des Fußballs und mit dem Leben der Profifußballer.

Fußball als letztes Bindeglied der Gesellschaft

Die Lebenswelten der Menschen aus verschiedenen Bevölkerungsschichten driften heute zunehmend auseinander. Fußball hat sich dahingehend über die letzten Jahrzehnte zum vielleicht wichtigsten Bindeglied unserer Gesellschaft entwickelt. Laut Gebauer gibt es heute nicht mehr viele soziale Schmierstoffe, die klassenunabhängig sind. Musik etwa ist sehr alters- und geschmacksspezifisch, Kultur ist in erster Linie etwas für die gehobene Gesellschaft. Fußball ist hingegen ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das Menschen unterschiedlichster Herkunft und Bildung Gesprächsstoff liefert.

Trotz dem Hype und der Entwicklungstendenz zur Show und zum Mega-Event hat Fußball in den Augen Gebauers nichts von seiner Faszination verloren. Gebauer ortet bei vielen Menschen sogar Züge der Abhängigkeit vom Geschehen in der Bundesliga. Sich selbst schließt er dabei ebenfalls nicht aus.

Link:
Komplettes Interview (11Freunde.de, 28.08.2010)


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