Warum Deutschland so hip ist
Wenn Spanier Deutsch nachahmen, sagen sie «krunz kranz kronz». Das klingt nicht, als wären sie sonderlich erpicht darauf, diese klanglose Sprache zu erlernen, oder? Ganz falsch. In der Zentrale des Goethe-Instituts, Leuchtturm des Deutschen im Ausland, laufen in diesen Tagen die Zahlen aus ganz Europa ein. Die Tendenz ist überall dieselbe: Immer mehr Leute wollen Deutsch lernen.
«Spanien führt mit gigantischen Steigerungen», sagt der Sprecher des Goethe-Instituts, Christoph Mücher. 70 Prozent mehr Teilnehmer als 2010 verzeichnen sie dort in ihren Kursen, allein in Madrid ist die Zahl der Deutschschüler am Institut von 2059 auf 3369 gestiegen. Auch in den anderen Euro-Sorgenkinderstaaten nehmen die Teilnehmerzahlen zu. In Irland gilt ein Deutschkurs inzwischen als Investition in die Zukunft. Waren bis 2009 fast die Hälfte der Schüler Immigranten aus Osteuropa, sitzen jetzt fast nur noch Iren in den Kursen – noch dazu gab es einen Zuwachs von zehn Prozent.
Viele Griechen kämpfen ums nackte Überleben, dennoch investieren immer mehr Menschen in einen Deutschkurs. Doch unsere schwierige Sprache ist dort schon länger auf dem Weg nach oben: Im Schulunterricht hat sich die Zahl der Schüler, die als zweite Fremdsprache Deutsch statt Französisch beleben, in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Und auch in Ungarn ist Deutsch gerade ziemlich populär. «Seit Mai haben sie die Chance, legal in Deutschland zu arbeiten, und außerdem kommt dazu, dass viele junge, liberale Menschen von der nationalistischen Regierung sehr abgeschreckt sind», erklärt Mücher die dortige Situation.
In Barcelona gibt’s zum Sprachkurs das Praktikum in Deutschland
So was hat er in 19 Jahren am Goethe-Institut noch nicht erlebt. Geradezu grotesk erscheinen ihm jetzt die Vorstöße vieler Politiker, die die Institute schon dichtmachen wollten, weil es in der EU doch nun von allein liefe mit der Annäherung. «Wir sind in Europa noch nicht fertig», kommentiert Mücher.
Natürlich treibt vor allem die Arbeitslosigkeit in vielen Euro-Ländern die Leute in die Deutschkurse. «Angela Merkel war mehrfach in Spanien und hat gesagt, dass Arbeitskräfte in Deutschland gebraucht werden, vor allem Ingenieure. Seitdem haben wir den Boom», sagt Jordi González Castelló vom Goethe-Institut in Barcelona.
Seit dem Sommer vermitteln sie dort nicht mehr nur Sprache, sondern auch Arbeit. Der Bürgermeister von Schwäbisch Hall war in Barcelona zu Gast, im Schlepptau diverse Unternehmen aus der nordwürttembergischen Stadt mit Arbeitsplatzüberschuss. Barcelona bietet inzwischen Sprachkurse speziell für Ingenieure an, die an ein Praktikum in Schwäbisch Hall gekoppelt sind. Und das aktuellste Angebot ist die «Aktion Nikolaus», eine Auswahlrunde für 100 Ingenieure in Stuttgart Anfang Dezember. Finanziert werden Anreise und Unterkunft von der Landesregierung – aber unter einer Bedingung: Deutsch können.
Lesen Sie hier, warum Deutschland plötzlich das beliebteste Land war
Doch es sind nicht nur die dramatischen Auswirkungen der Finanzkrise auf die schwächeren Euro-Staaten, die das einst als kalt und sperrig verschrieene Deutschland attraktiv machen. Schon 2006 hüpfte das Land plötzlich von Platz 6 auf Platz 1 im Nation Brands Index (NBI), eine Liste, in der die amerikanische Verbraucherorganisation GfK jährlich die Attraktivität von 50 Staaten weltweit vergleicht, in den Kategorien Export, Regierung, Kultur, Menschen, Tourismus und Immigration/Investitionen.
Warum das so ist, darüber hat Elena-Sophie Amashaufer ihre Doktorarbeit geschrieben. «Das Image von Ländern ist sehr stabil, ein vorgefertigtes Bild ist nur sehr schwer zu verändern», sagt sie. Doch 2006 war das Jahr der Fußball-WM, und Deutschland hat sich extra dafür als Marke neu erfunden, wie es inzwischen international zum guten Ton gehört. Nation Branding nennt sich das und wurde erdacht von Simon Anholt, der auch das GfK leitet. «Land der Ideen» war das Schlagwort, unter dem sich Deutschland in Wirtschaft, Forschung und bei jungen Leuten beliebt machte. Auch 2007 und 2008 reichte es noch für Platz 1 im Index, 2010 und 2011 haben sich die USA vorbeigedrängt.
Nicht nur im NBI ist Deutschland seitdem Spitze, auch die jährliche BBC-Umfrage listet «uns» seit Jahren ganz oben. Ob das ausschließlich dem «Nation Branding» zuzuschreiben ist, da will sich Elena-Sophie Amashaufer nicht festlegen. «Die Kampagne war sehr medienwirksam, und die Fußball-WM hat sicher zum guten Image beigetragen. Die ganze Welt schaute auf Deutschland, und die Leute haben sich auf der einen Seite unverkrampft, feiertauglich und weltoffen gezeigt, auf der anderen Seite war aber der organisatorische Ablauf so perfekt, wie es von den Deutschen erwartet wird.»
Deutschlands Magnet heißt Berlin
Genau die richtige Mischung also. Dennoch ist umstritten, ob sich ein Land wirklich wie ein Elektrogerät vermarkten lässt. Auch das gute Wetter und der sportliche Erfolg der Deutschen wird wohl zum positiven Eindruck beigetragen haben.
Eins aber steht außer Frage: Deutschlands größter Magnet heißt Berlin. Hier geht es nicht um den Überlebenskampf am Arbeitsmarkt, sondern um Lebensgefühl. Denn so, wie man in den Sprachschulen von Barcelona, Rom und Athen immer mehr Deutsch hört, klingt in Berlin aus allen Ecken eben Spanisch, Italienisch und Griechisch.
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