Wahlkampf mit Außenpolitik - selten eine gute Idee

Von Stefan Sasse
Außenpolitik ist ein ziemlich komplexes Politikfeld, das weiß man spätestens, wenn man mal in einem Seminar zum Thema "Internationale Beziehungen" saß. Vermutlich beschränken sich Außenminister deswegen gerne auf das Ablaufen roter Teppiche, was ihre Außenrepräsentation angeht. Dass sich niemand groß damit beschäftigt, wenn nicht gerade etwas von enormer Tragweite geschieht, macht es ihnen leicht und sorgt im Falle eines Falles dafür, dass niemand Bescheid weiß, wenn doch etwas passiert. Oder wer kennt sich in Libyen schon wirklich so aus, als dass er hätte die Krise einschätzen können, als sie passierte? - Aber ich schweife ab. Es ist interessant zu sehen, dass außenpolitische Themen zum Wahlkampfthema zu machen eigentlich nie eine besonders gute Idee ist, man sieht es durch die gesamte Geschichte der BRD hindurch. Die SPD hatte stets ein Problem damit, die Adenauer'sche Westbindung zu akzeptieren und fand erst nach der Übernahme dieser Leitlinie aus dem Tal der Tränen heraus. Die CDU lief daraufhin in die gleiche Falle und verdammte die Ostpolitik. Erst, als sie sie um 1980 endlich akzeptiert hatte, konnte sie realistisch wieder die Regierung übernehmen. Der Widerstand der SPD gegen den NATO-Doppelbeschluss brachte ihr nichts. Der Versuch, irgendwie eine Regelung für Afghanistan zu finden, überlastet noch heute die Parteien (mit Ausnahme der LINKEn, die es hier einfach hat). Merkels Desaster mit Griechenland hat ihren Ruf nachhaltig ruiniert.
Außenpolitik ist Kontinuität. Es ist eine gerne kolportierte Anekdote, dass es dem Außenamt egal ist, wer unter ihm Außenminister ist. Tatsächlich ist der Spielraum von Regierungen selten so klein wie bei der Außenpolitik, sie ist gewissermaßen eine Art Lackmustest für Seriosität. Aus der Opposition in Bausch und Bogen verdammte Verträge müssen, wenn man an der Regierung ist, doch eingehalten werden - und verstimmen dann im Zweifel die eigene Anhängerschaft. Die Alternative ist meist nur totales Chaos. Man kann das gerade beispielhaft an den Rechtspopulisten in Finnland beobachten. Werden sie, wenn eine Umschuldung in Griechenland oder anderswo notwendig wird, tatsächlich so hart sein wie sie es versprochen haben? Dann riskieren sie den Bruch der Eurozone und Verwerfungen in Finnland selbst. Merkel stand genau vor dem gleichen Problem. Sie glaubte, ein paar billige Zustimmungspunkte abholen zu können, als sie gegenüber Griechenland die harte Hosenanzugsträgerin markierte. Die Folgen waren furchtbar, und inzwischen spielt sie die zweite Geige hinter Berlusconi und Sarkozy, die beide Profis im effektiven Herumpoltern sind. Dieses Schicksal blüht den meisten Wahlkämpfern, die sich in der Außenpolitik verstricken. Nirgendwo muss man so viel vom Vorgänger übernehmen wie hier, und wenn man sich den Politikbetrieb etwas näher ansieht erkennt man, dass gerade deswegen Außenpolitik auch gerne überparteilich in den Ausschüssen und in Absprachen geregelt wird.
Das macht auch Sinn, denn Außenpolitik basiert gerade auf Kontinuität. Spielräume zu erkennen ist hier nicht leicht, und es braucht Adenauers und Brandts, keine Merkels, um sie zu erkennen und auszunutzen, ohne gleich das ganze Gebäude zum Einsturz zu bringen. Der Wahlkampf mit außenpolitischen Themen ist deswegen immer auch ein Spiel mit dem Feuer, von dem man eigentlich nur abraten kann. Selbst die LINKE dürfte, wenn sie denn tatsächlich einmal in die Bundesregierung kommt, ihre früheren Aussagen bereuen, denn es wird ihr sicherlich nicht möglich sein, ihre ganzen Forderungen wahrzumachen. Stattdessen werden ihre Abgeordneten die Hand heben müssen, wenn irgendwo auf der Welt wieder einmal doch etwas in den bekannten Bahnen geregelt wird. Man kann das kritisieren und bedauern, aber es ist eine Konstante patrlamentarischer Demokratie, die wirklich seit 1949 feststellbar ist, aber kaum thematisiert wird.

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