Für viele Fitnessbegeisterte ist es der Traum schlechthin – das leidenschaftliche Hobby wie Marathonlaufen, Mountainbiken, Klettern oder ähnliches mit dem Partner teilen, gemeinsam trainieren und sich gegenseitig auf dem manchmal harten, manchmal freudestrahlenden Weg unterstützen! Dieser große Traum ist absolut verständlich: Wenn wir etwas mit so viel Begeisterung tun und so viel Zeit darin investieren, dann wollen wir genau dies mit unserem Herzmenschen teilen. Aber was ist, wenn der Partner das gar nicht will? Was ist, wenn er oder sie der absolute Sportmuffel ist? Oder aber ganz andere sportliche Ziele und Träume hat? Gemeinsamer Sport als Paar ist manchmal gar nicht so leicht, wie wir es uns vorstellen. Ich habe in den letzten Jahren auch meine Erfahrungen damit gesammelt und möchte euch heute einfach mal mit einem Augenzwinkern von unserem spannenden Weg erzählen.
In der Neujahrsnacht 2012 schmiedete ich meinen großen, fast schon heroischen Vorsatz für das neue Jahr: Ich wollte “die sportliche Form meines Lebens” erreichen! Ich hatte die Nase voll von Rückenschmerzen, Migräneattacken und allgemeiner Unausgeglichenheit meines Körpers. Ich wollte mir etwas Gutes tun und mich gleichzeitig sportlich herausfordern. Also ging ich gleich zu Beginn des neuen Jahres mit HIIT Workouts, Laufen etc. in die Vollen und hängte meinen Partner in Null Komma Nichts meilenweit ab. Er wollte damals auch “mehr Sport machen”, doch mit solch einer Power von mir hatte er nicht gerechnet. Während er noch an seinem ersten Trainingsplan schrieb, verausgabte ich mich schon fast täglich in meinen Workouts zuhause. In unglaublichem Tempo baute ich Muskeln und Kondition auf, die ich vorher nie hatte und mir wuchsen förmlich Flügel! Zu dieser Zeit gingen wir zusätzlich noch gemeinsam ins Fitnessstudio, doch auch hier zog ich ihn ganz schnell bei Sit Ups und Co. ab. Und selbst im gemeinsamen Hot Iron Kurs wählten wir irgendwann die gleichen Gewichte. Mich machte das unglaublich stolz, meinen Freund aber frustrierte es immer mehr! Doch damals merkte ich genau das noch nicht…
Vielmehr ging es lange Zeit so weiter! Ich lief meinen ersten offiziellen Lauf, er schaute mir dabei zu. Ich dachte mir Workouts und Übungen für uns beide aus, er hatte keine Lust mit mir zu trainieren. Er träumte von seinem ersten Triathlon, ich lief meinen ersten, inoffiziellen Halbmarathon! So wurde ich immer mehr zur sportlich aktiven Powerfrau, er immer mehr zur passiven Couchpotatoe – in meinen Augen! Natürlich war es nicht so extrem, aber die Tendenz ging in genau diese Richtung. Während ich es anpackte (“Und wenn er nicht will, dann eben auch allein!”), wirkte er lustlos und kam nicht in die Gänge! Wir redeten oft über dieses Thema, aber wir fanden keine vernünftige Lösung bzw. kamen einfach nicht auf den eigentlichen Kern unseres Problems! Stattdessen dachten wir, dass es das Beste wäre, wenn jeder einfach sein sportliches Ding macht und sich am Besten selbst motiviert. Wir mussten ja nichts Gemeinsames im Bereich Sport erzwingen.
Zum ersten Mal wendete sich das Blatt bei unserem ersten, offiziellen Halbmarathon. Natürlich hatte ich unsere Anmeldung in die Hand genommen und auch in der Trainingsvorbereitung lief es wie gewohnt: Ich war hochmotiviert, trainierte nach Plan und gab alles. Mein Freund kümmerte sich mehr um den Innenausbau unseres Hauses (wofür ich ihm SEHR dankbar war und bin) und trainierte nur sporadisch. Am Tag X unseres großen, gemeinsamen Laufs hatte ich keinerlei Zweifel, dass ich es schaffen würde…jedoch zweifelte ich an ihm auf Grund seines Trainingsstandes! Doch dieser Lauf war ein unglaubliches, sportliches Erlebnis für uns als Paar: Wir liefen ihn komplett gemeinsam. Bei Kilometer 15 kam bei ihm der Einbruch und ich motivierte ihn durchzuhalten. Gleichzeitig merkte ich, dass ich selbst durch meine vorherige Erkältung nicht so fit wie im Training war. Doch mein Freund hielt durch und das motivierte mich ebenfalls weiterzulaufen. Auf dem letzten Kilometer kam bei mir der absolute Einbruch. Mein Kopf sagte ganz unerwartet: “Hör auf!” Ich konnte und wollte nicht mehr – so kurz vor dem Ziel! Doch genau jetzt war mein Partner für mich da. Jetzt war er es, der mir Mut zusprach, der mich zum Durchhalten und sogar noch zu einem Endspurt Seite an Seite bewegte. “Halt durch, meine Kleine!” Am Ende liefen wir genau zeitgleich bei 1:56:59 ins Ziel und umarmten uns! Dieses wunderbare Erlebnis blieb mir im Kopf! Ich sah, was auch sportlich in unserer Partnerschaft möglich war…und gleichzeitig war ich irritiert: Wieso funktionierte “etwas” beim Halbmarathon, was viele Monate zuvor nie geklappt hat? Was war anders?…Noch kam ich nicht hinter das Geheimnis.
Erst beim Partnerschaftstag im Rahmen meines Seminar “Die Kunst, Glück und Erfüllung zu finden” hat es bei mir “klick” gemacht. Wir befassten uns ganz intensiv mit den doch immer noch typischen Rollen von Männern und Frauen in einer Beziehung und auf einmal erkannte ich, warum wir – bis auf die eine Ausnahme – nie Spaß am gemeinsamen Sport gefunden haben. Ich wurde 2012 von einem Tag auf den nächsten in sportlicher Hinsicht zur absoluten Powerfrau und eignete mir diverse männliche Eigenschaften an. Ich übernahm vielleicht sogar in diesem Part unserer Beziehung die männliche Rolle! Ich forderte von ihm Bewunderung für meine tolle Entwicklung ein. Ich forderte ihn ständig zum sportlichen Wettkampf heraus. Ich gab ihm Tipps für sein Training. Ich verglich mich mit ihm. Ich überfuhr ihn mit meiner Power. Ich machte, während er noch träumte… Glaubt mir, liebe Frauen, ich bin keine Verfechterin von Rollenklischees, aber solch einen Zustand findet kein Mann auf Dauer prickelnd! Er frustriert ungemein, denn kein Mann möchte sich mit seiner Partnerin, die er liebt und beschützen will, im “Muskelvergleich” messen. Natürlich ist es super, wenn wir Frauen auch sportlich aktiv und erfolgreich sind. Aber: Unsere lieben Männer wollen von ihren Partnerinnen bewundert werden, sie wollen sich genauso im Sport als “Heros” fühlen und von uns am Rande ab und zu auch mal ehrlich begeistert angefeuert werden! Das gibt ihnen Flügel statt Frust! Und das ist gut für eine Partnerschaft!
Nach dem Seminar und dem großen “Klick” in unserer beider Köpfen haben wir viel über unseren Sport gesprochen. Immer wieder sind wir analysierend in die typischen Frust-Situationen aus der Vergangenheit gegangen, in welchen wir mit vertauschten Rollen agiert haben, und konnten nun sogar über unser beider Verhalten lachen. Denn ich bin auch ganz ehrlich: Die liebevollen, motivierenden Worte meines Partners auf dem letzten HM-Kilometer sowie seine Stärke beim Zieleinlauf habe ich so dermaßen genossen und bewundert! Mir hat es doch selbst keinen großen Spaß gemacht, mich mit meinem Partner zu vergleichen und besser zu sein als er! Doch ich dachte fälschlicherweise, dass ihn genau das anspornen würde…..dass ihn das motiviert, sein Training ernst zu nehmen! Mir war damals nicht bewusst, dass es genau das Gegenteil bewirkt und er dem “Wettbewerb” mit mir – seiner Freundin – frustriert aus dem Weg geht, wobei er sich genauso wie ich gewünscht hat, dass wir zusammen Sport machen!
Jetzt packen wir es anders an. Wir sind dieses Jahr zum ersten Mal gemeinsam in den fitten Februar gestartet….es war seine Idee! Mein Freund hat sich für uns einen Trainingsplan überlegt und ich genieße es richtig, wie viel Gedanken und Mühe er sich hierfür gemacht hat. 3-er-Split mit Schwerpunkt Beine, Bauch/ Rücken sowie Oberkörper/ Arme/ Brust. Alles als Kombi verpackt in HIIT Workouts! Ein super Training! Jetzt machen wir uns nach der Arbeit gute Musik an, ziehen unsere Sportsachen an und legen gemeinsam los! Kein Wettbewerb, aber ehrliche, gegenseitige Motivation! Und manchmal baue ich dann in mein Training noch Yoga-Elemente ein, die mir das Workout versüßen! Wenn er sie ausprobieren möchte, sehr gern. Wenn nicht, dann auch ok! Kein Zwang mehr! Außerdem werden wir jetzt im Frühling wieder unsere langen Läufe am Wochenende gemeinsam absolvieren…die anderen unter der Woche läuft jeder für sich! Schließlich trainieren wir beide auf den Berlin Marathon 2015 hin. Ob wir ihn wieder gemeinsam laufen werden, wird sich zeigen…aber ich bin mir sicher, dass wir uns dieses Mal auf dem Weg dorthin viel besser und leichter unterstützen können! Ganz ohne Frust! Mein Freund hat nämlich unglaublich viel Willensstärke, Selbstvertrauen und ein großartiges Wissen rund ums Training. Diese wunderbaren Eigenschaften setzt er nun zum ersten Mal im Training ein. Und davon profitiere ich genauso. Ergänzend dazu bin ich die liebevolle Motivatorin, die uns beide voranbringt und die auch gern mal die Zähne zusammenbeißt und ihre gute Laune nicht verliert, wenn es anstrengend wird!