Hitze und Kälte, Sonne und Regen, nachts dunkel und tags taghell, manchmal bedeckt, manchmal Schauer, dazwischen der anhaltende Streit um die Kapitänsbinde, die Loveparade-Tragödie und überall Öllecks, Brände, Überschwemmungen, Spinnenweben und abgebrochene Stiefelettenabsätze. Seit Monaten zeigt sich das Wetter von seiner extremen Seite. Mojib Latif (55), Meteorologe und Klimaforscher am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel, hat jetzt nur sechs Wochen nach seiner Erklärung zu Deutschlands bestem Wetterforscher erklärt, warum das Weltklima in Görlitz, Nischni Nowgorod und Binz verrückt spielt.
Klimaforscher Mojib Latif erklärte dem Wettermagazin Bild den Zusammenhang zwischen der Hitzehölle in Russland und dem weltweiten Wetterchaos: Das Klima auf der ganzen Welt hänge "miteinander zusammen". Dadurch entstünden die Wetter, die der Mensch ertragen müsse: "Wenn es irgendwo heiß ist, muss es an einem anderen Ort regnen", hat Latif durch jahrelanges Studium indianischer Fachliteratur ermitteln können.
Wenn es regne oder etwas warm werde, sei das aber auch ganz normal, wenn nicht gerade Erwärmungspause sei wie letzten Winter. "Aber das, was jetzt in Russland passiert, ist alles andere als normal – das ist extrem!", warnt Latif vor der weltweiten Anerkennung von Bränden als Teil des Wetters. "Das, was wir jetzt erleben, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns bald erwartet", hat der führenden Experte die Vorhersagedaumenschrauben noch einmal angezogen. Die Menschheit dürfe sich noch "in diesem Jahrhundert" auf ein Klima freuen, "das wir noch nie erlebt haben".
Latif ist sicher: Der Vorgeschmack wird noch schlimmer! "Vor allem im Landesinneren wird es immer heißer und trockener mit heftigen Gewittern und Tornados", sagt er, "auch die Regenfälle werden immer stärker. Wir werden Überschwemmungen bekommen, wo wir noch nie Überschwemmungen hatten."
Etwa in Görlitz, das 2002 und 1981 zuletzt machtlos in den Fluten versank, weil Mojib Latif vorher nicht alarmiert worden war. Damals hatte allein Michael Gorbatschow vor dem Folgen des Ökowandels gewarnt neunmal allein in einer einzigen Rede vor der Uno.
Vergeblich. Trotzdem ging die UN-Klimakonferenz in Bonn wegen der Fußball-WM ohne Medienbegleitung über die Bühne und ohne einen gemeinsamen Beschluss zu Ende. "Das ist traurig", grämt sich Mojib Latif. Jetzt müsse "jeder selbst etwas tun, um das Klima zu schützen" Das sei ganz einfach: "Zum Beispiel einfach mal das Auto stehen lassen
und mit dem Fahrrad fahren."
Betroffen vom Klimawandel, von zuweilem schlechtem Wetter, Dauerregen und Dürre, Waldbrandgefahr und dem Schloßpark Bad Muskau, der schon 1981 unter Wasser stand, sind alle Regionen und Weltkulturerbestätten. "So sind in Konstanz bis Ende des Jahrhunderts sogar 50 Grad möglich, während Sylt teilweise überflutet wird", legt Mojib Latif noch einen drauf auf sein letztes Temperaturgebot vom Juni, als er um sechs Grad steigende Temperaturen prognostiziert hatte. "Was uns da bevorsteht, sind ganz neue Dimensionen", freut sich der Forscher, der Ende des Jahrhunderts seinen 145. Geburtstag feiern wird und nicht möchte, dass ihm überflutete Inseln, ein überheiztes Konstanz und brechende Sandsackbarrieren vor Moskau die geplante Party verderben.