Vor den Wolken kommt die Hölle

Der Dortmunder Flughafen, von dem ich in den Urlaub geflogen bin, hat als Slogan “einfach fliegen”. Aber einfach war da gar nichts. Vielleicht nur nicht für mich, wobei als unabhängiger Beobachter hatte ich den Eindruck, dass man das Eine oder Andere für die Mitarbeiter ändern könnte, um für sie das Fliegen anderer einfacher zu machen. Vielleicht ist sieben Uhr morgens am Flughafen keine gute Zeit, für keinen.

Der Check-In war noch so, wie man ihn erwartet hätte. Ich wurde sogar gefragt, ob ich im Rollstuhl, der unerklärlicherweise mitkommen sollte, bis zum Abflug sitzen bleiben, oder ob ich in den flughafeneigenen umgesetzt werden wollte. Was nehme ich da wohl? Wenn ich schon die Wahl habe, was mir suspekt vorkam. Das ist wieder so eine Stelle, an der ich gerne meine Situation mit der Situation eines Anderen vergleichen wollen würde. Ich würde gerne wissen, wie ein anderer darüber denkt, wenn man ihm vorschlagen würde, wollen sie ihre Hose anbehalten, oder wollen sie eine andere anziehen, die bisschen älter ist, nicht besonders sauber und man wüsste auch nicht, wer sie vorher trug.

Also fahren mein Rollstuhl und ich zur Sicherheitskontrolle. Dort wird den Menschen um mich herum erklärt, dass es nicht gehen würde, dass ich mit meinem eigenen Rollstuhl die Sicherheitskontrolle passiere und deshalb umgesetzt werden müsste. Also zurück zum Check-In-Schalter. Die Mitarbeiterin entschuldigte sich bei mir, dass sie nicht wusste , dass es nicht möglich ist und ich persönlich kenne auch mehrere Variationen des Möglichen. Aber egal. Sie war kein Ansprechpartner dafür und wenn ich an einem Ort bin, an dem man mit mir nicht spricht, wird man wohl nicht diskutieren wollen. Also warte ich auf das Behinderten-Kompetenz-Team, eigentlich heißt es Service, aber an dieser Stelle finde ich es zu ironisch und zu grotesk anhand dessen, was noch kommen wird, und warte, und warte. Mein Sohn hatte schon Angst, dass wir nicht fliegen, weil wir das Flugzeug verpassen und es war niemand da, den man fragen konnte.

Dann endlich. Und das nur damit mein Rollstuhl gescannt werden kann. Und dann noch völlig ergebnislos. Dann noch schnell zurück zur Sicherheitskontrolle. Alles panisch, alles schnell, alles unstrukturiert. Ich werde abgetastet, der Rollstuhl des Flughafens wird untersucht. Meine Assistentin muss sogar ihre Schuhe ausziehen. Verwunderlich aber ich fliege ja nicht so oft. Das kam mir alles ein bisschen übertrieben vor. An dieser Stelle weiß ich noch nicht, dass ich beim Umpacken meiner Handtasche im Urlaub eine Nagelfeile finden werde oder bei der Sicherheitskontrolle vor dem Rückflug selbst die Schuhe ausziehen muss aufgrund der metallischen Verzierungen. Aus meiner Perspektive sehe ich meine Schuhe nicht so oft bis hin zur gar nicht, da kann man so was schon mal vergessen. Was ich an der Stelle aber weiß, ist, dass ich vor dem Rückflug in meinem eigenen Rollstuhl zum Flugzeug gefahren werde, ohne terroristische Anschläge meinerseits. Rein hypothetisch, was könnte ich mit Schuhen und einer Nagelfeile im Flugzeug anfangen? Ich bin noch die MacGyver Generation. Aber vielleicht schreibe ich ein anderes Mal was drüber. Und wäre ein Rollstuhl im Gepäckraum wirklich eine gefährlichere Waffe?

Und dann zum Flugzeug. Der Vertreter des Behinderten-Kompetenz-Teams fuhr mich so schnell weg, dass ich von denen, die ich kannte getrennt wurde und plötzlich hatte er noch was zu erledigen und ließ mich stehen. Ganz alleine, das Boarding war schon abgeschlossen. Also stand ich ganz alleine am Gate in einem Rollstuhl, den ich nicht bedienen kann. Wozu hat man eine Assistentin, wenn es nicht selbstverständlich ist, dass die einen immer begleiten kann? Ich hatte schon Angst, dass meine Sippe denkt ich wäre drin, einsteigt und davonfliegt. Aber irgendwann kam er dann wieder. Und wieder panisch und schnell wurde ich zum Flugzeug gefahren. Dann kam da noch so ein Zivi-Verschnitt weil ich noch in das Flugzeug getragen werden musste. Ich weiß, es gibt Zivis nicht mehr, aber das vergesse ich gerne an dieser Stelle. In der Schule hatten wir damals auch ganz viele Zivis. Und das war dann eine ganz besondere Art der Motivation und des Engagements. Vielleicht werden diese Mitarbeiter am Flughafen nicht ausreichend bezahlt oder gewürdigt. Aber dann ist es ganz sicher mein Verschulden nicht. Also verstehe ich auch nicht, wieso man mir das Gefühl geben muss, dass man alles lieber tun würde als mich umzusetzen und warum ich Diskussionen mitanhören muss, wer wie wann wen oder auch mich heben muss.

Im Flugzeug angekommen und gestartet hat man eine ganze Weile um darüber nachzudenken, ob es nicht besser gewesen wäre zu Hause zu bleiben. Vielleicht sollte der Dortmunder Flughafen vorne an den Türen große Schilder mit durchgestrichenen Rollstühlen anbringen. Das wäre im ersten Moment schockierend, aber immer noch besser als im Nachhinein unverschämt. Das gibt mir immer viel zu denken vielleicht könnten auch Gerätschaften diesen Mitarbeitern helfen, aber die Idee hatte man seit Jahren nicht. Vielleicht sollte ich es auch nicht persönlich nehmen, gehören tut es sich trotzdem nicht. Ich fühle mich wie ein Passagier zweiten Klasse. Oder Mensch? Es macht mich unheimlich traurig, seltsamerweise nicht aggressiv, vielleicht kommt es noch von Flug zu Flug. Aber resignieren ist auch keine Lösung. Und was soll ich dann also tun? Die Allzweckwaffe in Form von dem Rollstuhl im Gepäckraum zum Einsatz bringen? Dafür müsste man erst mal einen Rollstuhl im Gepäckraum haben…

Am Zielflughafen, wie es sich herausstellte, gab es zwei Rollstuhlfahrer in diesem Flugzeug. Und am Zielflughafen neigen sie dazu die Rollstühle beim Aussteigen parat stehen zu haben. So war es auch für den anderen Rollstuhlfahrer. Für mich leider nicht. Es stellte sich heraus, dass mein Rollstuhl trotz seines hübschen Stickers in Dortmund blieb. Und das bei all dieser Gründlichkeit. Die Sache ging dann aber glimpflich für mich aus. Der Flughafen stellte mir einen Rollstuhl und am nächsten Tag kam ein Kurier mit meinem eigenen. Was soll ich dazu sagen? Kann mal passieren. Alles andere fand ich witzigerweise nerviger. Und was heißt es für eine Fluggesellschaft, wenn ich im Reklamationsbüro am Eingang gefragt werde, ob ich mit Ryanair geflogen bin. Wenn ich dann also antworte, nein mit Wizz Air, und man völlig erstaunt ist, dann kann ich davon ausgehen es war ein dummer Zufall und eine Ausnahme. Und als ich wieder kam, hatte ich weniger Unlust aufs Büro als auf den Dortmunder Flughafen. Und siehe da, ein reibungsloser Ablauf, freundliche Mitarbeiter und ein Fünkchen Hoffnung für die nächsten Male.


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