Von wegen “grüner Daumen”

Früher habe ich das Märchen vom grünen Daumen auch noch geglaubt, ja, ich habe es gar weitererzählt. Als unwiderlegbaren Beweis für seine Existenz führte ich die Jericho-Rose an, die unter meiner Aufsicht zu schimmeln begann. Klagten andere über ihren farblosen Daumen, nickte ich verständnisvoll und tröstete, mir ginge es genau gleich. Heute nicke ich nicht mehr, ich spreche auch keinen Trost mehr aus, ich denke nur noch “bla, bla, bla”.

Es ist nämlich so: Den Pflanzen ist es vollkommen egal, ob der Daumen grün ist oder nicht, solange sie deine volle Hingabe haben, gedeihen sie prächtig. Wasser, wenn ihnen danach steht, weder zuviel noch zu wenig, Sonne, aber bitte auch davon nicht zuviel, den richtigen Boden, nur die Tierchen, die ihnen nicht schaden und dann dulden sie noch nicht mal jeden beliebigen pflanzlichen Nachbarn. Da reicht irgend so ein magischer grüner Daumen nicht aus, ohne leidenschaftliche Liebe zu den kleinen, rätselhaften Wundern wird nichts aus der Sache. Liebe und ziemlich viel Einsatz, Tag für Tag, damit ihnen die Schädlinge nicht zu nahe treten, das Wetter nicht die Laune verdirbt und die unerwünschten Nachbarn ihnen nicht den Lebensraum streitig machen. 

Nachdem ich nun über Jahre geübt habe, kleinen, anspruchsvollen Wesen meine ganze Liebe und Hingabe zu schenken, damit sie gedeihen können, ist es plötzlich gar nicht mehr so schwierig, mit den zarten Pflänzchen ähnlich umzugehen. Darum gedeihen sie wohl auch, obschon ich noch immer keinen grünen Daumen habe.

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