Von Rippen und Eiern – ‘Social Skin’ auf der Studiobühne

Von Rippen, ein Eiern

Die Werkstattinszenierung ‘Social Skin’ auf der Studiobühne

Eine Produktion auf der Studiobühne. Das heißt in der Regel vertraute Gesichter vor, hinter und auf der Bühne. Mehr oder weniger gelungene studentische Zugriffe und Darbietungen aktueller oder klassischer Dramen; selten eigene Stückentwicklungen oder gar Performances. Die Hoffnung, dass die gefühlte die tatsächliche Vorstellungsdauer nicht um ein Vielfaches übersteigt. Oft die ernüchternde Erkenntnis, dass es sich doch nur um (schlechtes) Laientheater handelt. Und jedes Mal wieder die Hoffnung, dass es diesmal vielleicht anders ist. Diesmal ist es anders. Nicht nur, weil es sich bei Social Skin um eine Stückentwicklung handelt.

Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer und Küche. Gummipuppen, die von der Decke hängen. Ein großer Spiegel, der nicht nur der Einen Angst (Theresa Schlichtherle) die Möglichkeit zur ausgiebigen Selbstbetrachtung bietet, sondern auch die Teilnahme des Publikums am Bühnengeschehen dokumentiert. Der Andere Mann (Jasper Schagerl) und Partner (Jan Beller) necken und knutschen sich vom Sofa ins Bett, während Die Andere Hybris (Melina Pyschny) sich in der Küche ein Frühstück bereitet und der Eine Held (Sebastian Huber) von seinem Platz auf dem Gestänge rechts von der Bühne darauf wartet, dem Publikum die Bühnengestalten als „letzte Überlebende“ vorzustellen.

Diese fünf Überlebenden küssen, reden, sehnen sich zueinander und voneinander weg. Sie beweisen sich und dem wechselnden Gegenüber, -mal poetisch, mal pseudo-politisch- ihre Gewalttätigkeit, ihr Begehren und ihre stete Suche nach dem Sinn und Ziel ihrer Existenz. Das bunte Treiben gipfelt an der Rampe, in der Weitergabe eines Kusses und der anschließenden Behauptung, dass der Mord am Nebenmann das einzig verbindende Moment zwischen den Figuren sei. Kurz ist die vermeintliche Aussicht auf einen nun folgenden linear erzählten Plot. Zu My heart is beating like a jungle drum nehmen die Darsteller Anlauf, um das Tempo zu erhöhen und mit einer Rippe und einem Ei unaufhaltsam auf die Frage zuzusteuern: „Du hast mir Leben eingehaucht und dann?“ Der Frager nimmt ein blutiges Ende. Die mantraartig wiederholte Floskel „Vergib mir“ verhindert nicht den Mord am Nachbarn, Partner oder Selbst.

Wenn Gummipuppen das Bühnenbild mitprägen, wird Sex oder zumindest nackte Haut erwartet. Nackte Haut gibt es zu genüge. Das kann gerade im Laientheater schnell peinlich werden, sowohl für den Darsteller, der sich ausgestellt fühlt, als auch für denjenigen Zuschauer, der dem Unwohlsein gezwungenermaßen beiwohnt. Bei Social Skin ist das zum Glück nicht der Fall. Bunte Hosen bei den Herren und hautfarbene Sets bei den Damen sorgen für echte Hingucker. Der ungezwungene Umgang mit der spärlichen Bekleidung sowie den Spielpartnern gelingt so gut, dass man sich fragt, warum beim Duschen nicht konsequenter Weise auch die letzten Hüllen fallen.

Die wiederkehrende Motivik und kurzen Repliken des Textes von Theresa Seraphin lassen mitunter den Schreibstil von Roland Schimmelpfennig assoziieren. Neben der ihm eigenen, manchmal überraschenden Poesie schöpft der Text seine Kraft aus einer gelungenen Umsetzung durch die Akteure.

Das Ensemble ist gut aufeinander eingespielt. Kleine Pannen werden unaufgeregt kompensiert und bis auf wenige Ausnahmen, ist die Vorstellung akustisch gut verständlich. Jeder trägt einen unverkennbar individuellen Teil zum Abend bei. Bei Sebastian Huber ist es, neben der angenehmen und gut verständlichen Stimme, die Darstellung eines Affenbabys, die im Gedächtnis bleibt. Jan Beller gelingt als Die Puppe eine überzeugende, weil konsequent gespielt und täuschend echt nachgeahmt, Darstellung eines Roboters. Jasper Schagerl überzeugt als die blonde Hälfte eines homosexuellen Päarchens und verhindert damit das bei schlechter Darstellung eintretende Fremdschämen. Melina Pyschny Präsenz und ihr direkter Bühnensprech tragen einen ebenso wichtigen Teil zu diesem unterhaltsamen Abend bei.

Uhrenvergleich. Die gefühlte Vorstellungsdauer entspricht fast der tatsächlichen. Theresa Schlichtherle hat ganze Arbeit geleistet. Den Ausflug zur Quelle, und die 15 Minuten, die dieser Umweg verursacht, hätte es nicht mehr gebraucht, aber im Vergleich zu anderen Projekten ist das wohl zu vernachlässigen.


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