Von Luxusweibchen und Opfermännlein… Die Mitschrift einer Zuhörerin:
Heute, 26. Oktober 2010, Thea Dorn liest im Haus der sozialen Dienste oder ehemals Gewerkschaftshaus. In Erfurt. So mehr oder weniger zentrumsnah, schwer einzuschätzen, hab Geo abgewählt. 20 uhr.
Mittlerweile 2 Minuten Verspätung. Mann macht Ansage, die mich nicht interessiert. Erfurter Bücherfrühling – bäh. Well, we will see. Oh, intellektueller Witz – wäre mir beinahe entwischt. Saal brüllt vor Lachen, na, das kann ja was werden. Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass sich hier die gesamte intellektuelle Elite Erfurts versammelt hat. Herrlich.
Rote und grüne Kordhosen blitzen unter etlichen Stühle hervor, dicke, reich verzierte Brillen und hoch gesteckte oder kurz gehaltene, zu früh ergraute Haare. Allein vom Publikum her ist mir Frau Dorn schon jetzt unsympathisch, aber man will ja tolerant sein. Mann verlässt Bühne. Applaus. Applaus für Werbung, das Leben kann so einfach sein.
Zwei Frauen betreten die Bühne, eine davon Thea. Mit blonder Power-Haarpracht und um einiges weniger prüde als erwartet. Das Leben steckt voller Überraschungen. Moderatorin, angeblich selbst Schriftstellerin, stockt beim Reden. Lieblingswort „ähm“. Das könnte sogar ich besser, aber lieber die Klappe halten, denn mit so etwas spaßt man nicht. Thea weiß nicht, wohin sie gucken soll, begnügt sich mit Mikro zurecht rücken und Haare zurück streichen. Nächster intellektueller Witz, den ich leider schon wieder nur belächeln kann. Neues Stichwort: neuer Feminismus. Lassen wir das erst mal so stehen…Analphabetismus in Sachen Streit
Eines der ersten Stichworte der Frau Dorn und eine nette Umschreibung. Pluspunkt. Sie beschreibt das heute Gängige in der Politik: Ein Eis für alle Kinder, anstatt richtige Erziehung und Ansprechen aller Themen. Und Streit. Echten Streit. Sie plädiert für den Erhalt oder besserenfalls eine Weiterentwicklung und Verbesserung der offenen Gesellschaft. Jeder muss seine eigene Verantwortung selbst tragen, doch heute legt sich niemand mehr mit niemandem an. [Mitschrift unleserlich] Zitat Frau Dorn: „Ich suche keinen Streit, ich finde ihn“. Dann los:
Einwurf: Froschkönigin. Die moderne Frau ist mit sich selbst unzufrieden, aber sie hofft auf Erlösung durch einen Märchenprinzen, anstatt sich selbst auf den Weg zu machen. Frauen wollen nicht für sich selbst sorgen, nicht unabhängig sein, obwohl sie so lange und noch immer in so vielen Teilen der Erde erbittert darum kämpfen.
Kleine Auffälligkeit: Frau Dorn erzählt Geschichte einer Journalistin, die eigentlich lieber etwas anderes machen würde. Publikum lacht höhnisch oder ironisch, je nachdem. Publikum findet es offenbar nicht erstrebens- oder überhaupt anerkennenswert, wenn eine Frau heutzutage Yoga-Lehrerin ist oder im Besitz eines Weinladens. Dazu keine weiteren Anmerkungen…Weiter im Text: Frauen wissen nicht, was sie tatsächlich wollen. Man macht zu viele Erfahrungen, Frust staut sich, die Angst nagt vor beidem, davor, etwas zu verpassen und davor, schlussendlich unfrei zu sein und/oder in alte Rollenklischees zu verfallen. Experten, vielleicht war es auch nur ein einziger, bezeichnen dies als „quarter life crisis“. Einfallsreich.
Nun das Gegenbeispiel: Die Herren der Schöpfung, in beschriebenem Moment als Männlein im Walde beschrieben, auch Opfermännchen. (Die Frauen im Gegensatz „Luxusweibchen“.) Opfermännchen leiden an Peter Pan-Syndrom, wollen und können nicht erwachsen werden und feiern im gesetzten Alter noch nächtelang mit „Frauen, wundervollen Frauen“. Vielleicht waren diese auch wunderschön, ich weiß es nicht mehr.
Insgesamt liegt die Schwierigkeit in der Existenzfreiheit. Diese ist trotzdem die Beste und in ihr liegt der besondere Reiz des Lebens. Hier stimme ich Frau Thea Dorn aus vollem Gewissen zu.
Zum Schluss ein fiktives Gespräch mit Angela Merkel. Warum die zur „Kanzlerin aller Deutschen“ werden wolle. Und was sie bis dato gewesen sei, die Lösung lautet eine „Kanzlerin der Mitte“. Jetzt also „aller Deutschen“ und die Art und Weise, wie sich Frau Dorn mit ihrer Kanzlerin über die Absenkung des Niveaus in allen Bereichen und das Fehlen dessen, was die Deutschen tatsächlich zusammenhalten lasse, unterhält, ist wirklich unterhaltsam.
Danach ist erst mal Schluss. Frau Moderatorin stellt Frau Dorn einige Fragen, Gespräch plätschert etwas dahin. Frau Dorn erkennt Stimmung des Publikums richtig und beendet Lesung in wundervoll liebenswerter und zugleich schlagfertiger Art. Nun könnte man sich noch ein Buch signieren lassen. Ich verschwinde lieber sofort, komme mir schon ein wenig vor wie normalerweise in der Schule… Aber hier bin ich privat, da ist alles anders…
Schlussendlich eine interessante Veranstaltung mit einer glänzenden und diskutierenswerten Thea Dorn, einem aktuellen, brisanten Thema und einem Publikum, das so gar nicht zu meinem sonstigen Umgang passt.
Das lasse ich vorerst unkommentiert, ich denke, es steht alles im Text.
Viel Spaß bei der weiteren Erfurter Herbstlese :]