Von Kraft-Orten und küssenden Elchen

Unterwegs mit dem Wohnmobil - Reisemomente in Schwedens Süden

Krimifans kennen natürlich Ystad. Auch wir zählen dazu. Schwermütig und abweisend stellen wir uns die Stadt vor. Die düstere Atmosphäre der Krimis und das mürrische Wesen von Kurt Wallander haben wohl zu dieser Erwartungshaltung beigetragen. Jetzt bummeln wir durch die pittoresken Gassen und sind völlig überrascht von der entspannten Atmosphäre des idyllischen Städtchens. Dreihundert denkmalgeschützte Fachwerkhäuser gibt es hier. Außerdem ein ehemaliges Kloster mit malerischem Teich und ein Theater mit interessantem Spielplan.

Adrett, bunt und blumengeschmückt präsentiert sich Ystad. Auch die Bewohner strahlen heitere Gelassenheit aus. Nichts scheint sie aus der Ruhe zu bringen. Auf einer Wiese spielt eine Schar Kinder. Wild und laut geht es dabei zu, und natürlich gibt es irgendwann auch Tränen. Die Eltern schauen Eis schleckend zu. Ein aufmunterndes Lächeln hier, ein kritischer Blick da - mehr ist nicht nötig, um den Nachwuchs wieder in die Spur zu bringen. Am Hafen von Ystad finden wir einen wunderbaren Übernachtungsplatz. Wir sind mit dem Reisemobil unterwegs auf einer Rundreise durch Schweden. Bis hinauf nach Lappland soll es gehen. Ob wir das schaffen, wo es schon im Süden so viel zu entdecken gibt?

Unweit von Ystad, oberhalb des Hafens von Kåseberga, thront Ales Stenar, die größte erhaltene Schiffssetzung Schwedens. Die Grabanlage ist etwa 1000 Jahre alt und umfasst 59 massive Steinblöcke in Form eines 67 Meter langen und 19 Meter breiten Schiffes. Die Leute aus meinem Yoga-Zentrum zu Hause würden die Lokation einen „Kraft-Ort" nennen, und tatsächlich umgibt die Anlage eine eigentümliche Atmosphäre.

„In Simrishamn ist Nordeuropas größter Weinproduzent angesiedelt", lese ich vor. Wir stutzen. Ein Winzer in Schweden? „Wie sollen denn bei den Temperaturen Reben gedeihen? Der Wein muss ja fürchterlich schmecken", lacht Peter. „Der Großteil der Produktion, von insgesamt 24 Millionen Liter im Jahr, wird in Schwedens Alkoholläden verkauft, aber etwa 10% werden exportiert", zitiere ich weiter. Ungläubig schauen wir uns an. „Ah, hier kommt die Erklärung: Der fermentierte Saft wird aus verschiedenen südlicheren Ländern angeliefert und reift dann in Tanks oder Eichenfässern heran."

Da halten wir uns lieber an den Cidre aus Kivik. In dieser Region gibt es europaweit die beste Erde für Äpfel, also bestimmen auch Apfelplantagen das Landschaftsbild. Alte Bäume mit niedrigem Wuchs, neben vielen Neuanpflanzungen. Stangen geben den jungen Bäumchen Halt. So entstehen ganze Felder aus Holzstützen, die im Vorbeifahren immer wieder neue Muster bilden. Gleichmäßige, akkurate Reihen lösen sich allmählich fächerartig auf, um sich schließlich in einem Chaos aus Stangen zu verlieren.

Übrigens, wir müssen unsere eher negativ geprägte Einstellung zu unserem Navigationsgerät überdenken. Mit einer lässigen Selbstverständlichkeit spricht es nämlich Kivik wie „Tschivik" aus, so als hätte es ein Glas zu viel getrunken. Zuerst geben wir uns amüsiert, denn der kleine technische Schelm hat uns ja schon des öfteren zum Lachen oder Verzweifeln gebracht. Am Abend blättere ich in meinem Sprachführer und muss kleinlaut zugeben: Unser Orientierungsgenie ist außerdem ein Sprachwunder. Im Schwedischen wird das „K" vor „Ä, Ö, E und I" tatsächlich wie „Tsch" ausgesprochen.

Der Strand bei Åhus ist wirklich fantastisch. Kilometerlang, menschenleer, feinsandig. Hinter den Dünen liegen verstreut einige Ferienhäuser. Bescheiden erzählen sie von beschaulichen und heiteren Urlaubstagen. Über allem liegt Ruhe und würziger Kieferduft. Der altmodische Begriff „ Sommerfrische " kommt mir in den Sinn. Hier würden wir gern ein paar Tage verweilen, ausgedehnte Strandspaziergänge machen, auf der Düne sitzen, die Seele baumeln lassen. Obwohl momentan der Ferienbetrieb noch auf sich warten lässt, ist das Übernachten auf den Parkplätzen leider grundsätzlich verboten. Aber mit den Campingplätzen der Umgebung können wir uns nicht so recht anfreunden, und so verlassen wir schweren Herzens dieses idyllische Fleckchen Erde.

Gemeinsam sind den Städten und Dörfern im Süden Schwedens ihre Adrettheit und bürgerfreundliche Infrastruktur. Gepflegte Grün-, Freizeit- und Sportanlagen, Parks, bunte Blumenrabatten. Sogar die relativ unattraktive Stadt Karlshamn hat eine ansprechende Promenade entlang der Küste. Dort entdecke ich nach längerem Suchen, versteckt zwischen Büschen, das Auswanderungsdenkmal. Es erinnert an Karl-Oskar und Kristina aus dem Roman „Die Auswanderer", durch den die Stadt und ihr Hafen bekannt wurde. Während der Blick des Mannes über die See in die Ferne schweift, schaut die Frau zurück. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wanderte etwa ein Viertel der schwedischen Bevölkerung nach Amerika aus. Björn und Benny von den Abbas haben aus der Romanvorlage das Musical „Kristina aus Duvemåla" gemacht.

Auch Kalmar bietet eine hübsche Innenstadt und wunderbare Parkanlagen. Wir machen einen ausgedehnten Spaziergang, besichtigen das Schloss und ziehen weiter.

Bis Mönsterås sind es nur wenige Kilometer. Wieder eines dieser netten, verträumten Städtchen. Rad- und Spaziergänge führen in das Naturschutzgebiet, das als Vogelparadies gilt. Um die kleine Schilfinsel vor dem Hafen kreisen unaufhörlich Lachmöwen. Erst lange nach Sonnenuntergang verstummt ihr Kreischen. Meer und Himmel verschmelzen im Blau.

Småland - das sind dichte Wälder mit Teppichen aus Heidel- und Preiselbeeren, stille Seen, das Glasreich und natürlich Astrid Lindgren. Neu für mich ist, dass hier das Sicherheitsstreichholz und auch die Wäscheklammer erfunden wurden. Ein anderes Wahrzeichen Schwedens ist der Elch, und den soll es in Smålands Wäldern häufig geben. Doch die größte Hirschart Europas ist scheu und so haben wir leider keines dieser imposanten Tiere entdeckt. Obwohl es bis zu 800 kg wiegen und daher wohl kaum übersehen werden kann. Anfang des 19. Jahrhunderts war die Population durch starke Bejagung fast gänzlich ausgestorben. Heute scheint sie sich so gut erholt zu haben, dass an vielen Straßen vor möglichem Wildwechsel gewarnt werden muss. Oder ist das nur eine geschickte Marketingstrategie des Ministeriums für Touristik, um die vergeblich Ausschau haltenden, enttäuschten Urlauber in einen der zahlreichen Elchparks zu locken? Eine Besucherin erzählt uns begeistert von ihrer Elchbegegnung im Park: „Eines der Tiere hat mir sogar einen Keks aus den Lippen genommen und mich geküsst." Wir legen auf solch possierliche Spiele keinen Wert.

Direkt an einem großen See finden wir einen netten Naturcampingplatz für unseren Urlaub mit dem Wohnmobil in Südschweden. Genauso hatten wir uns Camping in Schweden immer vorgestellt. Die einzelnen Stellplatzbuchten liegen verstreut und versteckt im Wald, der nächste Nachbar ist weit entfernt. Üppige Vegetation, niedriger Mischwald aus Kiefern, Fichten, Eichen und wenigen Ahornbäumen. Darunter wächst ein Dickicht aus Büschen, Farnen und Moosen. Auf Lichtungen leuchten Flecken bunter Blumen. Und immer wieder Ginster in voller Blüte. Kleine Farne wachsen auf einem rundgeschliffenen, moosumhüllten Stein und geben ihm das Aussehen eines grünen Riesenigels.

Schon um fünf Uhr ist Peter am nächsten Morgen mit der Kamera unterwegs. Die „ weißen Nächte " haben unseren Rhythmus völlig durcheinandergebracht. Nur für ein paar Stunden verschwindet die Sonne hinter dem Horizont. Eine seltsame Lichtstimmung. Weder hell noch dunkel. Die Farben sind zwar erloschen, aber es fehlt die Schwärze der Nacht. So früh am Morgen scheint der See - noch schlaftrunken - nur ganz langsam aus dem Morgennebel aufzutauchen.

Wenig später haben dunkle Regenwolken ihn erneut eingehüllt und umklammern ihn eifersüchtig den ganzen Tag. Es regnet in Strömen und das ununterbrochen. Immer mal wieder schaut ein Fetzen Blau aus dem Grau des Himmels, aber es ist ein aussichtsloses Aufbegehren. Von den Bäumen trieft das Wasser und der Waldboden wird zunehmend sumpfig. So nass wirkt die schönste Idylle traurig und trübe. „Lass uns ein paar Glasbläsereien besuchen. Das ist das Beste, was man bei diesem Wetter machen kann", schlage ich vor. Småland zählte früher zu den ärmsten Gegenden Schwedens. Der Boden war karg und ließ kaum Landwirtschaft zu. So entstanden nach und nach viele Glashütten. Die erforderlichen hohen Temperaturen lieferte das Holz der Wälder, das Know-How brachten die eingewanderten Böhmen mit.

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