Heute ist Weltfrauentag. Es ist gut und wichtig, immer wieder auf die weltweite Unterdrückung und auf die Gewalt gegen Frauen hinzuweisen. Daher hat dieser Tag eine wertvolle Funktion. Glücklicherweise leben wir in einem Land, in dem Gleichberechtigung und die persönliche Freiheit von Frauen ein hohes Gut sind. Auch wenn es sicher noch Verbesserungsbedarf gibt. Für mich ist dieser Tag ein Anlass, über mein Frau sein nachzudenken.
Gedanken als Quereinsteigerin
Als Frau mit männlichem Migrationshintergrund bin ich anders sozialisiert worden, als es Mädchen und Frauen gemeinhin werden. Ich weiß nicht, ob mein Vater damals solchen Wert darauf gelegt hätte, dass ich studiere, wenn er gewusst hätte, dass er eine Tochter und keinen Sohn hat. Er hat es leider nie erfahren und so kann ich nur mutmaßen, dass es wahrscheinlich nicht so gewesen wurde. Ich bin aufgewachsen mit dem steten Druck, mich beweisen zu müssen. Auch wenn ich dies als eine Höllenqual empfunden habe, so hat es mich auch stark gemacht. Allerdings musste ich dann im späteren Leben als Frau lernen, nicht jeden Mann als Konkurrenten zu sehen, dem ich zeigen musste, wie stark ich bin. Ich glaube, ich habe im Laufe der Jahre diverse Männer ziemlich erschrocken. Also, könnte ich daraus den Schluss ziehen, ich sei keine richtige Frau? Oder führt der Umstand, dass ich keine Kinder bekommen kann und mich auch nie dieser Entscheidung stellen musste, dazu, dass ich keine richtige Frau bin?
Was ist eine richtige Frau?
Diese Frage hat mich zugegebenerweise lange intensiv beschäftigt. Das Frauenbild ist so vielfältig und extrem geprägt von kulturellen Ansichten. Fragt man einen arabischstämmigen Menschen, was für ihn eine Frau ausmacht, dann dürfte sich das Bild durchaus vom dem unsrigen unterscheiden. Dazu wird uns in den Medien ein sehr klischeebehaftetes Frauenbild präsentiert. Frauen sind »authentisch«, wenn sie schön aussehen wollen, sich von Kränen herabhängen und dabei ein ausdrucksstarkes Gesicht machen, wie in der letzten Folge von »Germanys Next Top-Model«. Oder sie reißen sich zu zehnt um einen Bachelor. Aber wir haben auch eine Kanzlerin. Andere Frauen kämpfen darum, sich ein Kopftuch umbinden zu dürfen, obwohl dies ein Symbol der Unterdrückung der Frau ist. Gibt es die richtige Frau überhaupt?
Vielfalt lässt sich nicht eingrenzen
Es kam der Zeitpunkt, an dem ich erkennen musste, ich werde die Frage, ob ich eine richtige Frau bin, nie beantworten können, denn es gibt die »richtige« Frau überhaupt nicht. Allein der Ausdruck ist bereits eine Wertung, die suggeriert, es gäbe auch falsche Frauen. Und so viel weiß ich: Eine falsche Frau bin ich nicht. Es gibt Frauen in allen Formen und Farben und alle sind sie für sich toll, wie sie sind. Ich bin eben eine, die eine tiefere Stimme hat, perfekt einparken kann und manchmal dazu neigt, den Männern zu zeigen, wo der Hammer hängt.
Die Freiheit, zu sein, wie man mag
Es ist ein großes Glück, in einem Land zu leben, in dem ich und alle anderen Menschen so leben können, wie sie mögen. Bedauerlich ist, dass einige Menschen - und da sind es nach meiner Erfahrung erschreckend oft Frauen - sich Zwängen zu schnell unterordnen. Vielleicht liegt es an der Sozialisation, die bei mir, wie schon gesagt, anders war, dass mir dies so deutlich auffällt. Für mich ist es absolut unverständlich, dass eine Frau freiwillig Kopftuch trägt oder sich gar verhüllt. Für mich ist es ebenso unverständlich, dass eine Frau freiwillig einem Bachelor nachjagt. Aber in einem freien Land darf jeder sein Ding machen. Dies bedeutet auch, dass niemand gezwungen ist, es einem anderen nachzumachen. Und erst recht nicht danach bewertet werden darf, wie sehr sie oder er sich solchen Vorbildern annähert.
Wenn ich eines gelernt habe, dann dass Frau sein nichts ist, was von außen kommt oder etwas, das an irgendwelchen Regeln festgemacht ist. Frau sein ist etwas in jeder Frau. Es ist einfach da. Unverrückbar und unzerstörbar. Ich wünsche allen Frauen dieser Welt, dass sie sich daran erinnern mögen und einfach ihr Ding machen.
Mein Gruß zum Weltfrauentag von Frau zu Frau.
Eure
Vera