Volkan Baydar im Interview über soziales Engagement, neue Projekte, das Musikbusiness

Volkan Baydar im Interview über soziales Engagement, neue Projekte, das MusikbusinessIm Vorfeld der phantastischen Veranstaltung „Gospel Train“ vom 11. November 2011 – Musik-Schlagzeile berichtete – führte Musik-Schlagzeile ein Interview mit Volkan Baydar, Sänger und Komponist der international bekannten Gruppe „Orange Blue“, die für „She’s Got That Light“ die Goldene Schallplatte und für ihr Debütalbum „In Love With a Dream“ Platin erhielt. Als erste deutsche Band schrieb und performte Orange Blue den Titelsong zum Disney-Film „Dinosaurier“ („Can Somebody Tell Me Who I Am“) und für den Hollywood-Film „America’s Sweethearts“ (Julia Roberts, Catherine Zeta-Jones, Billy Crystal, John Cusack) den Titelsong „The Sun on your face“.

Du bist nun zum dritten Mal bei „Gospel Train“ aufgetreten. Was bedeutet für Dich diese Zusammenarbeit?

Ich arbeit’ hier mit Kindern zusammen. Mit Kindern ist es immer super zu arbeiten, denn Kinder sind im Gegensatz zu einigen Erwachsenen, die schon ziemlich voreingenommen sind, … das merk ich, wenn ich unter anderen mit Profimusikern arbeite, mit sogenannten Profis. Das ist ganz schwer, sie zu bewegen, fröhlich zu sein. Es gibt Sachen, die machen sie schon seit Jahren so und das funktioniert auch so. Das ist bei Kindern – generell bei Kindern – anders und da seh‘ ich noch dieses Leuchten in den Augen und ich bilde mir ein, dass ich es dann auch selbst bekomme.

Ich merke, je älter ich werde, dass ich gerne mit Leuten, die mir generell Spaß machen, arbeite – abgesehen vom Geldverdienen, das muss man natürlich auch machen. Das hier ist mir sozusagen ein Herzensprojekt. Der Chorleiter ist ganz toll, macht das ganz klasse, bleibt immer spontan und sagt „Das kriegen wir schon irgendwie hin“ und das gefällt mir alles sehr (nickt kräftig mit leuchtenden Augen).

Im Dezember hast Du mehrere Gigs im Rahmen der „Orange Soul Acoustic Tour“. Was erwartet die Gäste?

So ganz genau weiß ich es auch nicht (lacht). Da bin ich sehr aufgeregt, weil ich hab erst einmal in meinem Leben mit einem Klavier ein Konzert gegeben, wo ein Gitarrist noch dabei war. Das hat uns so einen großen Spaß gemacht, dass wir gesagt haben, das kann man eigentlich jetzt ein paar Mal machen, um zu schauen, was da passiert.

Irgendwo auf meiner Homepage steht, dass man sich selbst überraschen muss, um nicht langweilig zu sein. Das mein ich genauso so wie es gemeint ist. Ich versuch mich immer zu verbessern. Ich geb zu, ich bin nicht der weltbeste Pianist, aber ich kann mich begleiten. Ich weiß ungefähr, was ich spiele und das wird … also ein Experiment wird’s nicht (lacht herzlich) … aber ja, es wird schon gut werden … glaub ich (lächelt bescheiden). Aber etwas bin ich aufgeregt, weil ich naja so in der Konstellation das das erste Mal mache. Das sind dann gleich drei, vier Termine hintereinander. Ich stell mir dann gleich vor, dass ich gleich am Anfang einige Sachen überhaupt nicht hinbekomme oder unsicher werde, aber alles was da passiert, da wird man draus wachsen, deswegen mach ich das eigentlich.

Für den Verein KinderLeben hast Du ein fantastisch bewegendes Musikvideo aufgenommen. Du bist auch Botschafter für KinderLeben e.V. Wie wichtig ist soziales Engagement für Dich?

Soziales Engagement hat man schon immer gemacht bei Orange Blue. Aber ich merk, dassVolkan Baydar im Interview über soziales Engagement, neue Projekte, das Musikbusiness es mir mit der Zeit immer wichtiger wird, das, was ich hab‘, zu geben. Es kommt nicht drauf an, ob man jetzt ein großer Star ist oder ob man kleine Brötchen backt. Das kann jeder in seinem Rahmen machen. Wenn mich jemand fragt, ob ich meinen Namen dafür hergeben kann, um irgendwas zu bewirken, wenn ich dann noch Leute mit meinem Namen anziehen kann, dann mach ich das! Denn ich glaub, wir haben viele Luxusprobleme, es läuft mal nicht gut, mal läuft es besser, aber wir haben alle eine Krankenversicherung, leben in Deutschland, das ist ein super Staat. Es gibt Leute, denen es nicht gut geht, und ich glaube, wenn das jeder in seinem Bereich macht, dann geht’s jedem Menschen auf der Welt besser. So einfach ist das (wirkt nachdenklich). Und wieder geht’s um Kinder! Also Kinder berühren mich eigentlich am allermeisten, weil die halt gar keine Schuld an irgendwas haben, weil sie naiv und frisch sind. Und eben kranke Kinder oder zum Tode geweihte Kinder sind … (atmet tief durch, um sich zu fassen) dann ist es sehr schlimm! Also jetzt hab ich auch ein eigenes Kind, jetzt ist es noch schlimmer geworden, und sowas muss man einfach machen für sie.

Als „Orange Blue“ hast Du in den USA Riesenerfolge gefeiert. Glaubst Du, dass es Musiker aus Deutschland schwieriger haben, in ihrem Heimatland erfolgreich zu sein?

(Schüttelt den Kopf) Zum ersten glaub ich, haben wir in USA nicht Riesenerfolge gefeiert. Das muss ich leider sagen. Ich hätte es mir gewünscht. Es ist ein Erfolg, dass wir einen Walt Disney Film vertont haben, und der ist europaweit gelaufen. Aber es ist sehr schwierig, in Amerika Erfolg zu haben. Ich glaub aber nicht, dass es nationenabhängig ist. Ich glaub auch, die sind voreingenommen. Zum Beispiel gibt es in L.A. eine Community. Wenn man da sagt „Ich bin Deutscher“, da hast Du es schwer. Das weiß ich. Aber alles, was man macht, alles hat zwei Seiten für mich. Immer wenn man es schwer hat, dann ist es so – und man kann auch so argumentieren, dann sollte man gerade das machen, um die Welt einen Schritt nach vorne zu bringen. Denn wenn‘s immer leicht ist … ich könnt jetzt auch sagen, ich engagier einfach einen Pianisten für den dritten, vierten und fünften Dezember, dann wär‘s leichter für mich, aber dadurch, dass es schwieriger wird … also was ich sagen will: Man könnte auch nach L.A. ziehen als Deutscher und sagen, ich möchte es hier schaffen, und es solange versuchen, bis die sagen „Mensch guck mal, der ist echt gut!“ Wenn man es schafft, dann hat man die Türen geöffnet für die deutsche Kultur vielleicht. Das bewert’ ich mindestens genauso so hoch als etwas, wo man persönlich – braucht man natürlich auch – Erfolg feiert, oder wenn Leute einem sagen „Du bist ganz toll, weil du es in der Türkei geschafft hast“. Ich bin Türke und deshalb ist es offensichtlich, dass ich es da nicht so schwer hatte.

Du bist mit englischen Songs bekannt geworden, singst aber auch deutsche Lieder, mit „Aradim“ erstmals auch Türkisch. Welchen Stellenwert hat Sprache für Dich in der Musik?

Sprache ist ja unabhängig von Musik. Für mich ist Sprache eine sehr … nun komm ich auf das Wort nicht (lacht herzlich) … die Phonetik ist anders zum Beispiel im Türkischen oder Englischen und Deutschen. Ich genieß es manchmal, das auszukosten. Es gibt türkische Songs – ich halt mich nicht für den besten türkischen Schreiber – aber es gibt türkische Songs, die berühren mich so sehr, weil sie eine bestimmte Wendung haben. Das klingt auch so. Es gibt zum Beispiel alte Balladen von Tarkan, wo ich denke, (holt tief Luft) wow das wird im Deutschen niemals so passieren. Das gibt’s auch andersrum. Es gibt schöne deutsche Songs, die sind dann mehr informativ. Diese Phonetik ist sehr wichtig und auch da hab ich den türkischen Song geschrieben, den find ich auch schön, dafür dass ich nicht so türkisch schreiben kann und da möchte ich auch noch dranbleiben. Im Grunde genommen ist alles, was einem berührt, richtig, find ich erstmals … ich versuch die Leute zu berühren.

An welchen Musik-Projekten arbeitest Du?

Ich mach jetzt auch ein deutsches Album. Damit fang ich jetzt an. Das ist das erste Mal, dass ich Deutsch schreibe. Da mach ich nächstes Jahr die Aufnahmen, denn viele Leute sagen mir: „Mensch mach doch mal was auf Deutsch, du hast sicherlich Erfolg damit.“ Aber ich hab‘s bisher nie gefühlt; ich hab nie wirklich gedacht. Aber jetzt ist die Zeit reif. Jetzt bin ich 40 und jetzt hat‘s irgendwann Klick gemacht. Ich hab schon zwei, drei Texte geschrieben für die Songs und ich find die gut – und daher mach ich es jetzt.

Das heißt, der Trick ist, erst das zu machen, wenn der Impuls da ist. Viele Leute glaub ich, – zumindest in meinem Umkreis – die suchen nach einer Marke, nach etwas was „klappen“ könnte, was erfolgreich sein könnte. Und das bring ich nicht. Also ich versuch‘s jetzt nicht, also ich mach jetzt kein deutsches Album, weil gerade die deutsche Zeit da ist, die schon seit zehn Jahren da ist! Aber wenn man es selber fühlt, es dann zu machen, dann bringt es man auch anders rüber. Dann wird’s auch eher erfolgreich, wenn man es dann rausbringt. Es hängt alles miteinander zusammen. Ich möchte unbedingt nächstes Jahr noch einen deutschen Song rausbringen – zumindest ist es geplant. Nagelt mich nicht fest. Denn wenn ich jetzt irgendwie zum Beispiel drei Monate Grippe habe … kann ja immer was passieren.

Du spielst auch Klavier, hast Schauspielunterricht genommen. Dein Bruder Tayfun ist bei GZSZ. Hat Dich Dein Bruder schon einmal bei einem Auftritt begleitet bzw. hast Du Deinen Bruder am Set besucht?

Volkan Baydar im Interview über soziales Engagement, neue Projekte, das MusikbusinessJa, wir haben uns besucht. Jetzt in letzter Zeit haben wir alle viel zu tun. Ich war auch an seinem Set und hab mir das angeguckt. In Berlin bin ich ja ab und zu. Gut, auf so einen Set war ich auch schon mal, das ist jetzt keine große Überraschung. Es ist mal interessant zu sehen, wie die Soaps da drehen, das geht nämlich superschnell. Tayfun war auch auf meinen Konzerten – natürlich (lächelt). Also immer wenn ich in der Nähe bin, kommt er auch. Ich glaub, wir bewundern uns gegenseitig. Das muss man aber als Bruder bzw. Geschwister nicht immer aussprechen.

Oftmals hört man, dass die Eltern nicht glücklich sind, wenn die Kinder Künstler werden. Wie war das bei Dir?

(ist erstaunt) Ja, das hör ich ehrlich gesagt zum ersten Mal, dass die Eltern nicht glücklich sind. Ich weiß, dass sie mich und auch Tayfun immer unterstützt haben, das haben sie. Und das ist für eine türkische Familie auch nicht selbstverständlich. Wir hatten mal eine kurze Verwirrung. Da hatte ich zum Beispiel ein Schulpraktikum im Krankenhaus gemacht, da ich mir in den Kopf gesetzt hab, Chirurg zu werden, obwohl mir beim Blutabnehmen schon schnell schlecht wird. Bis ich draufgekommen bin, dass mein Vater immer gesagt „Mensch such dir einen tollen Beruf aus, zum Beispiel Arzt oder Rechtsanwalt“. Dann hab ich mir das halt irgendwie einreden lassen. Aber meine Eltern haben mich immer unterstützt. Ich bin einfach so offen und frei, weil ich es von meinen Eltern so mitbekommen hab.

Gibt es für Dich ein musikalisches Vorbild, was inspiriert Dich bei Deinen Liedern?

Bei mir sind es selten neue Künstler, weil ich das Radiohören ein bisschen zurückgesteckt hab. Das sind meist diese Motown-Leute … die bewunder ich sehr! Es gibt zum Beispiel eine aus den 70er Jahren, die Soul Brothers, und das sind Typen, die auch auf der Bühne nicht drauf geachtet haben, wie sie aussehen, ob sie verschwitzt sind oder in die Kameras gucken, falls welche da waren, sondern einfach so machen aus dem Gefühl heraus. Das sind Leute wie Stevie Wonder! Ich bin ein großer Bewunderer von Stevie Wonder, weil er auch nicht darauf achtet. Der wackelt komisch mit seinem Kopf hin und her, vielleicht auch weil er blind ist, vielleicht hat er auch anderes Gefühl, er verstellt sich nicht. Heute geht der Trend mehr in die Richtung, dass man gut aussehen muss, oder einem wird gesagt: „Trag dies, weil das gerade in ist.“ Aber ich bin da nicht so. Ich kann das nicht, auch in Interviews Ich bin einfach ich selbst. Sicher wird einem am Anfang gesagt: „Gebt nicht alle Antworten. Sag dies, sag das.“ Aber das funktioniert bei mir nicht. Wenn ich nicht ein bisschen ich selbst bin und Leute um mich hab, die mich nicht unterstützen, dann kann ich das nicht und man sieht es mir sofort an. Und mir ist ganz wichtig, diese Authentizität zu bewahren in allen Bereichen.

Hast Du einen Glücksbringer, den Du bei Deinen Auftritten mithast? Wie gehst Du mit Aufregung vor einem Auftritt um?

Es kommt immer drauf an, was für ein Auftritt es ist. Also wenn ich „nur“ singen muss, dann hält es sich in Grenzen. Wenn dann noch Abläufe, wie zum Beispiel bei Gospel Train auch, da bin ich ja nicht alleine, das heißt, man hat als Solist auch die Verantwortung für 50, 100 Leute, die da mitwirken. Bei Orange Blue Auftritten haben wir alles so abgestimmt. Dann geb ich ein Handzeichen und dann machen wir den Refrain nochmal oder hören plötzlich auf und dann lachen wir uns tot und alle finden das lustig. Hier kann man es bedingt machen. Das ist so eine Art Konzentration, die ich haben muss. Also da bin ich schon ein bisschen aufgeregt und ich spiel auch Klavier bei einem Song, auch da bin ich ein bisschen aufgeregt.

Als Glücksbringer hab ich zurzeit ein kleines Matchboxauto, ein Feuerwehrauto, das ich in der Tasche hab und das gibt mir immer Kraft.

Wie würdest Du den Menschen Volkan Baydar beschreiben?

Ich kann jetzt nicht mit „gut“ und „schlecht“ dienen. Aber in allem was ich mache, versuch ich das Beste zu geben. Ich glaub, das, was mich ausmacht, ist weit entfernt von Perfekt sein. Ich tue vielleicht immer noch anderen ungewollt weh, aber ich versuch das zu vermeiden; meinen eigenen Weg zu gehen, versuche aber anderen nicht im Weg zu stehen; gut zu sein für meine Umwelt. Jeder der mich sieht oder mit mir zu tun hat, soll hinterher rausgehen und sagen „Mensch das hat mich gefreut, dass ich den gesehen oder mit dem gesprochen hab“, selbst wenn nach einer Uhrzeit gefragt wird. Da muss man natürlich sehr abstecken, wo die eigene Grenze erreicht ist. Ich neige zum Beispiel dazu, nicht Nein sagen zu können, und dann muss man einfach sagen, egal was die jetzt denken oder was passiert, ich muss zum Termin oder was auch immer. Diese Grenze – ich muss eher die andere Grenze für mich finden, mehr auf mich zu achten.

Wenn Du Wünsche frei hättest, welche wären es?

Okay, wir gehen mal davon aus, dass man nicht so was sagen kann wie, ich hätte nochmalsVolkan Baydar im Interview über soziales Engagement, neue Projekte, das Musikbusiness gerne zehn Wünsche (lacht aus ganzem Herzen).

Das erste wär, dass es meinem Sohn gut geht. Also dass er Mann wird und glücklich ist, weil das keine einfache Sache ist, weil ich wünsche ihm auch, dass es ihm zwischendurch nicht gut geht. Denn da sind so zwei Herzen in mir. Ich wünsch ihm natürlich ein schönes Leben, aber dass er nicht ganz leicht durchs Leben kommt, damit er auch mal bestimmte Sachen lernt, die ihn weiterbringen. Wünsch‘ mir aber auch, dass er immer wieder Fehler macht, aus die er dann wieder rauskommt. Eigentlich, dass es ihm so gut wie möglich geht und dass er halt lange lebt. Ein Herzenswunsch – ich mach auch kein Geheimnis daraus – er ist mir auch wichtiger als alle anderen … inklusive mir! Also seitdem er auf der Welt ist, ist alles ganz anders geworden.

Ich würd mir auch wünschen, dass ich für diese Welt gut bin oder alles, was ich mach, dass alles gut läuft. Wenn ich dann irgendwann tot bin, dass man sagen kann, okay ich hab jetzt nicht die Welt verändert, aber das ich in meinem Bereich das Allerbeste getan hab.

Musik-Schlagzeile dankt Volkan Baydar für das spannende und herzliche Interview, die ehrlich direkte und erfrischende Offenheit sowie für Tiefsinn und Witz bei den Antworten. Wir wünschen dem Menschen und Künstler Volkan Baydar weiterhin viel Erfolg!

Fotos, Recherche und geschrieben Heidi Grün


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