Liebes Internettagebuch,
heute habe ich geträumt:
Ich war in einem modernen, hell erleuchteten, seelisch bekömmlich betopfpflanzten working space, den ich mit mindestens vier Kolleginnen teilte, deren außerordentliche Attraktivität mir nicht entging. Gegenstand des juristischen Vortrags, den wir gebannt verfolgten, war der Kostenersatz für Aufwendungen auf die Erneuerung der Malschicht von an der Hausfassade außen angebrachten Holzpanelen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft, der unter bestimmten Umständen von der Stadt Wien im Umfang von bis zu hundert Prozent gefördert wurde. Keine triviale Angelegenheit, denn wie sich eindeutig aus der Außenwandholzlackkostenersatzverordnung der Bundesregierung ergab, war es dem Gesetzgeber ein besonderes Anliegen, nur biologisch abbaubare Außenwandholzlacke zu fördern.
Es stellte sich, wie durch den jungen und engagierten Vortragenden in eindrücklicher Weise glaubhaft gemacht wurde, ein praktisches Problem, das dieser Absicht zuwiderlief: Zwar seien in der Praxis sieben von elf Außenwandholzlacken biologisch abbaubar, allerdings sei es um deren Deckkraft denkbar schlecht bestellt. Hochtoxische Außenwandholzlacke besäßen die Eigenschaft, schon nach dem ersten Farbauftrag blickdicht zu wirken. Umweltverträgliche Außenwandholzlacke hingegen benötigten drei bis vier Malschichten, um zu einem vergleichbaren Ergebnis zu gelangen. Nun sei nach einem Erkenntnis des OGH – und bei rechter Betrachtung, so der Vortragende, Angestellter einer auf solche Belange hochspezialisierten Kanzlei, auch nach der herrschenden Lehre – der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Maßgabe des Kostendeckungsprinzips für die Bemessung des Kostenersatzes heranzuziehen.
Im Klartext sowie der Realität der Immobilienwirtschaft bedeute dies, dass nach einem starren Schlüssel von Litern Außenwandholzlack pro Quadratmeter abgerechnet werden müsse. Da für biologisch einwandfreie Lacke stets die vier bis siebenfache Menge in Anschlag gebracht werden müsse, würden de facto nur giftige Produkte im Umfang von hundert Prozent gefördert. Die eigentlich lobenswerte, weil ökologisch vertretbare, Intention des Gesetzgebers würde also durch mangelhafte Legistik und den österreichischen Föderalismus unterlaufen.
Freilich stellte sich dieser traurige Sachverhalt nicht in dieser Eindeutigkeit dar, vielmehr schreibe ich hier das Ergebnis eines langen Prozesses auf, der geprägt war von zahlreichen Verständnisfragen der Kolleginnen und schnell ins Konfuse abdriftenden Erklärungsversuchen meinerseits. Als wir auf die Rechtsnatur der Eigentümergemeinschaft und das Wesen des Kostenersatzanspruches gegen diese zu sprechen kamen, erwachte ich. Der Vortragende hatte insinuiert, es sei in manchen Einzelfällen vorteilhafter, die Gemeinschaft gründe einen gemeinnützigen Außenwandholzlackkostenersatzverein, der bei Bedarf in eine steuerlich begünstigte GmbH umgewandelt werden könne.
Fröhlich erwacht und den Tag im Bewusstsein verbracht, einen relativ komplexen Teilaspekt der menschlichen Gesellschaft schon bald verstanden zu haben.
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