Dass Südostasien bereits sehr früh von Menschen aufgesucht wurde, ist ja seit Langem bekannt. Der bedeutendste Vertreter der Altmenschen ist sicher der Javamensch. Auch die Funde von Flores, dem Hobbit, zeigen, dass es eine sehr dynamische Entwicklug vor dem Jetztmenschen gegeben hat. Homo sapiens sapiens tauchte dann in dieser Region vor knapp 60 000 Jahren auf, wie zum Beispiel die Funde in Laos (Tam Pa Lin) und auch in Australien (Malakunanja II) belegen. Vietnam stand bislang nicht so sehr auf dieser Liste. Es gibt einige Fundstellen im Norden Vietnams, die ein Alter bis zu 300 000 Jahren aufweisen, aber ältere Funde gab es bislang nicht, zum Beispiel in Lang Son und Nghe An.
Dies hat sich nun geändert. Das Museum für Geschichte veröffentlichte nun Funde im Tay Nguyen, dem Hochland im Westen Zentralvietnams, das sich an der laotisch-kambodschanischen Grenze entlangzieht. Steinwrerkzeuge, deren Alter auf circa 600 000 Jahre geschätzt werden, wurden in An Khe, Provinz Gia Lai, gefunden.
Südostasien gehört zu den Regionen, die vom Menschen zuerst besiedelt wurden. Homo erectus kam vor circa einer Million Jahren hier an. Allerdings fehlt hier der Übergang zum Neanderthaler, der eine rein europäische Form darstellt. Der homo erectus hat sich also in Asien erheblich länger gehalten als in Europa, wo er vom Neanderthaler verdrängt wurde. Der Flores-Mensch belegt zudem die Existenz von weiteren, isolierten Menschenformen.
Die Links führen zu englischen Artikeln. Einige Anmerkungen sind notwendig, denn so einiges, was in dem Tuoi Tre-Artikel steht, ist purer Blödsinn. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Archäologen vom Vietnam Institute of Archaeology so etwas von sich gegeben haben. Möglicherweise hat der Journalist beim Interview die sicherlich sehr freudigen Archäologen falsch verstanden. An Khe ist sicherlich keine "craddle of humanity". 800000 Jahre sind für die menschliche Entwicklung relativ wenig. Das Acheuleen und Abbevilien setzen sogar in Europa früher ein, von den afrikanischen Funden, die fast 6 Millionen Jahre zurückgehen ganz zu schweigen.
Ein zweiter Punkt ist die Datierung an sich. Die wurde nämlich nur durch Schätzen erreicht. Naturwissenschaftliche Daten gibt es bislang keine. Altpaläolithische Faustkeilformen liefen aber oft über jahrhundertausende. Der auf dem Bild dargestellte Faustkeil weist sicher Bezüge zum Acheuleen auf, aber ich bin kein Experte für diese Technokomplexe. Dass dieser Fund so hochgepuscht wird, mutet da schon ein wenig seltsam an. Naturwissenschaftliche Datierungen wären hier von Vorteil.
Nguyen Gia Doi spricht im letzten Teil eine Theorie an, die mindestens seit zehn Jahren als überholt gilt: die Movius-Linie. Movius postulierte einen sogenannten Faustkeilkreis im Westen, in Afrika und Europa bis nach Sibirien und den Himalaya-Raum, der einer Geröllgerätekultur in Ostasien entgegenstand. Neuere Forschungen haben jedoch auch die Existenz von Faustkeilen in Japan, Korea und China bestätigt, unter anderem in der erwähnten Fundstelle von Baise. Trotz einer anderen Dynamik in Südostasien finden sich also auch viele Formen, die es in Europa gibt. Ob es sich bei vielen Faustkeilen um "echte" Acheuleen-Keile handelt oder einfach um Analogien muss überprüft werden.
Die Funde von An Khe stellen sicherlich unser Wissen über das Altpaläolithikum in Vietnam in Frage. Die angekündigte Konferenz zu diesem Thema wird sicherlich etwas mehr Licht ins Dunkel bringen.
Links (sorry. Die Androidversion von Blogger ist mehr als umständlich)
http://baotanglichsu.vn/portal/vi/Tin-tuc/Khao-co-hoc-viet-nam/2016/04/3A924AC4/http://www.thanhniennews.com/arts-culture/traces-of-ancient-humans-found-in-vietnams-biggest-archaeological-discovery-60898.html
http://tuoitrenews.vn/features/34260/stone-age-artifacts-found-in-vietnam-archeologists