Vielleicht hat Occupy schon heute mehr erreicht als die 68er

Der Neoliberalismus ist noch immer sehr mächtig, aber schon lange nicht mehr erfolgreich. Warum, erklärt der britische Soziologe Colin Crouch

Auszüge:

Aber hätte die Krise nicht automatisch die Macht der Ökonomen eindämmen müssen? Als eine Art logische Konsequenz.

Ja, das wäre in der Tat logisch gewesen. Doch gerade die von den mächtigen Euroländern geforderte Austeritätspolitik in den Krisenländern zeigt: In schlechten Zeiten greift die Politik auf einfältige, plumpe neoliberale Denkmuster zurück. Es zeigt sich also mal wieder, dass der Neoliberalismus das Ergebnis einer Ideenlosigkeit ist.

Das schreiben Sie ja in Ihrem neuen Buch Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Darin sagen Sie auch, dass der Neoliberalisms aus der Krise gestärkt hervorging. Vielleicht ist er am Ende doch erfolgreich?

Das ist das Perfide: Weder war er noch wird er je erfolgreich sein. Aber der Neoliberalismus ist mächtig, das schon. Zwei Eigenschaften haben ihm geholfen, so populär zu werden: erstens stellt er, ähnlich wie der Marxismus, eine Art Gebrauchsanleitung dar, die nicht nur einfach zu lesen ist, sondern auch anwendbar erscheint. Es gibt nur einige, wenige Grundannahmen, und von denen ausgehend, kann man sich die Wirklichkeit so zusammenbasteln, wie es einem beliebt. Der Neoliberalismus ist einfältig und keinesfalls modern. Viel entscheidender aber ist: dass die neoliberale Politik zweitens die Interessen der Reichen, also Mächtigen, abbildet; der Neoliberalismus sagt schlicht, was sie zu hören wünschen. Und sie wollen hören, dass ihre Steuern niedrig bleiben, dass man keinen Arbeitnehmerschutz oder gerechte Löhne braucht. Sie wollen hören, dass der Abbau des Sozialstaats Wachstum generiert. Ich bin davon überzeugt: Würde der Neoliberalismus nicht genau das sagen, was die Mächtigen gutheißen, wir würden die Ansichten dieser Ökonomen überhaupt nicht beachten. Es geht um Macht, um Interessen, aber nicht um Erfolg.

Und die Politik schaut dabei nur zu?

Max Webers einst vorausschauende Beschreibung der Politik als Berufsfeld ist heute längst zur Realität geworden. Politiker haben meist ihr ganzes Leben nichts anderes als politische Karrieren verfolgt. Sie verlassen die Universität, arbeiten in parteinahen Think-Tanks und warten darauf, in ein parlamentarisches Amt gehievt zu werden. Oft sind das nicht mehr als political animals, die den Strukturen und Abläufen, die sie vorfinden, wenig entgegenzusetzen haben.

Aber ähnlich wie die Intellektuellen schweigen auch die meisten Universitätsprofessoren. Sie melden sich in gesellschaftlichen Debatten kaum mehr zu Wort.

Viele von ihnen durchlaufen im Moment eine Art fordistischen Prozess, wie ihn vor einem Jahrhundert viele Arbeiter erleben mussten. Der Druck wächst und ihre Arbeit wird an der Produktion von Artikeln in Fachzeitschriften gemessen. Nur das dient der Karriere. Das erschwert es freilich, überhaupt an allgemeinen, öffentlichen Debatten teilzunehmen. Junge Kollegen stehen nun vor der Wahl, einen solchen Artikel zu verfassen oder sich lieber in einer Debatte zu Wort zu melden. Die meisten entscheiden sich für ersteres und bleiben lieber still.

Wofür denn genau?

Das wirkliche Problem liegt nicht darin, dass es einen Mangel an Ideen gibt, sondern dass wir die Machtverhältnisse in einer globalisierten Welt mit deregulierten Finanzmärkten durchbrechen müssen. Die globale Finanzelite, dieser kleine Kreis von Menschen in abgeschotteten Bürotürmen, nimmt Einfluss auf andere Wirtschaftsbereiche und auf die Politik. Das muss zum Kernthema werden.

Um welche Punkte müsste es denn dabei konkret gehen?

Diese Gruppe von Geld-Spielern ist sehr selbstbewusst und fühlt sich uns überlegen. Sie sind davon überzeugt, dass sie das Geschehen in ihrem Sinne beeinflussen können. Der Rest sind für sie Marionetten. Aber dieser Rest ist groß; es müssen soziale Bewegungen sein, die dieser Elite vor Augen führt, dass es so nicht weiter gehen kann. Die Finanzeliten müssen einsehen, dass auch sie Kompromisse zu schließen haben. Die schlichten Spardiktate, wie sie zurzeit Griechenland erfährt, sind nicht nur zu simpel, sondern höchst unsozial. Wir müssen mit unseren alternativen Ideen erfolgreich sein; die Politiker müssen gezwungen werden zuzuhören. Natürlich sind die Forderungen der Bewegungen oft vage, aber sie erschaffen ein politisches Klima, in dem Alternativen formuliert werden. Für deren Umsetzung brauchen wir dann vor allem einen Schulterschluss der politischen Linken.

Aber in Amerika und England sind die Unis sehr stark mit der Privatwirtschaft verknüpft und werden von ihr finanziert. Gibt es dort eigentlich noch so etwas wie eine freie Lehre?

Diese zunehmende Offenheit der Universitäten gegenüber Wirtschaftsunternehmen verstört mich. Zumal das Besondere an dieser Macht doch ist, dass mächtige und einflussreiche Personen sie fast nie aktiv ausüben und direkt einsetzen müssen – es genügt, dass die anderen davon wissen. Das ist an den Universitäten nicht anders als anderswo und erschwert es deshalb ungemein, Einflussnahme konkret nachzuweisen und zu verstehen. Aber die Universitäten müssen sich immer fragen: Wie unabhängig sind wir?

Quelle und gesamtes Interview: http://www.freitag.de/politik/1223-vielleicht-hat-occupy-schon-heute-mehr-erreicht-als-die-68er

Streiche Neoliberalismus – setze Kapitalismus



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