Viele Patienten nehmen ihre Medikamente nicht ein

Hannover (apothekerkammer-nds - internet-zeitung) - Deutschland hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Wer krank ist, geht zu einem Arzt oder Apotheker und da der Patient schnell wieder gesund werden will, folgt er in der Regel den Anweisungen. Die Realität ist eine andere: 50 Prozent der Patienten nehmen bei Langzeittherapien ihre Medikamente gar nicht oder falsch ein. Die so genannte fehlende Einnahmetreue verursacht jährlich mehrere Milliarden Euro direkte Kosten u. a. aufgrund von Krankenhauseinweisungen.
Viele Patienten lösen das vom Arzt verordnete Rezept erst gar nicht ein. Der Grund hierfür liegt häufig am mangelnden Leidensdruck, weiß die Apothekerkammer Niedersachsen. An Tagen, an dem es dem Patienten besonders gut geht, fehlt ihm das Verständnis, seine Medikamente konsequent zu nehmen. Eine regelmäßige Medikamenteneinnahme ist aber für den Erfolg der Therapie sehr wichtig.
Auch die mit den Krankenkassen abgeschlossenen Rabattverträge machen es den Patienten schwer, den Überblick über die einzunehmenden Medikamente zu behalten. Wer regelmäßig und über einen längeren Zeitraum Tabletten einnehmen muss, bekommt oft - je nachdem mit welchem Hersteller die Krankenversicherung einen Rabattvertrag ausgehandelt hat - ein neues Medikament. Der Wirkstoff bleibt zwar gleich, doch Form und Farbe der Medikamente und der Verpackung können variieren. Patienten, die mehr als drei Arzneimittel nehmen müssen, können hier schnell durcheinander kommen und durch die Namensunterschiede zwischen verordnetem und abgegebenem Präparat verunsichert werden und dann das Vertrauen in die Behandlung verlieren.
Eine mangelnde Therapietreue stellen die niedersächsischen Apotheker vor allem bei älteren oder chronisch kranken Patienten fest. Insbesondere die Anzahl der einzunehmenden Medikamente macht es älteren Menschen schwer, die Anweisungen des Arztes zu befolgen. Oft wird ein Medikament einfach vergessen. Wer schlecht sieht oder wenig Kraft in den Händen hat, scheitert manchmal schon daran, dass er die Verpackung des Arzneimittels nicht öffnen kann. Chronisch Kranke hingegen folgen zunächst sehr gewissenhaft ihrer verordneten Therapie. Nach drei bis sechs Monaten verlässt Viele jedoch das Durchhaltevermögen.
Manche Patienten haben die Vorstellung, dass sie sich "etwas Gutes" tun, wenn sie ab und zu ihre Medikamente nicht nehmen. Apotheker sprechen bei diesem Phänomen von den "Drug-Holidays", die man sich gönnt. Dass eine solche Auszeit eine Gefahr für die Gesundheit darstellt und den Therapieerfolg gänzlich in Frage stellt, ist vielen Patienten gar nicht bewusst.
Wer nach Durchsicht des Beipackzettels unsicher geworden ist, sollte nicht das Medikament absetzen, sondern zunächst einen Apotheker befragen. Grundsätzlich sollten Betroffene oder auch Familienmitglieder gleich am Anfang der Therapie einen Beratungstermin bei ihrem Apotheker vor Ort vereinbaren. Der Apotheker unterstützt den Patienten, dass die vom Arzt verordnete Therapie auch umgesetzt wird. Er erklärt noch einmal die genaue Wirkungsweise des Arzneimittels, weist auf Nebenwirkungen hin und wie mit diesen umzugehen ist. Wird ein Medikament nicht gut vertragen, sollte es auf keinen Fall ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden. In einem solchen Fall ist ein weiterer Besuch beim Arzt unumgänglich, um nach einer Alternative zu suchen.
Nimmt z. B. ein Typ-2-Diabetiker seine Medikamente nicht ein, muss dieser mit schweren Folgeerkrankungen rechnen, die aufwendiger zu therapieren sind, als der Diabetes selbst. Noch immer kommt es wegen mangelnder Therapietreue zu Amputationen bei Diabetikern.
Apotheker empfehlen das Führen eines Patiententagebuchs, in das der Patient seine Blutdruckwerte oder Blutzuckerwerte während der Therapie einträgt und somit den Effekt der Medikation erkennen kann.
Patienten mit Einschränkungen in Kraft und Beweglichkeit der Hände unterstützt der Apotheker mit Hilfsmitteln wie Greif- oder Schraubhilfen, Öffnern für Blister oder Tablettenteilern. Tablettendosierhilfen mit Unterteilungen für einen Tag oder eine Woche sind weit verbreitet. Es gibt aber auch elektronische Pillenboxen mit Erinnerungsfunktion. Moderne Handys können ebenfalls als Erinnerungshilfe fungieren. Grundsätzlich sollte die Einnahme der Medikamente mit täglichen Routinehandlungen wie dem Frühstück verbunden werden.
Sollen Medikamente helfen, sind eine gute Kommunikation zwischen Arzt, Patient und Apotheker und ein gutes Vertrauensverhältnis unerlässlich. Der Patient muss seine Krankheit verstehen und auch den Nutzen der Therapie für seine Gesundheit.
Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören rund 7.000 Mitglieder an. Der Apotheker ist ein fachlich unabhängiger Heilberufler. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apothekern die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwirbt der Studierende Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie und Toxikologie. Nach drei Staatsexamina erhält er eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung kann er eine öffentliche Apotheke führen. Der Apotheker fertigt individuelle Rezepturen an, erklärt die korrekte Einnahme von Medikamenten, warnt vor Wechselwirkungen und garantiert diese Versorgung auch im Nacht- und Notdienst.

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