Victoria und Albert: Das königliche Traumpaar des 19. Jahrhunderts. Nach Königin Victoria (regierte 1837 - 1901) wurde ein ganzes Zeitalter benannt, und gemeinsam schuf das Paar nicht nur eine europäische Dynastie, sondern prägte auch PR-wirksam das Bild einer harmonischen und richtig menschlichen königlichen Familie. Durch das ausschweifende Leben Georges IV. und einigen seiner Brüder hatte die britische Monarchie zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen sehr schlechten Ruf, und vielleicht ist es gar Victoria und Albert (den Ururgroßeltern von Elizabeth II.) zu verdanken, dass Großbritannien heute noch eine Monarchie hat.
Doch der schöne Schein war kaum mehr als das, und in diesem Artikel will ich einige der weniger bekannten - und auch weniger schmeichelhaften - Fakten rund um Victoria und Albert und ihre Kinderschar beleuchten.
Victoria und Albert: So sah das royale Familienleben wirklich aus
- Victoria und Albert hatten ein recht aktives Sexualleben, das 9 Kinder in 17 Jahren hervorbrachte: Victoria (genannt Vicky), Albert Edward (genannt Bertie, der spätere König Edward VII.), Alice, Alfred, Helena, Louise, Arthur, Leopold und Beatrice. Vor allem Victoria schien von ihrem angebeteten Mann nicht genug zu bekommen.
- Victoria fand Babies jedoch häßlich, nannte sie „froschartige Wesen" und sagte, man könne sie weder ansehen noch halten, ehe sie ein halbes Jahr alt seien. Sie hatte auch einen „unüberwindbaren Ekel" vor dem Stillen und tat es deshalb nicht, obwohl das Stillen zu jener Zeit auch in der Oberschicht gerade in Mode kam.
- Der Thronerbe Bertie erwies sich bald als große Enttäuschung für seine Eltern. Er schien die Wutausbrüche seiner Mutter geerbt zu haben, war undiszipliniert und wenig lernbereit. Als ein Phrenologe die Beschaffenheit seines Gehirns untersuchte und dem Prinzen Starrsinn und mittelmäßige Intelligenz bescheinigte, äußerte Albert sogleich, dass der Prinz dieses „angelsächsische Gehirn" nur von der Stuart-Seite der Familie, auf keinen Fall von der deutschen Seite, geerbt haben könne.
- Victorias Wutausbrüche führten immer wieder zu Streit, und bald kam ein böser Verdacht auf: Hatte die Königin den Wahnsinn ihres Großvaters George III. geerbt? Der Hofarzt riet, die Königin zu schonen und nicht zu reizen, da so keine Gefahr für ihren Geisteszustand drohen würde.
- Prinz Albert nahm, ungewöhnlich für jene Zeit und Schicht, großen Anteil am Leben seiner Kinder und tollte mit ihnen durch das Kinderzimmer. Victoria hingegen schien zu Alberts Lebzeiten nur wenig an ihren Kindern interessiert zu sein - höchstens daran, sie zu Ebenbildern ihres Vaters zu formen.
- Obwohl Victoria selbst nicht prüde gewesen war, konnte sie jedoch ihren beiden ältesten Söhnen nicht verzeihen, dass diese noch vor der Ehe Affären eingingen. Die Beziehung zu beiden zerbrach daran. Victoria fühlte sich von ihren Söhnen verraten, da sie nicht dem ritterlichen, tugendhaften Ideal entsprachen, dass Victoria und Albert für ihre Kinder vorgesehen hatten.
- Prinzessin Louise hatte ihren eigenen Kopf und lehnte sich gegen die Mutter auf, in dem sie sich der Bildhauerei widmete. Nachdem Victoria zuerst entsetzt war, erlaubte sie ihrer Tochter doch schließlich den Besuch einer öffentlichen Schule - als allererster Prinzessin. Ab 1868 studierte Louise an der nationalen Kunstschule als eine der ersten Frauen Bildhauerei. Doch Victoria schien ihre Zustimmung schon bald zu bedauern und zwang Louise immer wieder, nicht in die Schule zu gehen, sondern der Mutter bei ihrer Korrespondenz zu helfen. Louise gab jedoch nicht auf, schloss das Studium ab und wurde die erste Bildhauerin, von der eine Statue öffentlich aufgestellt wurde: Das Bildnis von Königin Victoria steht noch heute vor dem Kensington Palace. Kanada, in dem Louise mit ihrem Ehemann einige Jahre gelebt hatte, benannte seine Provinz Alberta und den darin liegenden Lake Louise nach der eigensinnigen Prinzessin Louise, deren dritter Vorname Alberta lautete.
- Beatrice, die zuletzt die Korrespondenz ihrer Mutter geführt hatte, verbrannte nach deren Tod große Teile des Tagebuchs und der Korrespondenz ihrer Mutter, da sie wollte, dass die Nachwelt sich nur an die guten Seiten ihrer Mutter erinnerte - nicht an die kontrollsüchtige Egoistin, die ihre Mutter gegenüber ihren Kindern geworden war.