Sturla Brandth Grøvlen, der Kameramann, der anscheinend eine Tortur durchlitt und eine Herkulesaufgabe anging, erscheint im Abspann vor dem Regisseur Sebastian Schipper. Einleuchtend – "Victoria" wurde an einem Stück gedreht, 140 Minuten lang, ohne Schnitt, eine Nacht in Berlin, fließend, treibend gar. Und in der Tat fließt, wabert und wuselt sich "Victoria", ein energetisches Bewegungsgedicht, durch Genres, indem er (nicht gänzlich abklatschresistente) Übergänge brenzligerer Spannungsverdichtungen gestaltet, von der räudigen Anarcho-Komödie (bekloppt) zur naiven Gangsterromanze (bekloppt²), vom Unterweltthriller (bekloppt³) zum Heist, vom Verfolgungs- zum Belagerungsterrorfilm; vielfach geschuldet der Inkompetenz der Polizei. Die Kamera haftet an Victoria, einem spanischen Mädchen (frohgemut: Laia Costa), das in Berlin ein Ziel erwartet. Daraus entblättert sich eine erschreckend innige Intimität, die, zugleich grobkörnig wie feinstofflich (der Zuschauer wartet mit Victoria während eines Banküberfalls im Auto, das, Billy Wilders "Frau ohne Gewissen" grüßt, ausgerechnet dann von einem sterbenden Motor heimgesucht wird), Schmerz und Ohnmacht, Entspannung und Ermattung den Dingen gegen den Determinismus der Zeit beifügt. Demnach ist "Victoria" nicht technizistisch-kühl, wie ein formaler Kunstgriff das vermuten würde, sondern füllt das proletarische Berliner Milieu neugierig mit grabenden, wühlenden Menschen, die an einer Schnur einer Raum-Zeit-Großstadtsymphonie gezogen werden – und ein Faden sich nach dem anderen löst. Die Einsamkeit des Zähneputzens.
7 | 10