Verrat oder Heldentat?

Das Hamakom zeigt derzeit „Dunkelstein“ von Robert Schindel. Ein Stück, das an die Begebenheiten in Wien während der Judendeportationen erinnert, und dessen Figuren reale Vorbilder hat. Regie führte der Hausherr, Frédéric Lion, selbst.

Dunkelstein Hamakom (c) Nick MangafasDunkelstein Hamakom (c) Nick Mangafas

„Dunkelstein“ befasst sich mit der Frage, ob die Kooperation von Benjamin Murmelstein mit Adolf Eichmann und seiner Truppe in Wien ein Verbrechen war, abgewendet werden hätte können, oder vielen jüdischen Menschen das Leben gerettet hat. Der Rabbiner gehörte zum sogenannten Judenrat in Wien, der mit den nationalsozialistischen Behörden kooperieren musste. Die sogenannte „Zentralstelle für jüdische Auswanderungen in Wien“, die von Murmelstein anfänglich in gutem Glauben betreut wurde, weil er der Meinung war, damit Jüdinnen und Juden außer Landes bringen zu können, stellte sich als eine Falle heraus. Nicht nur, dass die dort registrierten Menschen ihr Hab und Gut verloren, sie konnten aufgrund der erhobenen Daten auch leicht in die KZ abgeschoben werden.

Robert Schindel schrieb das Stück ursprünglich für das Volkstheater. Aufgrund einer Entscheidung des damaligen Direktors Michael Schottenberg kam es jedoch nie zur Aufführung. Zu sperrig erschien Schottenberg das Thema, zu groß waren die Bedenken, das Haus damit nicht auslasten zu können. Das Hamakom erlebt derzeit ausverkaufte Vorstellungen damit.

Benjamin Murmelstein erhält in Schindels Drama den Namen Dunkelstein. Der Autor spielt mit der Figur in zum Teil freier Assoziation, wenn er wiedergibt, wie die Zusammenkünfte von ihm und Eichmann bzw. anderen Nazi-Beamten gewesen sein hätten können. Michael Gruner, seit vielen Jahren als Regisseur tätig, übernimmt in der Produktion die Rolle des Dunkelstein. Er verkörpert einen Rabbiner mit großer Lebenserfahrung, der vor allem eines ist: Abgeklärt. Selbst in der größten Bedrängnis, als ihm sein Freund Dr. Leonhardt Bedenken vorträgt, dass die Kooperation mit den Nazis den Juden nur schaden könnte, bleibt Gruner beinahe stoisch und beharrt auf seine Mitarbeit. „Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt. Wer auch nur ein Leben zerstört, zerstört die ganze Welt.“ Dieser Spruch aus dem Talmud wird Dunkelsteins Rechtfertigung, zumindest nach einiger Zeit wohl wissend, dass Tausende seiner Landsleute, auch mit seiner Hilfe, in den Tod geschickt wurden.

Die 8-köpfige Ensemble der Inszenierung hat insgesamt 21 Personen zu spielen. Die

Dunkelstein, Hamakom (c) Nick MangafasDunkelstein, Hamakom (c) Nick Mangafas

Garderobe für die häufigen Kostümwechsel befindet sich rechts von der Bühne, vom Publikum teilweise einsichtig. Lukas Goldschmidt am Klavier sorgt für die Live-Musik an diesem Abend. Auch er ist etwas abseits, seitlich von der Bühne platziert, wirkt aber dennoch bei seinen Auftritten sehr präsent.

Schindel spannt einen großen Bogen vom Heute, in dem diskutiert wird, ob Jüdinnen und Juden keine Möglichkeit gehabt hätten, sich zu wehren, bis hin ins Wien der Vorkriegsjahre, in dem Figuren wie Friedell und Polgar sich noch im Caféhaus trafen. Die bekannte Torberg-Erzählung aus der Tante Jolesch über den cholerischen Cafétier, der alle kennt, die behaupten, dass Zwetschgenröster ein Kompott sei, wird beim Autor zum Ausgangspunkt der Darstellung, wie sich Menschen angesichts von neuen Machtstrukturen verändern können. Die anfängliche, humorige Stimmung, bei der jüdische Witze erzählt und gespielt werden, wandelt sich rasch ins Graue bis Schwarze spätestens in jener Szene, in welcher die Juden-Erniedrigung eindringlich gezeigt wird. Schindel lässt keine Zweifel daran, dass Aufbegehren oder jüdischer Widerstand nicht zum Erfolg geführt hätte, ja mehr noch, gar nicht möglich gewesen wäre. Die Erkenntnis, dass nichts unter einem schwarz-weißen Blickwinkel angesehen werden darf, wenn man auf der Suche nach richtigen Antworten ist, wird bei dieser Thematik mehr als deutlich. Die Regie von Lion setzt auf ein beständiges Fließen des Geschehens, auch wenn die Zeitsprünge mitunter groß sind. Die allererste und letzte Szene verhüllt er mit einem leichten, weißen Vorhang und erhebt dadurch die Geschichte in eine reine Spielfiktion, was aufgrund der historischen Vorkommnisse ein wenig befremdet.

Dunkelsteins Widerpart, Sturmbandführer Leder, wird von Alexander Julian Meile gespielt. Die Impertinenz gegenüber den beiden Herren des Judenrates, mit der der noch junge Parteigünstling vorgeht, beschämt beim Zusehen. Das Geschehen in Wien, kaltblütig durchgeführt, bleibt für ihn jedoch nur eine Episode. „Wien, Wien, nur du allein“, singt er noch bei seiner Abreise nach Deutschland, mit dem zynischen Zusatz – „wirst bald die Stadt ohne Juden sein.“

Dass Robert Schindel ausgerechnet sein Leben Benjamin Murmelstein verdankt, der in Theresienstadt dafür sorgte, dass er in die Obhut einer fürsorglichen Frau kam, alleine dieser Umstand macht klar, wie ambivalent die Geschehnisse und die Figuren dieser Zeit in Wirklichkeit waren.

In weiteren Rollen: Lilly Prohaska, Dolores Winkler, Florentin Groll, Rouven Stöhr, Heinz Weixelbraun, Eduard Wildner


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