Vergriffen?

Die verschiedenen Verlautbarungsorgane der deutschen Eliten melden: Guttenbergs Buch vergriffen. Nachdrucke in Arbeit. Bitte Geduld, der Weihnachtsschlager 2011 wird auch Ihren Gabentisch zieren. Kein Fest ohne Uns Karl Theodor - versprochen!

Ich war am Wochenende kurz in der Buchhandlung. Nicht wegen Herrn Baron. Andere Leute von Adel, von geistigen Adel, zogen mich dorthin. Und da lag es: das Evangelium nach Karl, diese apokryphe Schrift, die nun gefunden wurde, um dem biblischen Kanon angegliedert zu werden. Da lag dieses hagiographische Wunder, dieses moderne Jesus-Geschichtlein. Und es lag da nicht als letztes Exemplar herum, als vergessener Packen Papier einer ansonsten vollkommen vergriffenen Schrift. Zentnerweise lag es herum; Buch auf Buch, mehrere Stapel. Zwei Tage später. Wieder war ich in einer Buchhandlung. In einer anderen Buchhandlung. Auch dort einige Kilogramm dieses Evangeliums.

Dorthin scheinen die Bücher verkauft worden zu sein: an Buchhandlungen. Die haben sich größere Bestände gesichert, darauf spekulierend, dass der ganz große Hype entsteht. Vergriffen sind die Bücher allerdings nicht. Sie liegen in den Verkaufsräumen herum - wer eines haben will: hurtig zum Händler! Der Weihnachtsschlager spielend erhältlich - wenngleich er damit wahrscheinlich kein richtiger Weihnachtsschlager mehr ist. Sicher, trotz dieses meterweisen Reservoires an Heiligengeschichtchen, die auf Verkaufstischen liegen, schlecht verkaufen wird sich das Ding nicht. Die Deutschen stehen auf Pulp Fiction, auf Schund. Man liest Pilcher und Guttenberg. Man liebt Rührseliges für die Seele, man liebt den Gefühlsschmalz. Dort Liebesglück auf Umwegen, hier politischer Erfolg auf Umwegen. Der deutsche Schundist mag seinen Ausblick auf ein Happy End. Er mag Heroen und Don Quichottes.

Erstaunlich ist allerdings schon, wie die Medien ohne nachzufragen verströmen, was man ihnen einträufelt. So entsteht der Eindruck, dass dieser blaublütige Teufelskerl anfassen kann, was er auch mag: es endet immer in Gold und Juwelen. Ein Sonnyboy, der es drauf hat. Schreibt ein Buch, das er ungefähr so geschrieben hat, wie damals seine Dissertation, und schon ist es vergriffen. Dass alleine in einer kleineren Großstadt Zentner des Buches ausliegen: kein Sterbenswörtchen. Zwischen dreißig und vierzig Stück waren vorrätig und ich war noch nicht mal in allen Buchhandlungen der Stadt. Sicher, das ist nicht repräsentativ, jedoch man rechne das mal auf die Bundesrepublik hoch - vergriffen ist da gar nichts. Man ist höchstens von dieser medial verbreiteten Vergriffenheit ergriffen...


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