Gerade halte ich einen Zeitungsartikel in den Händen, der mich doch etwas erschüttert.
Meine Mutter legt mir gerne Zeitungsartikel der SZ hin, von denen sie glaubt, dass sie mich interessieren könnten. Gestern habe ich wieder einen Stapel mitgenommen. Darunter jener Artikel, der mir ein flaues Gefühl bereitet.
Die Überschrift lautet groß: "Vermesssene Kindheit" (Süddeutsche Zeitung Nr. 163, Samstag/Sonntag, 18./19. Juli 2015, S. 33). Es geht darum, dass (zu) viel getestet wird, dass "Normal" ein immer engerer Begriff ist und dass die meisten Tests, die feststellen sollen, ob ein Kind nun "normal" ist oder nicht im Grunde nichts taugen. Aber es geht auch darum, dass wir Eltern dazu neigen das Können unserer Kinder zu sehr zu vergleichen, dass wir unserem eignem Gefühl, unserem eigenen Urteil misstrauen. "Denn ob ein Kind normal ist oder nicht - in dieser Frage vertrauen Eltern [...] lieber ihren Kinderärzten."
Ist das wirklich so? Muss erst ein Arzt bestätigen, dass mein Kind normal ist, damit ich das glaube? Wenn ich ehrlich bin, fallen mir einige Momente ein, in denen ich erleichtert war, weil der Arzt bestätigte, dass mit meinem Kind alles ok ist. Das fing in der Schwangerschaft an und nach der Geburt war ich so unglaublich stolz und erleichtert, dass der Apgartest 10/10 lautete. Erst letzten Monat bin ich nach der U5 tagelang besorgt gewesen, weil die Ärztin meinte Sophia hätte eine zu schwache Muskulatur im Rücken, weil meine Tochter noch keine Anstalten machte in den Vierfüsslerstand zu gehen. Dass sie die Bauchlage zu diese Zeitpunkt noch verabscheute wurde mit starkem Stirnrunzeln quitiert. Ich recherchierte abends immer wieder wie weit der Entwicklungsstand mit sieben Monaten sein müsste, wie weit andere Kinder in Sophias Alter waren und was man tun kann. Dass das fünf Monate ältere Kind von Bekannten in Sophias Alter bereits saß und anstalten machte zu laufen, war nicht unbedingt sehr förderlich.
Irgendwann sprach mein Mann ein ernstes Wort und auch meine Mutter redete mir zu meinem eigenen Gefühl zu vertrauen. Was war mein Gefühl, neben all dieser Verunsicherung?
Eigentlich finde ich mein Kind perfekt. Sophia hat einen ganz eigenen Kopf und wenn ich ihr so zu sehe tasgüber, bin ich mir sehr sicher, dass sie ihren Weg gehen wird. Sie weiß genau was sie nicht will und genau so stritk weiß sie was sie will. Und wie sollte es anders sein, jetzt eineinhalb Monate nach der Untersuchung, wippt Sophia den halben Tag im Vierfüsslerstand, versucht zu krabbeln und hat es vorhin sogar geschafft sich selbst frei hinzusetzen! Warum also lasse ich mich jedes Mal kirre machen? Woher kommt diese Unsicherheit darüber, ob sich das eigene Kind normal entwickelt, die man als Eltern hat?
In Zukunft werde ich mich bemühen meine Tochter nicht mehr mit anderen Kinder zu vergleichen. Ich möchte mich nicht mehr von Kinderärzten oder sogar irgendwelchen fremden Leuten verunsichern lassen. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, jedes kann etwas anderes eher oder besser als andere. So sind wir Menschen nun mal: verschieden.
Gut möglich, dass ich irgendwann feststelle, dass Sophia doch Unterstützung für irgendwas braucht. Aber ich bin mir sicher, dass ich das rechtzeitig merken werde. Weil ich vertrauen in mein Kind habe und vorallem in meine Fähigkeiten als Mutter!